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Ehrung für Jürgen Fuchs

Platz in Dahlem zur Erinnerung an den Schriftsteller und DDR-Bürgerrechtler benannt

13.05.2011

Lilo Fuchs (rechts) und Wolf Biermann (links) erinnern gemeinsam an den verstorbenen Ehemann und langjährigen Freund Jürgen Fuchs

Lilo Fuchs (rechts) und Wolf Biermann (links) erinnern gemeinsam an den verstorbenen Ehemann und langjährigen Freund Jürgen Fuchs
Bildquelle: Juliane Bartsch

„Jürgen Fuchs ist schuld daran, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben Straßensänger werde“

„Jürgen Fuchs ist schuld daran, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben Straßensänger werde“
Bildquelle: Juliane Bartsch

Viele waren zur Enthüllung der Gedenktafel am zwölften Todestag von Jürgen Fuchs gekommen

Viele waren zur Enthüllung der Gedenktafel am zwölften Todestag von Jürgen Fuchs gekommen
Bildquelle: Juliane Bartsch

„Ein Kämpfer von Jugend an“ sei Jürgen Fuchs (1950-1999) gewesen, sagt der Publizist Ralph Giordano. Am zwölften Todestag des Schriftstellers ist an diesem Montag ein Platz in unmittelbarer Nähe zum Fachbereich Psychologie der Freien Universität nach dem Dichter, Psychologen und Bürgerrechtler benannt worden. Dies sei ein Anlass, sich mit seinen Texten und seiner Lebensgeschichte auseinanderzusetzen, hieß es.

„Im wunderschönen Monat Mai, als alle Knospen sprangen, da ist mein Freund den letzten Weg nach Nirgendwo gegangen…“ Mit diesen Zeilen – frei nach Heinrich Heines Gedicht aus dem "Buch der Lieder" und in der Vertonung von Robert Schumann – beginnt das Totenlied, das Wolf Biermann vor 12 Jahren für Jürgen Fuchs geschrieben hat. Am Montag trug Biermann es wieder vor, anlässlich der feierlichen Einweihung des Jürgen-Fuchs-Platzes in Dahlem. Auf Beschluss des Bezirksparlaments von Steglitz-Zehlendorf trägt der bisher namenlose Platz an der Königin-Luise-Straße / Ecke Arnimallee nun den Namen des Regimekritikers.

„Jürgen Fuchs ist schuld daran, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben Straßensänger werde“, begann Biermann seine Rede. Viele waren zur Enthüllung der Gedenktafel gekommen und spendeten während der Reden, unter anderem des bekannten Liedermachers Biermann sowie der Autorin und Journalistin Doris Liebermann, mehrfach spontanen Applaus.

Vom SED-Mitglied zum Regimekritiker

Der 1950 im sächsischen Reichenbach geborene Bürgerrechtler entwickelte sich Anfang der Siebzigerjahre vom SED-Mitglied zum Regimekritiker. Wenige Tage nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns im November 1976 wurde Fuchs wegen seiner öffentlichen Kritik an dieser Maßnahme festgenommen und im Gefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert. Neun Monate später wurde er nach unzähligen Vernehmungen aus der DDR zwangsausbürgert.

Auch in West-Berlin verfolgt

Bereits kurze Zeit nach seiner Ankunft in West-Berlin engagierte sich Jürgen Fuchs gemeinsam mit Intellektuellen, Studierenden und Beschäftigten der Freien und Technischen Universität für politisch Verfolgte in der DDR und anderen Ostblockstaaten. Doch auch hier verfolgte das Ministerium für Staatssicherheit Fuchs und seine Familie. Ein damals an der Freien Universität beschäftigter DDR-Forscher beteiligte sich als Inoffizieller Mitarbeiter (IM „Rosenow“) des MfS an „Zersetzungsmaßnahmen“ gegen den SED-Gegner. Der DDR-Oppositionelle und seine Familie wurden im Alltag durch zahlreiche Stasi-Maßnahmen schikaniert. Doch Fuchs ließ sich nicht abschrecken. Mit der friedlichen Revolution erfüllte sich seine Hoffnung auf einen demokratischen Umsturz in der DDR.

Berichte eines Zeitzeugen

Nach dem Sturz des SED-Regimes und dem Fall der Berliner Mauer beteiligte sich Fuchs an der historischen Aufklärung der Herrschafts- und Unterdrückungsmethoden in der DDR. Sein Rat begleitete über viele Jahre die Arbeit des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität, als Zeitzeuge berichtete er in Lehrveranstaltungen des Otto-Suhr-Instituts den Studierenden über seine Erfahrungen in der DDR, aber auch über die Ablehnung, die ihm vor 1989 im Westen wegen seiner Kritik an den Verhältnissen in Osteuropa entgegenschlug.

In den Neunzigerjahren arbeitete Jürgen Fuchs, das Stasi-Opfer, für die neu gegründete Gauck-Behörde an MfS-Akten. 1997 zog er sich aus Protest zurück, weil in den Reihen der Behörde mehrere Dutzend ehemalige MfS-Mitarbeiter beschäftigt waren. Zwei Jahre später starb Fuchs mit 48 Jahren an einer seltenen Form von Blutkrebs.