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Magris’ Monolog

Der italienische Schriftsteller und Friedenspreisträger Claudio Magris an der Freien Universität

20.01.2010

Der italienische Schriftsteller und Friedenspreisträger Claudio Magris

Der italienische Schriftsteller und Friedenspreisträger Claudio Magris
Bildquelle: Bastienne Schulz

Claudio Magris las auf Einladung des Italienzentrums und des Dahlem Humanities Center

Claudio Magris las auf Einladung des Italienzentrums und des Dahlem Humanities Center
Bildquelle: Georg Hilgemann

„Ach, wie viel Ballast ist dank mir im Papierkorb gelandet.“ Die Zuhörer im vollbesetzten Hörsaal an der Habelschwerdter Allee schmunzeln bei Claudio Magris‘ Zitat: Selbstironie? Der italienische Autor und Wissenschaftler las auf Einladung des Italienzentrums und des Dahlem Humanities Center der Freien Universität aus seinem Buch „Lei dunque capirà“ (deutsch: „Verstehen Sie mich bitte recht“).

„Verstehen Sie mich bitte recht“ ist die Geschichte einer alternden Frau, die über Leben, Liebe und den Mann erzählt, dessen Muse sie einmal war, und der sie nun aus einem Heim befreien möchte. Doch sie weigert sich – um ihn zu schützen. Zu schützen vor der Wahrheit dieser anderen Welt, die zu dunkel für ihn wäre. Sie bleibt im Schattenreich des Heims. Ein wenig wie die Nymphe Eurydike aus der griechischen Mythologie, die im Totenreich Hades bleiben musste, weil sich ihr Gatte Orpheus, der sie befreien wollte, verbotenerweise nach ihr umdrehte.

Von der Wahrheit, der Grenzüberwindung und dem Fremden in uns

Kritisch-ironisch und liebevoll erzählt Claudio Magris den Eurydike-Mythos in einer modernen Version und vermeidet so einen, wie er sagt, „petrifizierenden Blick“ auf die Geschichte. In dem Monolog der Protagonistin geht es um Liebe, Leidenschaft und eine weibliche Perspektive auf das Leben, vor allem aber um die Frage nach der Wahrheit und der Überwindung von Grenzen: der Akzeptanz des Fremden – auch in sich selbst. Man müsse, versinnbildlicht Magris, „die schreckliche Wahrheit der Medusa annehmen, wenn man vor ihr steht. Denn man kann sie ja schlecht zum Friseur schicken mit ihren Schlangenhaaren“. Magris bringt seine Zuhörer zum Lachen, indem er das geflügelte Ungeheuer aus der griechischen Mythologie in ein zeitgenössisches Bild setzt. So gelingt ein kurzweiliger Abend zu modernen, hochaktuellen Themen.

Schriftsteller, Übersetzer und Wissenschaftler

Claudio Magris wurde 1939 in Triest geboren. Bis 2006 war der Schriftsteller, der auch als Übersetzer arbeitet und Mitarbeiter der italienischen Zeitung Corriere della Sera ist, Professor für Deutsche Literatur an der Universität Triest. Klaus Hempfer, Professor für Romanische Philologie und Direktor des Italienzentrums der Freien Universität, hob Magris' Werke Danubio (1986) und Microcosmi (1997) hervor. Der italienische Autor beschäftigt sich intensiv mit Grenzgängen, dem Zusammenleben verschiedener Kulturen und prägte die Idee einer kulturellen Einheit „Mitteleuropa“. Neben zahlreichen Literaturpreisen erhielt Magris 2009 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels.