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Zwanzig Jahre Exzellenzcluster an der Freien Universität Berlin

Im Sommer 2005 wurde die „Exzellenzinitiative“ ins Leben gerufen. Was hat diese Förderung für die Freie Universität Berlin bewirkt und wie hat sie diese geprägt? Ein Blick zurück.

08.12.2025

Der Erfolg in der ersten Runde der Exzellenzinitiative markierte eine Wende: Die Freie Universität wurde als einzige Berliner Hochschule als „Exzellenzuniversität“ ausgezeichnet.

Der Erfolg in der ersten Runde der Exzellenzinitiative markierte eine Wende: Die Freie Universität wurde als einzige Berliner Hochschule als „Exzellenzuniversität“ ausgezeichnet.

Als Bund und Länder im Sommer 2005 die „Exzellenzinitiative“ ins Leben riefen, sollte sie Deutschlands Universitäten auf Weltniveau bringen und der deutschen Wissenschaftslandschaft zu einem neuen Selbstbewusstsein verhelfen. Zwanzig Jahre, fünf Wettbewerbsrunden (2006, 2007, 2012, 2019 und 2025) und eine Reform später – inzwischen heißt das Programm „Exzellenzstrategie“ – lohnt sich ein Blick zurück: Was hat diese Förderung für die Freie Universität Berlin bewirkt und wie hat sie diese geprägt? Dabei lohnt ein Rückblick auch deshalb, weil heute wie vor zwanzig Jahren die knappen Kassen im Land Berlin unsere Universität zwingen, sich zu verändern. Kann uns die gemeinsam gesammelte Erfahrung von zwanzig Jahren Exzellenzwettbewerb und erfolgreichen Anträgen auf „Exzellenzcluster“ heute dabei helfen?

An der Freien Universität sah man von Anfang an die Chancen des damals neuen bundesweiten Forschungswettbewerbs, denn sie konnte viel gewinnen: Anfang der 2000er-Jahre stand unsere Universität unter Druck, war von Sparplänen bedroht. Sogar eine Fusion mit der Humboldt-Universität zu Berlin wurde von manchen diskutiert. Der Erfolg in der ersten Runde der Exzellenzinitiative markierte eine Wende: Die Freie Universität wurde als einzige Berliner Hochschule als „Exzellenzuniversität“ ausgezeichnet; es wurde deutlich, dass Berlin nicht auf die wissenschaftlich exzellente Freie Universität verzichten konnte. Auch in den folgenden Runden schnitt sie von allen Berliner Hochschulen am besten ab.

Dieser Rückblick konzentriert sich auf die „Förderlinie Exzellenzcluster“ und hier auf diejenigen Projekte mit Sprecherschaft der Freien Universität. Denn diese Verbünde prägen die Universität in besonderer Weise, weil sie groß, dynamisch und institutionell wirksam sind – manchmal im produktiven, manchmal im spannungsreichen Verhältnis zur Gesamtuniversität. Die im Wettbewerb erfolgreichen Cluster der „Charité – Universitätsmedizin ­Berlin“, der gemeinsamen medizinischen Fakultät von Freier Universität und Humboldt-Universität, sind nicht Gegenstand dieses Artikels. Und auch die exzellenzfinanzierten Graduiertenschulen sowie das Zukunftskonzept und die Entwicklungen hin zum Universitätsverbund der Berlin University Alliance lassen wir hier außen vor – sie verdienen eigene Geschichten.

Prof. Dr. Tanja Börzel ist Sprecherin des Exzellenzclusters „SCRIPTS“.  Dort wird untersucht, warum weltweit liberale Demokratien zunehmend  unter Druck geraten.

Prof. Dr. Tanja Börzel ist Sprecherin des Exzellenzclusters „SCRIPTS“. Dort wird untersucht, warum weltweit liberale Demokratien zunehmend unter Druck geraten.
Bildquelle: Vinicius Doti / Fundação Fernando Henrique Cardoso

Fragt man Forschende, was den Reiz eines Clusters ausmacht, hört man häufig, dass die Möglichkeiten zur freien Gestaltung in keinem Förderformat größer seien. Es verfügt über ein hohes Fördervolumen zwischen aktuell drei bis zehn Millionen Euro jährlich bei einer regulären Laufzeit von sieben Jahren. Zudem ist ein Cluster im Inneren flexibler als ein Sonderforschungsbereich (SFB). Prof. Dr. Tanja Börzel, Hochschullehrerin am „Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft“ der Freien Universität und Sprecherin des Exzellenzclusters „Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS)“, sagt dazu: „Der SFB arbeitet mit vordefinierten Projekten, bei dem die Mittel vorher festgelegt sind. Ein Cluster ist da viel flexibler, es kann beispielsweise Projekte in einem kompetitiven internen Verfahren vergeben und auch andere Maßnahmen in den Bereichen der Karriereförderung, der Gleichstellung und Diversität oder des Wissensaustausches realisieren.“

Der Förderantrag für ein Exzellenzcluster fußt auf der wissenschaftlichen Exzellenz der beteiligten Forschenden, einer Beschreibung des übergeordneten Forschungsprogramms und Konzepten zur Organisationsentwicklung etwa in den Bereichen Nachwuchsförderung, Gleichstellung, Forschungsdatenmanagement und Transfer sowie den strategischen Planungen der antragstellenden Universität. Damit wird das Cluster zugleich zum Spiegelbild universitärer Entwicklung: Wo Professuren im Einklang mit Clusterthemen besetzt werden, entstehen neue Forschungsschwerpunkte, die das Profil der Universität über Jahre prägen.

In den zwanzig Jahren seit Bestehen der Förderlinie haben sich sowohl die Bedingungen als auch die Universität selbst verändert. Jede Antragsrunde brachte eigene Herausforderungen, eigene Dynamiken, eigene Erfolge. Wir haben mit Forschenden gesprochen, die an verschiedenen Clustern zu unterschiedlichen Zeiten beteiligt waren – über ihre Ideen, ihre Erfahrungen und die Frage, was bleibt von zwanzig Jahren Exzellenzwettbewerb.

Schwierige Rahmenbedingungen für „exzellente Forschung“ – damals wie heute

Im Jahr 2005 standen die Berliner Universitäten massiv unter Druck. Eine Enquete-Kommission des Berliner Abgeordnetenhauses hatte empfohlen, dass sich die Universitäten im Land Berlin zusammenschließen sollten, um noch mehr Mittel als bis dato schon geschehen einzusparen. Unter dem gemeinsamen Dach einer „University of Berlin“ sollten die Universitäten nach den Vorstellungen der Landespolitik, ähnlich dem System der University of California, gemeinsame Servicestrukturen zum Beispiel für Gebäudemanagement aufbauen und in Lehre und Forschung noch enger zusammenarbeiten, als sie das ohnehin schon taten. Vor dem Hintergrund, dass die Freie Universität in den zehn Jahren zuvor schon fast die Hälfte ihrer Professuren eingebüßt hatte, wurde den Universitäten bis zum Jahr 2009 zusätzlich auferlegt, gemeinsame Fächerschwerpunkte zu bilden, weitere Professuren zu streichen und insgesamt über 75 Millionen Euro an Landeszuschüssen einzusparen. Unserer Alma Mater stand das Wasser sprichwörtlich bis zum Hals.

Zeitgleich zu den Vorschlägen der Enquete-Kommission fanden Diskussionen auf Bundesebene statt, die die Schaffung eines „deutschen Harvard“ zum Gegenstand hatten, und was bot sich seinerzeit besser dafür an als eine von der Landespolitik stark unterstütze Hauptstadtuniversität im Zentrum des wiedervereinigten Berlin? Die Idee, eine deutsche Universität Top-down durch die Politik zu küren und mit Bundesmitteln zu fördern, wurde jedoch zugunsten eines bundesweiten Exzellenzwettbewerbs schließlich aufgegeben.

Heute ähnelt die Situation der von damals zumindest im Hinblick auf die harten Sparvorgaben des Landes Berlin gegenüber den Universitäten, auch wenn deren Ausgangslage heute mit damals nicht mehr vergleichbar ist. Zwar muss wieder gespart, müssen Stellen und Professuren gestrichen werden, aber im Unterschied zu damals kann die Freie Universität auf eine sehr erfolgreiche, ja seit 2007 „exzellente“ Zeit zurückblicken und ist im nationalen Exzellenzwettbewerb die erfolgreichste der Berliner Universitäten. Und dazu haben die Cluster­einwerbungen ganz wesentlich beigetragen. Zwei Initiativen waren im Jahr 2007 erfolgreich und schafften damit die Voraussetzungen für den ersten Exzellenztitel.

„Languages of Emotion“

Einer der beiden im Jahr 2007 erfolgreichen Anträge kam aus einer Richtung, die man an der Freien Universität vielleicht nicht erwartet hätte: der Verbindung von Geistes- und Neurowissenschaften. Unter der Leitung des komparatistischen Literaturwissenschaftlers Prof. Dr. Winfried Menninghaus entstand das Cluster „Languages of Emotion“ (LoE).

Von neurowissenschaftlichen Forschungen inspiriert sah man an der Freien Universität ideale Voraussetzungen, um die Frage zu untersuchen, was Menschen emotional bewegt und verbindet. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei LoE wollten verstehen, wie Worte, Bilder, Musik und andere Ausdrucksformen Gefühle formen – und wie Emotionen wiederum Kunst, Sprache und gesellschaftliches Handeln prägen.

Der interdisziplinäre Ansatz von LoE war gewagt und neu, die Begeisterung groß. Zum ersten Mal standen an der Freien Universität Forschungsgelder in einer Größenordnung zur Verfügung, die zuvor kaum vorstellbar gewesen war. Doch der plötzliche Reichtum an Möglichkeiten rief auch Skepsis hervor. Nach Jahren des Sparzwangs hatte sich an der Universität ein Gefühl struktureller Benachteiligung verfestigt – und mit ihm eine kritisch-distanzierte Haltung gegenüber dem neuen Format. Manche argwöhnten, die Exzellenzförderung könnte ein Zwei-Klassen-System in der Forschung schaffen. Dieses Gefühl verstärkte sich, als für das Cluster ein ganzer Trakt der „Rostlaube“ mit einem Codeschloss abgesperrt wurde – Symbol einer neuen Abgrenzung, die so wahrscheinlich nie beabsichtigt war.

Tatsächlich war die privilegierte Ausstattung des Clusters – mit hervorragender Infrastruktur, Personalstellen und Lehrentlastungen für die Forschenden – Teil des Förderkonzepts und für die Beteiligten ein entscheidender Motivationsfaktor. Forschung auf höchstem Niveau braucht Freiräume, und LoE nutzte sie. Dass im Cluster an spannenden Themen geforscht wurde, wurde jedoch bald auch für Außenstehende deutlich. Prof. Dr. Birgitt Röttger-Rössler, die 2008 auf eine Clusterprofessur mit der Denomination „Anthropologie der Emotionen“ berufen wurde, betont dazu: „Wir haben viele Themen und Projekte aus dem Cluster auch in die Lehre getragen, was bei den Studierenden sehr gut ankam und auch Vorbehalte gegenüber dem Cluster abbauen half.“

Prof. Dr. Birgitt Röttger-Rössler: „Wir haben viele Themen und Projekte aus  dem Cluster auch in die Lehre getragen, was bei den Studierenden sehr gut ankam  und auch Vorbehalte gegenüber dem Cluster abbauen half.“

Prof. Dr. Birgitt Röttger-Rössler: „Wir haben viele Themen und Projekte aus dem Cluster auch in die Lehre getragen, was bei den Studierenden sehr gut ankam und auch Vorbehalte gegenüber dem Cluster abbauen half.“
Bildquelle: privat

Warum der Fortsetzungsantrag 2012 nicht erfolgreich war, lässt sich rückblickend nicht eindeutig sagen. Sicher ist: Die Förderdauer von seinerzeit fünf Jahren war zu kurz, um ein so komplexes Konzept nachhaltig zu etablieren, und darüber hinaus zu kurz, um eine gemeinsame wissenschaftliche Sprache und Forschungsmethodik zwischen Neurowissenschaften, Psychologie und Geisteswissenschaften zu entwickeln.

Dazu noch einmal Röttger-Rössler: „Der Cluster war riesig, wie ein sehr großer Tanker, und durch die vielen Mitarbeiter und Projekte und die thematische Bandbreite schwer zu steuern, was letztlich auch zu einer großen Herausforderung für die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Disziplinen wurde.“

Trotzdem war LoE aus heutiger Sicht alles andere als ein Misserfolg. Die Forschungsideen leben weiter: Elemente des Konzepts flossen in den SFB „Affective Societies“ ein, der bis heute international hoch angesehen ist und dessen Sprecherin zeitweise Röttger-Rössler war.

„Topoi – The Formation and Transformation of Space and Knowledge in Ancient Civilizations“

Aus heutiger Sicht besonders interessant war auch die Entstehungsgeschichte des zweiten großen Berliner Clusters „Topoi“. In einem Klima der Konkurrenz zwischen der Freien Universität und der Humboldt-Universität, die zuvor in der Politik als Favoritin auf den Exzellenztitel galt, war ein gemeinsamer Antrag alles andere als selbstverständlich. So hatte es zunächst auch zwei konkurrierende Clusterinitiativen in den Altertumswissenschaften gegeben. Doch im Grunde war Berlin mit seinen Sammlungen, Museen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen prädestiniert für einen Gesamtberliner Verbund aller Einrichtungen, die mit Altertumswissenschaften zu tun haben, zum Beispiel die „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“, das „Deutsche Archäologische Institut“ und natürlich die beiden nicht-technischen Universitäten – sie alle gemeinsam boten ideale Voraussetzungen.

Wie waren Raum und ­Wissen in den antiken ­Kulturen ­miteinander verknüpft? Prof. Dr. Friederike Fless, heute Präsidentin des „Deutschen Archäologischen Instituts“, leitete für die Freie Universität das Exzellenzcluster „Topoi“.

Wie waren Raum und ­Wissen in den antiken ­Kulturen ­miteinander verknüpft? Prof. Dr. Friederike Fless, heute Präsidentin des „Deutschen Archäologischen Instituts“, leitete für die Freie Universität das Exzellenzcluster „Topoi“.
Bildquelle: DAI, Bundesfoto, L. Schmid

So entstand „Topoi“ als gemeinsames Konzept beider Universitäten anfangs unter der Leitung von Prof. Dr. Friederike Fless (Freie Universität) und Prof. Dr. Christof Rapp (Humboldt-Universität) – unterstützt von führenden Köpfen aus der Archäologie und den Altertumswissenschaften und ergänzt durch die außeruniversitäre Forschung. Das Cluster untersuchte, wie Raum und Wissen in den antiken Kulturen miteinander verknüpft waren – und zeigte, wie sehr unsere heutigen Vorstellungen von Welt, Ordnung und Zusammenleben auf diesen frühen Erkenntnissen beruhen.

Über zwei Förderphasen hinweg war „Topoi“ ein weithin sichtbares Aushängeschild. Es führte Forschende aus Archäologie, Philologie und Umweltwissenschaften zusammen, finanzierte Grabungen, Nachwuchsprogramme und internationale Kooperationen. Nach diesen zwei wissenschaftlich sehr erfolgreichen Förderphasen verschwand „Topoi“ 2019 schließlich von der Forschungslandkarte – aber nicht spurlos. Viele der entstandenen Strukturen und Netzwerke wirken im „Berliner Antike-Kolleg“ weiter, dessen Gründung von Anfang an ein Ziel des Vorhabens war. Woran könnte es gelegen haben, dass es dagegen mit dem Cluster nicht weiterging? Die Forschungsinhalte können es jedenfalls nicht gewesen sein. Diese werden in ähnlicher Form heute in einem Exzellenzcluster in Kiel bearbeitet. Die an ­„Topoi“ beteiligte Geowissenschaftlerin der Freien Universität, Prof. Dr. Brigitta Schütt, die von 2010 bis 2018 auch deren Vizepräsidentin war, erinnert sich: „Wir hatten in ,Topoi‘ zehn sehr satte Jahre, und am Ende war die Kreativität nicht mehr da, weil auch der Hunger nicht mehr da war.“

Alte Stärken und neue Erfolge

Zur Einwerbung weiterer Exzellenzcluster machte sich die Freie Universität unter ihrem damaligen Präsidenten Prof. Dr. Peter-­André Alt wieder auf den Weg, um an die Erfolge anzuknüpfen und ihren 2007 errungenen Exzellenzstatus zu verteidigen. „Topoi“ und LoE waren als laufende Cluster für die Antragstellung in der Exzellenzinitiative 2012 gesetzt. In einem groß angelegten und aufwendig orchestrierten Prozess wollte man mit Unterstützung eines eigens dafür geschaffenen „Center for Cluster Development“ neue Clusterinitiativen auf den Weg bringen. In dem auch stark zentralisierten Prozess wurden insgesamt acht neue Clusterinitiativen identifiziert. Von diesen acht wurden nach einem umfangreichen internen Auswahlprozess dann aber letztlich nur vier Antragsskizzen, davon zwei gemeinsam mit der ­Humboldt-Universität, an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geschickt. Am Ende des zweistufigen Wettbewerbs wurde dann schließlich zum Leidwesen aller Beteiligten nur das schon einmal erfolgreiche Cluster „Topoi“ weiter gefördert.

Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz hatte 2009 beschlossen, die Exzellenzinitia­tive und ihre Auswirkungen auf das deutsche Wissenschaftssystem von einer unabhängigen „Internationalen Expertenkommission zur Evaluation der Exzellenzinitiative“ bewerten zu lassen. Diese später nach ihrem Vorsitzenden Prof. Dr. Dieter Imboden als „Imboden-­Kommission“ bezeichnete Gruppe nahm mit ihrem Anfang 2016 vorgelegten Bericht und den darin enthaltenen Empfehlungen maßgeblich Einfluss auf die weitere Ausgestaltung der Clusterförderung. So wurden in der neuerlichen Wettbewerbsrunde ihre bisher erfolgreichen Elemente zwar übernommen, allerdings konnte der Zuschnitt der Cluster im Hinblick auf die Thematik als auch auf die Geometrie und den finanziellen Umfang deutlich flexibler gehandhabt werden als bisher. Die Laufzeit der Cluster wurde von fünf auf sieben Jahre verlängert, da erkannt worden war, dass die Strukturen eine gewisse Entwicklungszeit brauchten. Als Ende September 2018 dann die Ergebnisse dieses Wettbewerbs verkündet wurden, war die Freie Universität erneut erfolgreich und dieses Mal gleich mit zwei eigenen Clusteranträgen,„Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS)“ und „Temporal Communities – Doing Literature in a Global Perspective“, sowie einem, der gemeinsam mit der Humboldt-Universität und der Technischen Universität Berlin beantragt worden war: „MATH+“.

Prof. Dr. Andrew James Johnston: „Das Cluster ‚Temporal Communities –  Doing Literature in a Global Perspective‘ hat es uns ermöglicht, Wissenschaft über  institutionelle Grenzen hinauszuführen.“

Prof. Dr. Andrew James Johnston: „Das Cluster ‚Temporal Communities – Doing Literature in a Global Perspective‘ hat es uns ermöglicht, Wissenschaft über institutionelle Grenzen hinauszuführen.“
Bildquelle: privat

„Temporal Communities – Doing ­Literature in a Global Perspective“

Der Steuerungsimpuls aus der Universitätsleitung hatte sicherlich eine katalytische Funktion für die Entstehung einer Clusterinitiative in den Geisteswissenschaften. Allerdings war das Modell für eine solche interdisziplinäre Zusammenarbeit in diesen Fächern schon Jahre vorher mit dem SFB „Kulturen des Performativen“ entstanden und gelebt worden. Der spätere Co-Sprecher des Clusters, der anglistische Literaturwissenschaftler Prof. Dr. Andrew James Johnston, sagt dazu: „Der SFB ‚Kulturen des Performativen‘ hatte eine Modellfunktion in Bezug auf theoriebezogene, aber gleichzeitig sehr konkrete transdisziplinäre geisteswissenschaftliche Projekte.“

Vor allem dieser, langjährig mit großem Erfolg von der Theaterwissenschaftlerin Prof. Dr. Erika Fischer-Lichte geleitete SFB hat bei den beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine positive gemeinsame Erfahrung und Verflechtungskultur befördert, die einerseits Vorbild, andererseits aber auch Grundlage für andere erfolgreiche wissenschaftliche Kooperationen der Folgezeit waren. Dazu noch einmal Johnston: „Die geisteswissenschaftlichen Sonderforschungsbereiche an der Freien Universität waren wichtige Ausgangspunkte gemeinsamer kollegialer Erfahrungen, welche das Cluster ,Temporal Communities‘ schließlich möglich gemacht haben.“

So stand auch hier am Anfang der Clusterinitiative ein zwangloses großes Treffen der beteiligten Vertreterinnen und Vertreter, bei dem viele Ideen ausgetauscht, aber noch keine konkreteren Themen festgelegt wurden. Allerdings war hier unter anderem der Begriff der „Weltliteratur“ gefallen, zu dem im Rahmen der „Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien“ damals bereits seit mehreren Jahren gearbeitet worden war. Die Diskussion um diesen Begriff war, vor dem Hintergrund postkolonialer, aber auch sich davon distanzierender Perspektiven, zwar schon um das Jahr 2000 in den Literaturwissenschaften neu entflammt, bot jedoch nach wie vor eine Fülle spannender Fragestellungen für die literaturwissenschaftliche Forschung. Davon unabhängig waren im Rahmen des SFB „Episteme in Bewegung“ die Prozesse des Wissenswandels in der Vormoderne untersucht worden; und die Frage des Beitrags ästhetischer Praxis dazu, wie sich das Wissen über die Zeit wandelt, war ein zentrales Thema, das auch für die „Weltliteraturen“ weiterentwickelt werden konnte, also die Frage, wie künstlerisch geformtes Wissen durch die Formung selbst beeinflusst und über die Zeit verändert wird. Der Begriff „Weltliteratur“ war allerdings für die Forschung zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des Antrags so nicht mehr zeitgemäß und wurde dementsprechend hinterfragt. Denn was meint „Welt“ eigentlich, und wozu wird „Literatur“, wenn sie mit unterschiedlichen Weltkonzepten zusammenkommt, und was macht „Literatur“ wiederum mit „Welt“? Die Forschenden folgten hier der Vorstellung, dass das „Globale“ keine objektive geographische Größe darstellt, sondern eine Perspektive ist, die es ihnen erlaubt, kulturelle Verflechtungen zu untersuchen.

Im Exzellenzcluster „Temporal Communities“ wurde somit daran geforscht, wie Literatur über Zeiten und Kulturen hinweg wirkt sowie Menschen, Texte und Ideen über Jahrhunderte miteinander verbindet. Es betrachtet Literatur nicht als abgeschlossene Sammlung von Texten, sondern als lebendige Praxis, die in unterschiedlichen Medien, Sprachen und Gesellschaften immer wieder neu entsteht. Mit seinem Blick auf die „zeitlichen Gemeinschaften“ des Literarischen eröffnet das Cluster eine globale Perspektive darauf, wie Geschichten, Motive und Formen durch die Jahrhunderte weitergetragen und verwandelt werden.

Besonders hervorzuheben an diesem Cluster ist neben der wissenschaftlichen Exzellenz der beteiligten Akteure und dem hohen Grad der Integration sicherlich die Zusammenarbeit mit der Berliner Kulturszene, wie zum Beispiel dem „internationalen literaturfestival berlin“, womit die Universität noch einmal ganz anders in die Gesellschaft zurückwirken konnte. So hebt Johnston auch resümierend hervor: „Das Cluster hat es uns ermöglicht, Wissenschaft über institutionelle Grenzen hinauszuführen.“

„Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS)“

Das Exzellenzcluster „SCRIPTS“ hat seine Wurzeln in einer langen thematischen Entwicklungslinie der Sozial- und Regionalwissenschaften an der Freien Universität. Die Initiative ist auch einer Intervention von außen zu verdanken. Die spätere Sprecherin Börzel betont: „Die Clusterinitiative nahm Ihren Anfang im Kontext der Diskussion über die gemeinsame Graduiertenausbildung in den Sozialwissenschaften in Berlin, die seinerzeit von Jutta Allmendinger am WZB moderiert wurde und in der sich das notwendige Vertrauen zwischen den beteiligten Berliner Akteuren entwickeln konnte.“

Eine Vorläuferinitiative aus den Sozialwissenschaften war in der zweiten Auswahlstufe des Wettbewerbs 2007 knapp gescheitert und wurde dann im Rahmen des oben beschriebenen internen Auswahlprozesses 2012 nicht ins Rennen geschickt. Die Zeit bis zur nächsten Runde konnte erfolgreich genutzt werden, auch um die Kooperation mit Sozialwissenschaftlerinnen und Sozialwissenschaftlern anderer Berliner Einrichtungen wie zum Beispiel dem „Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung“ (WZB) reifen zu lassen, Vertrauen aufzubauen und schließlich die Kräfte für einen Antrag zu bündeln. Der Weg zum Antrag blieb allerdings auch inhaltlich noch eine große Herausforderung. Denn eine durch die „Imboden-Kommission“ empfohlene Neuerung im Exzellenzwettbewerb, die Abschaffung der „Förderlinie Graduiertenschulen“, von denen die Freie Universität seinerzeit unter anderem drei regionalwissenschaftliche und eine geisteswissenschaftliche erfolgreich eingeworben hatte, führte zunächst zu dem Bemühen, die geisteswissenschaftlichen Fächer in die Clusterinitiative einzubeziehen. Sprecherin Börzel erinnert sich: „Auf Wunsch des damaligen FU-Präsidiums hatten sich die Sozialwissenschaften an der FU Berlin sehr darum bemüht, nicht nur die Regionalstudien, sondern auch die Geisteswissenschaften in die Clusterinitiative ,SCRIPTS‘ zu integrieren, nicht zuletzt um die Finanzierung der Graduiertenschulen an der FU Berlin perspektivisch abzusichern.“

Diese vom damaligen Präsidium präferierte Zusammenarbeit mit dem Ziel einer nachhaltigen finanziellen Absicherung der Graduiertenschulen kam aber letztlich wegen zu großer inhaltlicher Differenzen nicht zu Stande. Wobei sich Letzteres als Glückfall erweisen sollte, denn der damalige Präsident Alt setzte nun auf eine eigene Clusterinitiative der Freien Universität in den Geisteswissenschaften, die zur erfolgreichen Einwerbung des Clusters „Temporal Communities – Doing Literature in a Global Perspective“ führte. Aber auch die Clusterinitiative „SCRIPTS“ profitierte von der ursprünglichen Idee, die Regionalwissenschaften einzubeziehen. Denn die positivistisch arbeitenden Sozialwissenschaften wurden durch die Expertise der hermeneutisch arbeitenden Regional- und Kulturwissenschaften im Hinblick auf Fragestellung und Perspektive sinnvoll ergänzt, was sich dann auch in der Begutachtung positiv auswirkte. Heute wird im Exzellenzcluster „SCRIPTS“ weltweit untersucht, warum liberale Demokratien zunehmend unter Druck geraten, woher die Spannungen zwischen Freiheit, Gleichheit und Gemeinsinn rühren und wie sie sich in politischen und gesellschaftlichen Konflikten zeigen. Ziel ist es zu verstehen, wie liberale Ordnungen Krisen und Anfechtungen standhalten können – und welche Bedingungen ihre Zukunftsfähigkeit sichern. Auch dank dieser hochaktuellen Thematik wird das Cluster für eine weitere Förderperiode bis 2032 gefördert.

Prof. Dr. Christof Schütte ist Hochschullehrer für Mathematik an der Freien Universität, Präsident des Zuse-Instituts Berlin und war  bis 2024 Sprecher des Exzellenzclusters „Math+“.

Prof. Dr. Christof Schütte ist Hochschullehrer für Mathematik an der Freien Universität, Präsident des Zuse-Instituts Berlin und war bis 2024 Sprecher des Exzellenzclusters „Math+“.
Bildquelle: Felix Noak

„MATH+“

Dieses gemeinsame Exzellenzcluster von Freier Universität, Humboldt-Universität und Technischer Universität zeigt, wie Mathematik hilft, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu verstehen und zu gestalten. Das Cluster „MATH+“ verbindet Grundlagenforschung mit realen Anwendungen in Bereichen wie Energie, Gesundheit, Mobilität und Technologie und entwickelt mathematische Modelle für eine nachhaltige, digitale und vernetzte Gesellschaft. In enger Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zeigt „MATH+“, wie Mathematik Innovationen antreibt – von effizienteren Verkehrsnetzen bis hin zu neuen Materialien und KI-Methoden.

In vielerlei Hinsicht ist „MATH+“ ein Sonderfall. Inhaltlich und personell schließt es an eine Reihe früherer erfolgreicher Verbünde aller drei Universitäten an – beginnend mit dem von der DFG geförderten Forschungszentrum „MATHEON“, über die „Berlin Mathematical School“ (BMS), eine bereits in der Exzellenzinitiative für die Jahre 2006 bis 2019 bewilligte gemeinsame Graduiertenschule, bis hin zum „Einstein Center for Mathematics“ (ECMath), das von der „Einstein Stiftung Berlin“ unterstützt wurde.

Schon das „MATHEON“ war einem Exzellenzcluster in Größe, Struktur und Strahlkraft erstaunlich ähnlich. Rückblickend kann man daher sagen: Das erste Exzellenzcluster der Berliner Mathematik existierte, bevor es das Förderformat überhaupt gab. Das wirft die Frage auf, wie es gelingen konnte, über eine so lange Zeit im Wettbewerb ganz vorn mit dabei zu sein. Dazu sagt Prof. Dr. Christof Schütte, Hochschullehrer für Mathematik an der Freien Universität, Präsident des Zuse-Instituts Berlin und bis 2024 Sprecher von „Math+“: „Der langanhaltende Erfolg der Berliner Mathematik beruht im Wesentlichen auf drei Faktoren: auf dem Geist enger Zusammenarbeit zwischen den mathematischen Instituten bei gleichzeitiger inhaltlicher Konkurrenz, auf dem klaren Bekenntnis der Leitungen zu Kontinuität durch Festschreibung der Anzahl der Strukturprofessuren und auf der gemeinsamen Themenentwicklung über Institutsgrenzen hinweg, die zur Stärkung der angewandten Mathematik geführt hat.“

Bemerkenswert ist also vor allem die Kooperationskultur, die „MATH+“ prägt – und die in der Berliner Mathematik seit Jahrzehnten gewachsen ist. Nach der Wiedervereinigung arbeiteten die Mathematikinstitute der drei Berliner Universitäten zunehmend zusammen, verbunden durch ein gemeinsames Ziel: Exzellenz in der Breite und im Verbund. Einen wichtigen Ausgangspunkt bildete der Erfolg, Ende der 1990er-Jahre gemeinsam den „International Congress of Mathematicians“ in Berlin auszurichten – ein Ereignis, das das Vertrauen zwischen den Häusern festigte und den Grundstein für künftige Kooperationen legte. Dazu noch einmal Schütte: „Wir leben den Geist der Zusammenarbeit jeden Tag – und das bedeutet auch viel Arbeit. In all den Jahren haben wir rund 200 Vorstandssitzungen abgehalten. Aber es hat sich gelohnt.“

Aus dieser Zusammenarbeit entstand eine beispiellose Erfolgsgeschichte, die über „MATHEON“, BMS und ECMath schließlich zu dem heutigen Exzellenzcluster „MATH+“ führte. Heute gilt die Mathematik, getragen von dieser gewachsenen Zusammenarbeit, als eines der Aushängeschilder der Berliner Wissenschaft – darin ist man sich über Universitätsgrenzen hinweg einig.

Prof. Dr. Katharina Franke ist Hochschullehrerin für Experimentalphysik an der Freien Universität und eine Sprecherin des Clusters „Center for Chiral Electronics“: „Die Chance für ein Cluster lassen wir jetzt nicht links liegen.“

Prof. Dr. Katharina Franke ist Hochschullehrerin für Experimentalphysik an der Freien Universität und eine Sprecherin des Clusters „Center for Chiral Electronics“: „Die Chance für ein Cluster lassen wir jetzt nicht links liegen.“
Bildquelle: David Ausserhofer

Die aktuelle Runde der Exzellenzstrategie – ein neuer „Spin“ an der Freien Universität

In der zweiten Förderrunde der Exzellenzstrategie hat die Freie Universität offenbar zu Recht auf ihre Stärken vertraut. Schon früh zeichnete sich ab, dass die drei erfolgreichen Cluster aus der zweiten Phase – „Temporal Communities“, „SCRIPTS“ und „MATH+“ – erneut antreten würden. Als laufende Vorhaben mussten sie, anders als neue Initiativen, keine Antragsskizzen einreichen und konnten ihre Energie auf die Fortsetzungsanträge konzentrieren.

Gleichzeitig war die Stimmung im Berliner Wissenschaftsraum – wie jedes Mal – gespannt. Neue Initiativen in der Stadt weckten Ehrgeiz – und auch Sorge: War das Potenzial für weitere Cluster vielleicht schon ausgeschöpft? Forschende können schließlich nicht an beliebig vielen Antragsskizzen mitwirken, ohne Glaubwürdigkeit zu riskieren. Schließlich entschied man sich in Dahlem für einen eher vorsichtigen Kurs. Von zehn Berliner Clusteranträgen wurden schließlich nur fünf Vorhaben für eine Förderung bis 2032 ausgewählt. Bei allen erfolgreichen Clustern ist die Freie Universität Antragstellerin. Am Ende bleibt somit ein Fazit, das sich mit einem gewissen Selbstbewusstsein ziehen lässt: In Berlin gibt es kein Exzellenzcluster ohne die Freie Universität.

Eine Initiative jedoch wurde von Beginn an mit besonderer Aufmerksamkeit begleitet: der Plan, ein naturwissenschaftliches Exzellenzcluster in der Physik zu beantragen – gemeinsam mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Universität Regensburg. Aus dem bereits bestehenden Sonderforschungsbereich Transregio „Ultraschnelle Spindynamik“ mit der Universität Halle-Wittenberg hatte sich ein stabiler Nukleus gebildet, aus dem schließlich eine zündende Idee hervorging: das Cluster „Center for Chiral Electronics“ (CCE). Prof. Dr. Katharina Franke, Hochschullehrerin für Experimentalphysik an der Freien Universität und eine Sprecherin des Clusters, sagt dazu: „Wir wussten, wir haben eine gute Idee und die Chance für ein Cluster lassen wir jetzt nicht links liegen.“

Der Erfolg dieses neuen Clusters gibt der Geschichte der Cluster an der Freien Universität tatsächlich einen neuen „Spin“. Zum ersten Mal ist eine naturwissenschaftliche Initiative erfolgreich – nach einer Reihe sozial- und geisteswissenschaftlicher Erfolge in den früheren Runden. Ob die Freie Universität mit ihren im nationalen Vergleich eher kleinen naturwissenschaftlichen Instituten die kritische Masse für ein Cluster haben würde, war über längere Zeit eine unbeantwortete Frage. Der Erfolg des CCE zeigt, dass es durch die zwischenzeitlich erfolgten Änderungen im Förderformat nun im Verbund gelingen kann.

Künftig wird in Dahlem in enger Zusammenarbeit mit der Universität Halle-Wittenberg und der Universität Regensburg an den Grundlagen einer neuen Generation von Elektronik geforscht – auf Basis des Prinzips der Chiralität. Dabei geht es um die Frage, wie sich die besondere „Verdrehung“ von Materie nutzen lässt, um elektronische Bauelemente zu entwickeln, die schneller, energiesparender und stabiler sein könnten als alles, was bisher möglich war. Dazu noch einmal Franke: „Auch wenn die Entscheidung für eine Antragstellung recht kurzfristig fiel, mussten wir mit der Clusterinitiative nicht bei Null anfangen, und es war eine rein wissenschaftsgetriebene Initiative, bei der trotz des Gefühls, gesellschaftliche Relevanz darstellen zu müssen, immer die wissenschaftlichen Fragestellungen im Fokus standen.“

Was bringt die Zukunft – lessons learned? 

Was lässt sich also lernen aus zwanzig Jahren Förderung von Exzellenzclustern an der Freien Universität – und was kann uns diese Erfahrung heute, in einer erneut herausfordernden Zeit, lehren?

Erstens: Exzellenzcluster sind mehr als nur geförderte Projekte. Sie zeigen, wie sich wissenschaftliche Exzellenz, institutionelle Strategie und persönlicher Einsatz verbinden können – oder auch reiben. Denn jede Clusterinitiative beginnt mit einer Idee und mutigen Personen, die Initiativen anstoßen, um Forschende unterschiedlicher Disziplinen an einen Tisch bringen. Außerdem braucht es eine große Portion persönlicher und institutioneller Beharrlichkeit und – das zeigen manche Beispiele auch an der Freien Universität – bisweilen etwas Druck von außen.

Zweitens zeigt sich: Die Cluster sind im Laufe der Jahre weniger interdisziplinär geworden. Während frühe Vorhaben wie „Languages of Emotion“ Brücken über große Fächergrenzen hinweg schlugen, konzentrieren sich viele heutige Cluster stärker auf klar umrissene Disziplinen. Das hat Vorteile – Präzision, Tiefe, internationale Sichtbarkeit –, birgt aber auch die Gefahr, die verbindende Idee aus dem Blick zu verlieren, die das Format einst so besonders machte.

Drittens: Cluster prägen Strukturen – damals wie heute. Als die Freie Universität vor zwanzig Jahren um ihre Existenz kämpfte, halfen die ersten Cluster, ihr Profil zu schärfen und ihre Eigenständigkeit zu sichern. Heute sind sie erneut systemrelevant – nicht als Rettungsanker, sondern als Motor für Zukunftsfähigkeit.

Viertens: Cluster entstehen keineswegs aus dem Nichts. Sie wachsen dort, wo gute Ideen auf engagierte Menschen treffen. Ob aus Überzeugung der Leitung, aus politischer Erwartung oder aus Konkurrenz mit anderen Standorten: Es braucht Impulse, um Bewegung zu erzeugen. Aber ohne kreative Köpfe, wissenschaftliche Exzellenz und gemeinsame Visionen führen solche Initiativen langfristig nicht zum Erfolg.

Und fünftens – vielleicht das Wichtigste: Cluster kann man nicht „machen“. Versuche, sie strategisch von oben zu planen, haben selten getragen. Exzellenz entsteht nicht per Beschluss, sondern durch Freiheit, Vertrauen und gemeinsame Erfahrung. Forschende brauchen Raum, um Ideen zu entwickeln, und die Gewissheit, dass ihre Universität hinter ihnen steht – denn wer ein Cluster initiiert, geht ein persönliches Risiko ein, investiert viel Zeit, Reputation und Energie.

Die besten Clusterideen entstehen, wenn Forschende sich bereits kennen, wenn sie an Vorläuferprojekten gearbeitet, gemeinsame Tagungen organisiert oder einfach genug gemeinsame Gespräche geführt haben, um eine gemeinsame Sprache zu finden.

Vielleicht ist das die eigentliche Lehre aus zwanzig Jahren Exzellenzwettbewerb: Erfolg ist nie planbar, aber er wird möglich, wenn eine Universität Freiräume schafft, Vertrauen schenkt und Menschen miteinander ins Gespräch bringt.