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DasCorps.de vom 7.11.2001: Diplomatie ausprobiert

Studenten und Jungdiplomaten definieren Terrorismus - und konzipieren Frieden

Von Dag Zimen

News vom 07.11.2001

Gediegene Damen und Herren in gedeckten Anzügen, ernste Mienen und bedeutungsschwere Reden. Fast könnte man meinen, die versammelten Exzellenzen aus 43 Ländern, die am Konferenztisch hinter ihren Fahnen Platz genommen haben, seien von ihren Regierungen ernsthaft autorisiert, den internationalen Terrorismus diplomatisch zu bekämpfen. Berlin also als Zentrum der derzeit so hektischen weltweiten Krisendiplomatie? Nur der vermeintliche Gastgeber, Deutschlands emsiger und sonst so allgegenwärtiger Chefdiplomat Joschka Fischer, ist nicht anwesend. Dafür aber der frischgebackene Friedensnobelpreisträger, UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Rein optisch ist er allerdings erstaunlich blass an diesem Tag.  


Willkommen beim Planspiel

Schnell wurde auch dem letzten der zahlreich anwesenden Journalisten klar, dass die zweitägige "UN-Weltkonferenz gegen den internationalen Terrorismus" nicht ganz echt war. Es handelte sich um ein Planspiel. Die 50 Delegierten der simulierten Konferenz am vergangenen Wochenende im Senatssaal der FU waren, ebenso wie Kofi Annan, Studenten beziehungsweise junge Diplomaten aus Osteuropa und Asien, die zur Zeit einen Fortbildungslehrgang am Auswärtigen Amt absolvieren. Unterstützt wurden sie von vier deutschen Diplomatenschülern in der Attaché-Ausbildung Diplomatenalltag im Test: Kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren...  


Kritische Blicke aus den USA

Regelmässig organisieren die Freie Universität und das Auswärtige Amt gemeinsam derartige Planspiele. Das Thema wurde diesmal - wie sollte es anders sein - von den tragischen Ereignissen des 11. September und seinen Folgen bestimmt. Durch möglichst realistische Simulation der diplomatischen Regeln sollte die Veranstaltung den Blick für die komplizierten Funktionsweisen internationaler Politik und diplomatischer Krisenbewältigung schärfen. Bei allem Spass am Spiel standen deshalb die Ernsthaftigkeit des bedrückend aktuellen Themas und der Gedanke der internationalen Verständigung im Vordergrund. "Wir sind eine Art Vereinte Nationen im Kleinen. Ein Mikrokosmos, dessen wichtigste Aufgabe es ist, zu kommunizieren. Einfach nur kommunizieren", so Peggy Wittke, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FU und zusammen mit Dr. Axel Gutmann vom Auswärtigen Amt Hauptorganisatorin des Planspiels.  



Beratungen

Eine Portion Selbstverleugnung - diplomatische Fähigkeit?

Ganz so einfach stellte sich die Kommunikation für die "Botschafterinnen" und "Botschafter" allerdings nicht dar. Zunächst einmal mussten die Delegierten möglichst realistisch die Positionen ihres jeweiligen Landes vertreten. Ob nun die USA oder der Irak, Israel oder Pakistan: die im Vorfeld verteilten Rollen verlangten einigen eine gehörige Portion Selbstverleugnung ab. Leichter hatten es da nur die 19 echten Jungdiplomaten. Sie durften ihr eigenes Land vertreten, hatten dafür aber das Sprachhandicap. Denn zu den wenigen unrealistischen Komponenten des Spiels gehörte es, dass Deutsch die einzige Verhandlungssprache war Und dann war da noch die originalgetreue und streng überwachte Geschäftsordnung. Das Diplomatendasein ist nicht immer leicht. Doch die Mehrheit der Teilnehmer fand schnell Gefallen daran. Leidenschaftliche Geschäftsordnungsdebatten, taktisches Geplänkel, hektische informelle Verhandlungen in den Hinterzimmern, ein Papierberg unterschiedlichster Anträge, langwierige Abstimmungen. Realistischer hätte die Simulation nicht sein können.

 



Abstimmungen

Diplomatischer Durchbruch - leider nur im Planspiel

Trotz zelebrierter Feindschaften im Plenum konnte sich die Konferenz schließlich aber doch zu einigen erstaunlichen Ergebnissen durchringen: Am Ende stand eine Resolution zur Definition des internationalen Terrorismus - eine Leistung, die den richtigen Vereinten Nationen bislang nicht gelungen ist. Dazu kamen eine weitere Resolution bezüglich Massnahmen gegen den internationalen Terrorismus und eine, wenn sie denn echt wäre, historische Friedenserklärung zum Nahost-Konflikt. Diplomatie ist Frieden. Das bestätigte sich hier erneut.

Grund genug, den erfolgreichen Abschluß der Konferenz zu feiern. Und egal ob echt oder nicht, Diplomaten wären nicht Diplomaten, wenn sie sich nicht ausgiebig der gesellschaftlichen Seite ihres Berufs widmen würden. Das Auswärtige Amt ließ denn auch keine Bewirtungswünsche offen. Und zu später Stunde empfing schließlich noch seine Exzellenz, der sudanesische Botschafter eine multinationale Delegation stilecht zur Festivität auf seinem täuschend echten Parkett.

 


 


Small Talk im Stehen gehört dazu


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