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Abschied vom Diktat der Kurzfristigkeit

Professor Klaus Töpfer hielt die elfte „Einstein Lecture Dahlem“ und sprach sich für ein verstärktes Einbinden von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Politik aus

21.06.2011

Klaus Töpfer rief in seinem Vortrag an der Freien Universität zur Konzentration auf langfristige Ziele auf

Klaus Töpfer rief in seinem Vortrag an der Freien Universität zur Konzentration auf langfristige Ziele auf
Bildquelle: Juliane Bartsch

Der Physiker Albert Einstein im Hintergrund als Namensgeber der Lecture und Beispiel für Vielfalt und Virtuosität in der Wissenschaft

Der Physiker Albert Einstein im Hintergrund als Namensgeber der Lecture und Beispiel für Vielfalt und Virtuosität in der Wissenschaft
Bildquelle: Juliane Bartsch

Als Direktor des Instituts für Klimawandel, Erdsystem und Nachhaltigkeit in Potsdam und ehemaliger Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen ist Klaus Töpfer Spezialist auf den Gebieten Umweltforschung und -politik. Die „Einstein Lecture Dahlem“ mit dem Titel „Wissenschaftliche Erkenntnis – Toleranz – Verantwortung“ des ehemaligen Umweltministers (CDU) hinterfragte Transferprozesse zwischen Politik und Wissenschaft – und regte an, über Mensch und Natur nachzudenken.

„Die meiste Lebensfreude kommt aus meiner Geige", soll  Albert Einstein gesagt haben. So war es passend, dass die elfte „Einstein Lecture Dahlem“ der Freien Universität Berlin musikalisch eingeläutet wurde. Auch wenn die Geige durch ein Saxophonquartett ersetzt wurde, das Teile aus Johann Sebastian Bachs Kunst der Fuge vortrug – ein Komponist, den Einstein besonders bewunderte. Ein Porträt Albert Einsteins von Max Liebermann zeigte während des Vortrags den weltberühmten Physiker, der sich durch Vielfalt und Virtuosität auszeichnete.

Auch der diesjährige Ehrengast der Einstein-Lecture steht für langjähriges Schaffen in verschiedenen Bereichen: Professor Klaus Töpfer, ehemaliger Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Bundesumweltminister außer Dienst und nicht zuletzt Vorsitzender der im März 2011 von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung, die Ende Mai ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte.

Wissenschaftliche Erkenntnis und Gesellschaft

Töpfers Rede trug den Titel „Wissenschaftliche Erkenntnis – Toleranz – Verantwortung“. Ganz im Sinne Einsteins hinterfragte der Politiker die Bedeutung der Wissenschaft – besonders in Bezug auf die Umweltpolitik: „Wie ist wissenschaftliche Erkenntnis in unsere Gesellschaft eingebunden?“ Das Zusammenspiel von Forschung, Politik und Gesellschaft müsse erheblich besser funktionieren, forderte der mehrfache Ehrendoktor, Mechanismen der Aufarbeitung müssten entwickelt werden. Negative Folgen weitreichender Entscheidungen, auf die in Forschungsergebnissen hingewiesen werde, würden zu oft nachfolgenden Generationen aufgebürdet. Die Politik, die dem Diktat der Kurzfristigkeit folge, tue sich schwer, langfristig notwendige Entscheidungen zu treffen, für die man zuweilen kurzfristig Nachteile inkaufnehmen müsse.

Wissenschaftler und Politiker, sagte der Ex-UN-Kommissar, müssten und dürften auch Fehler eingestehen. Schließlich sei es schlichtweg unmöglich, „bei vollkommener Information zu entscheiden“. Hinterfrage man sich und seine Entscheidungen in einsteinscher Manier, dann steige auch die Toleranz in der Gesellschaft.

Fehler eingestehen und korrigieren

„Wie beeinflusst der Mensch die Natur? Ist der Mensch Schöpfer oder Geschöpf?“, fragte Töpfer am Ende. Er wies darauf hin, dass jede Entscheidung Verantwortung mit sich bringe und Fehler durch menschliches Handeln wieder korrigiert werden müssten. Sogenanntes Geo-Engineering, also technische Eingriffe in Naturkreisläufe, sollten in der heutigen Welt wenigstens diskutiert werden, da Gesellschaften –beispielsweise in der Atompolitik – auch auf potenzielle Fehler ihrer Nachbarn reagieren müssten.

In einem abschließenden Gespräch mit dem Direktor des Konstanzer Wissenschaftsforums Professor Jürgen Mittelstraß von der Universität Konstanz forderte der Bundesumweltminister a.D. abermals eine frühere Einbindung der Wissenschaft in politische Entscheidungen. „Weckt die Politik mit Terminologien wie Sicherheit bei Atomkraft nicht falsche Erwartungen gegenüber der Wissenschaft?“, wollte Mittelstraß wissen. Es gehe immer darum, das geringere Risiko zu wählen, antwortete Töpfer, also darum, eine „Non-Regret-Strategy“ zu führen. Wenn dann eine Entscheidung falsch getroffen worden sei, wären die Folgen nicht so schlimm. Mit der Ethikkommission hat Deutschland gezeigt, wie ein mögliches Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik aussehen kann.