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Frieden und Demokratie in Korea?

Podiumsdiskussion an der Freien Universität anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises an Kim Dae-jung vor zehn Jahren

15.12.2010

Lim Dong-won, Karin Janz und Egon Bahr (v.l.) diskutierten die Situation in Nord- und Südkorea, zehn Jahre nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Kim Dae-jung

Lim Dong-won, Karin Janz und Egon Bahr (v.l.) diskutierten die Situation in Nord- und Südkorea, zehn Jahre nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an Kim Dae-jung
Bildquelle: Marina Kosmalla

Egon Bahr und Lim Dong-won, die „Architekten“ der deutschen und der koreanischen Entspannungspolitik, diskutierten im Henry-Ford-Bau der Freien Universität über die Chancen für eine Vereinigung von Nord- und Südkorea. Anlass war ein Jubiläum: Vor genau zehn Jahren hatte Kim Dae-jung den Friedensnobelpreis erhalten, 2007 war der im vergangenen Jahr verstorbene, ehemalige Präsident der Republik Korea mit dem Freiheitspreis der Freien Universität ausgezeichnet worden.

„Wir verfolgen mit dieser Veranstaltung ein zweifaches Ziel“, eröffnete Professor Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität, die Podiumsdiskussion: Zum einen solle Kim Dae-jungs gedacht werden, der zu Berlin und zur Freien Universität stets ein besonderes Verhältnis gehabt habe. Zum anderen könne ein direkter Bezug hergestellt werden zu der politischen Situation, wie sie sich derzeit auf der koreanischen Halbinsel zeige.

Gegensätzlicher könnten die beiden Ereignisse freilich kaum sein: Ausgserechnet zum zehnjährigen Jubiläum der Verleihung des Friedensnobelpreises an Kim Dae-jung eskaliert der Konflikt zwischen Nord- und Südkorea zur militärischen Konfrontation. Nicht nur in Korea hatten sich mit der „Sonnenscheinpolitik“ Kim Dae-jungs große Hoffnungen verbunden auf ein friedliches Zusammenleben.

Internationale Wertschätzung: der Koreaner mit dem größten Ansehen

Professor Werner Pfennig, der viele Jahre am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität gelehrt und geforscht hat und ein langjähriger Bekannter Kim Dae-jungs war, gab einen kurzen Rückblick auf Kims Lebensweg und sein Wirken. Kim Dae-jung habe oft das ähnliche Schicksal Koreas und Deutschlands als geteilte Länder betont.

In seinen Konzepten, die er zur Überwindung der koreanischen Teilung vorgelegt hat, orientierte er sich stark an der deutschen Erfahrung. Seinen „Drei-Stufen-Plan“, die gedankliche Grundlage der späteren „Sonnenscheinpolitik“, stellte er zuerst im Ausland vor – in Berlin: Im März 2000 wählte er die Freie Universität als Ort für seine direkt nach Korea übertragene „Berliner Erklärung“. Im selben Jahr erhielt er den Friedennobelpreis, und die Freie Universität verlieh ihm die Ehrenmedaille der Hochschule. Sieben Jahre später, im Mai 2007, kam Kim Dae-jung – trotz großer gesundheitlicher Probleme – erneut nach Berlin, um den ersten Freiheitspreis der Freien Universität entgegenzunehmen.

„Kim Dae-jung ist in Korea noch immer umstritten, international ist er aber längst der Koreaner mit dem größten Ansehen“, sagt Pfennig.

Zwei Kenner der Teilungs- und der Wiedervereinigungsthematik

Im Mittelpunkt der in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung organisierten Veranstaltung stand das Gespräch zwischen Egon Bahr und Lim Dong-won, dem ehemaligen Minister für Wiedervereinigung der Republik Korea. Das Thema: die Möglichkeiten für eine Friedenspolitik in Ostasien. Beide Politiker stehen stellvertretend für eine Wende: Egon Bahr für die Ost-Politik Willy Brandts und Lim Dong-won für die Sonnenschein-Politik Kim Dae-jungs.

Moderiert wurde die Diskussionsrunde von Karin Janz, viele Jahre Koordinatorin der Welthungerhilfe für Nordkorea. Weitere Grußworte kamen von Werner Kamppeter, ehemaliger Leiter der Friedrich-Ebert-Stiftung, und – in Form einer Video-Ansprache – von Madame Lee Hee-ho, ehemalige First Lady der Republik Korea.

Zu spät für eine Wiedervereinigung?

Zum ersten Mal hatten sich Lim Dong-won und Egon Bahr vor 19 Jahren getroffen. „Seitdem hat sich viel verändert“, sagte Bahr. Damals hätten sie noch über die Vergleichbarkeit zwischen der Entwicklung in Deutschland und der in Korea gesprochen. „Darüber können wir heute  nicht mehr reden.“ Deutschland hat die Teilung nach 40 Jahren überwunden. Weil Korea schon 20 Jahre länger geteilt ist als es Deutschland war und es immer weniger Koreaner gibt, die noch eine persönliche Erinnerung an ein ungeteiltes Korea haben, sei die Situation nicht mehr vergleichbar.

„Wenn man ein Volk für lange Zeit teilt, kann es sich für immer teilen. Bei unserer Wiedervereinigung haben wir gemerkt, dass es fast zu spät war, weil die Mentalitäten in beiden Teilen des Landes schon sehr verschieden waren“, sagte Bahr.

Unentbehrlich: der Dialog

Lim war am Prozess der Wiedervereinigung in Deutschland immer sehr interessiert. „50 Jahre nach dem Koreakrieg befindet sich die Halbinsel in einem Zustand, der weder Krieg noch Frieden ist“, sagte Lim. Die jüngste nordkoreanische Aggression habe gezeigt, dass Korea ein Pulverfass sei, das jederzeit explodieren könne.

Versöhnung, Zusammenarbeit, Wandel und Friede: das waren die Schlüsselbegriffe von Kim Dae-jung. „Wir werden mit noch vielen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, aber wir müssen seinen Weg weitergehen“, sagte Lim. In diesem Punkt sind sich die beiden Architekten der Versöhnungspolitik einig: Was Kim Dae-jung erreichen wollte, war und bleibt richtig. Der Dialog bleibt unentbehrlich.