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Projektgruppe "Frauen an der Spitze" - Aktionsbündnis zur Steigerung des Frauenanteils in den Führungspositionen des Sports

In Deutschland sind mehr als 50 % der Bevölkerung im Sport aktiv und etwa 40 % der Bevölkerung sind Mitglieder eines Sportvereins. Der ehrenamtlich organisierte Sport ist der größte Verband im Bereich des Dritten Sektors und ein wichtiges gesellschaftliches Aktionsfeld, das große öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht und in das große Summen öffentlicher Mittel investiert werden. Die Zahl der Frauen, die am organisierten Sport teilnehmen, steigt seit Jahrzehnten kontinuierlich an. Heute sind 10,4 Millionen Mädchen und Frauen Mitglied im Deutschen Sportbund (DSB).

Während im Jahre 1950 lediglich 10 % der DSB-Mitglieder weiblich waren, stieg der Frauenanteil bis heute auf fast 40 %. Allerdings hat sich die Gleichstellung der Geschlechter nicht in allen Bereichen und nicht auf allen Ebenen des Sports durchgesetzt. Insbesondere ist zwischen der Anzahl an Frauen, die heutzutage aktiv Sport treiben, und der Anzahl an Frauen, die Schlüsselpositionen auf der Führungsebene in Sportorganisationen innehaben, eine große Diskrepanz zu verzeichnen. So sind in den Landessportbünden 20 % der Mitglieder der erweiterten Präsidien weiblich, in den Präsidien der Spitzenverbände sogar nur 9%. In den Präsidien von 25 der insgesamt rund 50 Spitzenverbänden findet sich keine einzige Frau. Lediglich ein Landessportbund sowie zwei Spitzenverbände werden von Präsidentinnen geleitet.

Ausgangspunkt unseres Projekts war diese Geschlechterhierarchie in Entscheidungsgremien nationaler und internationaler Sportorganisationen. Angesichts der stetig wachsenden Zahl sportaktiver Frauen stellte sich die Frage, warum Frauen nicht ihrem Mitgliederanteil entsprechend in den Führungspositionen des Sports vertreten sind.

  • Sind Frauen dort nicht erwünscht?
  • Wird nicht genug in die Gewinnung und Förderung weiblicher
  • Führungskräfte investiert?
  • Gibt es zu wenige Interessentinnen?
  • Streben Frauen seltener Führungspositionen an?
  • Verfügen Frauen nicht über die notwendigen Qualifikationen und
  • Kompetenzen?

An dieser Stelle setzte im August 2001 das Projekt „Frauen an die Spitze – Aktionsbündnis zur Steigerung des Frauenanteils in den Führungspositionen des Sports“ an. Es versuchte, diese und andere Fragen vorrangig für ehrenamtliche Führungspositionen im Sport zu beantworten. Ziel des Projekts, von 2001 bis 2005 an der Freien Universität Berlin angesiedelt, war die Erhöhung des Frauenanteils in den Führungsgremien des Sports durch:

  • Analyse der Geschlechterverteilung in Führungsämtern des Sports
  • Analyse der Ursachen der Unterrepräsentierung der Frauen in
  • Führungspositionen
  • Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zur Gewinnung
  • von Frauen für Ehrenämter
  • Entwicklung und Umsetzung von Konzepten zum Gender Mainstreaming
  • im Sport.

Damit können mehrere synergetische Effekte erreicht werden:

  • Die Erfahrungen und Kompetenzen von Frauen können genutzt
  • werden.
  • Das Defizit an Führungskräften kann abgebaut werden.
  • Frauen erhalten gleichberechtigten Zugang zu Einfluss und Mitbestimmung
  • in einem wichtigen Bereich der Gesellschaft.

Das Gesamtprojekt unter Federführung von Prof. Dr. Gudrun Doll-Tepper (Freie Universität Berlin) und Prof. Dr. Dr. Gertrud Pfister (Universität Kopenhagen) wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert und unterteilte sich in zwei Teilprojekte: Das Wissenschaftsprojekt (Sabine Radtke, Claudia Biskup, Doris Kula, Dorothea Müth und Heidrun Plath) war an die Freie Universität Berlin angegliedert, das Praxisprojekt (Ilse RidderMelchers und Uta Engels) war bis April 2003 in Frankfurt am Main beim Nationalen Olympischen Komitee für Deutschland (NOK) verankert, seit Dezember 2003 wurde es in Kooperation mit dem Deutschen Sportbund (DSB) fortgeführt.

Das wissenschaftliche Projekt war Ansätzen konstruktivistischer Geschlechtertheorien sowie der Arbeits- und Organisationssoziologie verpflichtet. Auf der Basis dieser theoretischen Verankerung wurde eine systematische Analyse der Entscheidungsgremien der Dachorganisation des Sports sowie der Sportverbände auf Länderebene nach Geschlecht differenziert durchgeführt. Der zweite große Arbeitsschritt bestand aus der Analyse von Ursachen und Zusammenhängen.

Im Rahmen dieser Analyse wurden insgesamt sieben empirische Untersuchungen durchgeführt, und zwar:

  1. eine schriftliche Befragung aller Führungskräfte im Deutschen Sportbund und in den Sportverbänden auf Bundesebene
  2. eine Befragung von weiblichen Führungskräften in Form von leitfadengestützten
  3. eine schriftliche Befragung von Übungsleiterinnen als potenziellen Führungskräften
  4. eine Befragung von ehemaligen Führungskräften in Form von leitfadengestützten Interviews (DropOutStudie)
  5. eine Befragung von ehemaligen Leistungssportlerinnen und Leistungssportlern als Führungskräftepotenzial in Form von leitfadengestützten Interviews
  6. eine exemplarische Strukturanalyse eines Landessportverbandes
  7. eine Evaluationsstudie von Frauenfördermaßnahmen im Sport.

Integrierter Bestandteil des Projekts war das Praxisprojekt, das bis 2003 beim Nationalen Olympischen Komitee (NOK) für Deutschland angesiedelt war und anschließend dem Deutschen Sportbund (DSB) angeschlossen war. In enger Kooperation entwickelten die Mitarbeiterinnen des Wissenschaftsund des Praxisprojekts verschiedene Konzepte und Maßnahmen der Gewinnung, Motivierung, Ausbildung und Betreuung weiblicher Führungskräfte. Es bildete sich ein Netzwerk von Kooperationspartnerinnen und -partnern aus verschiedenen Verbänden, die sich regelmäßig zum Austausch von Informationen trafen. In verschiedenen Verbänden wurden, unterstützt und beraten durch die Mitarbeiterin des Praxisprojekts, Informationsveranstaltungen oder auch Praxisprojekte, wie beispielsweise Mentoringprojekte, durchgeführt.

Die Maßnahmen in den Sportverbänden wurden im Anschluss von einer Mitarbeiterin des Wissenschaftsteams an der Freien Universität Berlin evaluiert. Die Evaluation war ein wichtiges Instrument im Gesamtprojekt, weil nur so gesichert war, dass die Pilotprojekte weiterentwickelt wurden und eine über den einmaligen Verlauf hinausgehende Bedeutung erlangen konnten.

Das Preisgeld des Margherita-von-Brentano-Preises soll für weitere Forschung genutzt werden, die an die Ergebnisse der bisher durchgeführten Studien anknüpft. Sowohl in der Interviewstudie mit weiblichen Führungskräften als auch in der quantitativen Befragung der weiblichen und männlichen Präsidiumsmitglieder der Sportverbände und Landessportbünde wurde deutlich, dass die Führungskräfte im deutschen Sport häufig „von außen“ kommen. Seit einigen Jahren finden vermehrt führende Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik Eingang in die Entscheidungsgremien des ehrenamtlich organisierten Sports. Es stellt sich die Frage, ob sich hier potenzielle Führungskräfte für Sportorganisationen finden lassen und welche Vorteile dies für beide Seiten bietet.

Die Biographien von Quereinsteigerinnen und einsteigern aus der Wirtschaft, Wissenschaft und Politik sowie deren Beweggründe, sich zu engagieren, und deren Einstellung zum bürgerschaftlichen Engagement sind Untersuchungsfelder, die in der Wissenschaft bisher unerforscht sind.