Springe direkt zu Inhalt

Den Zugang zu Bildung öffnen

Den Zugang zu Bildung öffnen

In Lateinamerika, der Weltregion mit den größten sozialen Ungleichheiten, ist die Hoffnung auf soziale Mobilität und auf ein besseres Leben mit dem Zugang zur Hochschulbildung verbunden. Die Ausschlussmechanismen aus den Universitäten sind heute weniger offensichtlich und erkennbar als früher. Doch sie sind weiterhin dafür verantwortlich, dass sozial benachteiligte gesellschaftliche Gruppen, vor allem Frauen, immer noch an den Hochschulen geringer vertreten sind. Zugleich haben lateinamerikanische Universitäten Förderprogramme und –maßnahmen entwickelt, um diese Diskriminierung zu bekämpfen

Ausgehend vom Lateinamerika-Institut unter der Leitung von PD Dr. Martha Zapata Galindo und Prof. Dr. Marianne Braig wird gemeinsam mit Prof. Dr. Maria da Costa vom Geschlechterforschungsprogramm PAGU der Universidade Estadual de Campinas in Brasilien ein internationales Netzwerk koordiniert, in welchem renommierte Frauen- und Geschlechterforscherinnen aus zwölf lateinamerikanischen und vier europäischen Universitäten mitarbeiten.

Das von der Europäischen Union finanzierten Verbundprojekt MISEAL (Medidas para la inclusión social y equidad instituciones de educación superior en América Latina) untersucht und entwickelt Maßnahmen und Instrumente, die die Teilhabe und Gleichstellung unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen an der Hochschulbildung in lateinamerikanischen Ländern ermöglichen sollen.

Das Projekt basiert auf einer kritischen Analyse bestehender Konzepte zu sozialer Inklusion und Gleichstellung sowie daraus abgeleiteter Politiken an lateinamerikanischen Hochschulen. Die Untersuchung beschränkt sich dabei nicht nur auf eine Diskriminierungsform, sondern gründet sich auf eine intersektionale Perspektive unter Einbezug der Ausgrenzungskriterien Geschlecht, Ethnizität, Klasse, Alter, sexuelle Orientierung und körperliche Verfasstheit.

Die Zielsetzung des Verbundprojekts MISEAL weist deutliche inhaltliche Gemeinsamkeiten mit dem hochschulpolitischen Engagements Margherita von Brentanos auf. Margherita von Brentano setzte sich bereits in den 1960er Jahren kritisch gegen Argumente und Verfahren ein, welche die Zulassung von Frauen zum Studium und ihr Weiterkommen bis in die oberen Hierarchien der Universität blockierten und verhinderten. Mit beeindruckender Klarheit analysierte sie schon damals Diskriminierungsmechanismen innerhalb der deutschen Hochschule: „Solange in der Beziehung einer Gruppe zur Anderen Diskriminierung herrscht, solange sind Aussagen über die ‚Natur’ der Diskriminierten in Wahrheit Aussagen über die Natur der Diskriminierung.“ Sie setzte sowohl auf die direkte Förderung von Frauen als auch auf eine Reform universitärer Strukturen, die den Sinn von Demokratie und Gleichheit effektiv bewahren. Margherita von Brentanos Analysen über Grundlagen und Mechanismen, welche Diskriminierung in alltäglichen Hochschulprozessen zur Regel machen, sind auch für lateinamerikanische Erfahrungen äußerst aktuell. Sie sagte damals: „Offen, direkt und von jedermann erkennbar gibt es heute an der Universität keine Benachteiligung der Studentinnen.“ Diese Aussage kann man nach vielen Reformen auch für eine ganze Reihe von lateinamerikanischen Universitäten bestätigen. Sie warnte jedoch auch davor, „dass verschleierte, indirekt wirkende, uneingestandene Schwierigkeiten bestehen. Und was sie so gefährlich macht ist, dass die Betroffenen sie nicht ohne weiteres erkennen können, ihnen deshalb umso eher erliegen.“ Dies wiederum ist ein Phänomen, welches ein gemeinsames Problem ausdrückt, dem sich die lateinamerikanischen und europäischen Universitäten im Verbund von MISEAL stellen. Brentanos Empfehlungen im Kampf für Gleichberechtigung sind für die weitere Durchführung des MISEAL-Projektes unabdingbar: „Hartnäckigkeit“ in der Zielverfolgung, Mut „gegen geschlossene Fronten anzugehen“, „die Fähigkeit Offenkundiges aber Nichteingestandenes auszusprechen“, und Phantasie „das Bestehende utopisch zu überschreiten“.

Aufgrund seines herausragenden Beitrags zur Internationalisierung von Lehre und Forschung im Bereich von Gleichstellung wird der Margherita-von-Brentano-Preis der Freien Universität Berlin im Jahre 2013 an das von der Europäischen Union geförderte Verbundprojekt MISEAL vergeben.

 

Mehr über das Projekt unter: www.miseal.org und auf den Seiten des Lateinamerika-Instituts:

http://www.lai.fu-berlin.de/disziplinen/gender_studies/Margherita_von_Brentano/index.html