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Diplomatin ohne Immunität

Die Begegnungen mit dem Kopf hinter den Model-United-Nations-Programmen verhalten sich genauso so, wie man sich Treffen mit einer Führungskraft vorstellt: sie sind spärlich gesät. Ein guter Grund bei den seltenen Aufeinandertreffen etwas genauer hinzuschauen und etwas aufmerksamer zuzuhören. Genau das hat unsere Dokumentations-Gruppe getan, um zu sehen wer sich hinter dem Namen Peggy Wittke verbirgt. Jan Knuth (NMUN 2006 Delegation) hat seine Eindrücke festgehalten.

Zweimal war ich Peggy Wittke zuvor begegnet, beim ersten Mal saß sie mir gegenüber, hinter einem Tisch, persönlich musternd wer sich für das NMUN 2006 beworben hatte. Damals hörte sie sehr genau, was ich zu sagen hatte und von der Tatsache abgeleitet, dass ich kurz danach ins NMUN Team gerufen wurde, hatte ihr gefallen was sie gehört hatte.

Bei der zweiten Begegnung war es genau umgekehrt. Mir gefiel was sie zu sagen hatte. Ich saß hinter einem Tisch und lauschte ihren Ausführungen zum System der Vereinten Nationen. Hätte sie sich an diesem Nachmittag bewerben müssen - mit dem letzten Satz ihres Vortrags, blieb sie allen in bester Erinnerung.

Beim dritten Zusammentreffen waren wir schon auf gleicher Augenhöhe, was wohl eher daran lag, dass wir es uns auf den Stufen zum Hinterraum eines arabischen Restaurants gemütlich gemacht hatten. Um uns herum tummelten und räkelten sich Menschen verschiedensten Alters auf dicken Kissen und Polstern, vor den meisten Besuchern stand ein kleiner Tisch und eine Wasserpfeife, um uns herum schwebten kleine Rauchschwaden die nach Vanille und Pflaumentabak dufteten.

Angetan von der entspannten und persönlichen Atmosphäre machte Peggy Wittke vor allem eins ganz schnell deutlich: eine der wichtigsten Fähigkeiten im internationalen Dienst, die Kommunikation, beherrscht sie uneingeschränkt. Aufmerksam und ungezwungen beantwortete sie die Fragen, legte sich ihre Antworten kurz zurecht und präsentierte dann ihre Gedanken klar strukturiert.

Könnte von ihrem Jurastudium herrühren, dachte ich mir hinterher. Da sie sich aber nie hatte vorstellen können tatsächlich als Strafverteidigerin oder gar Richterin zu arbeiten, und ohnehin für Peggy Wittke die Wörter „umsetzen“, „Initiative“ und „Aktion“ noch vor dem „argumentieren“ kommen, orientierte sie sich während ihres Studiums anderweitig.

Die innerdeutsche Grenze fiel im November 1989 gänzlich ohne ihr Zutun, was ihr zwar den eigentlichen Grund für das Studium die Rechtswissenschaft nahm, nicht aber ihren Antrieb. Sie wendete sich vermehrt dem Völkerrecht zu, wohl wissend, dass ihr persönliches Engagement an dieser Stelle von weit reichendem Nutzen sein würde:

Ihre Tatkraft hat in elf Jahren schon mehr als 300 Studenten die Vereinten Nationen näher gebracht. Ein Großteil von ihnen hatte die Möglichkeit nach New York zu reisen, und viele weitere Studenten konnten dank ihr einen Blick hinter die Kulissen von internationalen Verhandlungen und Konferenzen werfen.

Schon ziemlich zu Beginn des Gesprächs war ich über ihren Mut verwundert. Nicht nur, dass es zum Anfang der 90er Jahre nicht die Regel war, zwei Mal die Hochschulbank in Mexiko gedrückt zu haben. Abermals zog ich innerlich den Hut vor ihr, als sie uns ihre „erste Wahl“ auf die Frage hin präsentiert, welche drei Politiker sie auf eine einsame Insel mitnehmen würde: selbstsicher wählte sie als ersten John Bolton! Bestimmt nicht nur um die Zahlungsmoral der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu verbessern. Bei diesem Zusammentreffen würde sie Herrn Bolton gerne darin erinnern welch einmalige Institution die USA als eines der maßgeblichsten Gründungsmitglieder geschaffen haben. Kritisch und respektvoll wäre sie Herrn Bolton gegenüber ohnehin. 

Dieser Unterredung mit dem Botschafter der USA bei den UN wird vermutlich ein Wunsch bleiben. Wer Peggy Wittke zuhört merkt, dass in den vielen Jahren in denen sie sich mit der UN beschäftigt, Wünsche und Hoffnungen mancherorts verblasst sind und die Realität und, im Besonderen, die Realpolitik Einzug gehalten haben. Nur allzu gut kennt sie die Dimensionen der Probleme, mit welchen die UN konfrontiert ist. Probleme welche die UN von innen und außen treffen. Aufgaben, die Peggy Wittke von innen und außen kennt. Genauso vertraut ist sie mit der Schwierigkeit des Weges, auf welchem diese Probleme trotzdem zu lösen sind.

Dennoch erstens: „everything is possible“ und zweitens käme es der Strafe des Sisyphus gleich, versuchte man ihr einzureden, sie besäße nicht „den besten Job der Welt.“

Denn trotz allem Ansehensverlust den die UN in den letzten Jahre erfahren hat, wird Peggy Wittke am authentischsten, wenn sie von den grundsätzlichen Ideen und den tatsächlichen Geschehnissen innerhalb der UN spricht, welche sie ihren Studenten näher bringen möchte. Die Jugendlichen im Rahmen einer Konferenz-Simulation in andere Schuhen zu stecken, aus welchen heraus eine Position zu finden ist, diese stets innerlich kritisch zu hinterfragen, sie nach außen effektiv zu vertreten, das sind nur einige der Dinge die sie uns mit auf unseren Weg geben will. Natürlich geht es auch um Sachkenntnis, selbstverständlich geht es auch um Verhandlungstechniken. Letztlich steht der Erfahrungsgewinn für ihre Studenten aber unter dem Motto „learning by doing“, welches beim Aufeinanderprallen der verschiedenen Delegationen auf einer großen Konferenz entsteht.

An kaum einem anderen Kurs an der Uni ist der Praxisanteil derartig hoch, oder steht ähnlich unangefochten im Mittelpunkt, wie bei den Ihrigen. Und dass ihre Studenten zu den Motiviertesten an der Uni zählen dürften, erhöht erkennbar den Gefallen, den sie an ihrem Job findet.

Zufrieden hebt Peggy Wittke deshalb ihr Glas Wein und wir stoßen alle miteinander an. Ich denke an den letzten Satz, den sie bei unserem zweiten Treffen sagte und der allen Teilnehmern in Erinnerung geblieben ist: „NMUN can change your live.“ Das Ihrige ist hierdurch deutlich geprägt. Ihre eigene Teilnahme am NMUN führte sie zunächst nach New York, von dort wieder nach Berlin und zu ihrem Job an der Fakultät der Rechtswissenschaft, wo sie selber als Studentin gebüffelt hatte und nun die Koordinierung der MUN an der Freien Universität in die Hände nahm. Regelmäßig schließt sich der Kreis auf dessen Linie Berlin, New York und das NMUN liegen, wenn sie wieder eine Delegation aus Studenten in das Hauptquartier der Vereinten Nationen führt. Auch ohne offiziellen Titel ist sie ein Botschafter dieser internationalen Organisation geworden und manchmal habe ich das Gefühl, sie ist viel mehr Diplomatin, als es ihr selber bewusst ist.

Jan Knuth