„Korallen sind einzigartige Lebewesen“
Es klingt wie Abenteuerurlaub in der Karibik: Zwei Monate forschten Geologiestudentin Vanessa Skiba (24) und Biologiestudent Oliver Voigt (27) vor der Küste Panamas – mit Schnorchel, Kanu, Säge und mithilfe der ERG.
12.06.2019
„Korallen sind einzigartige Lebewesen und für Mensch und Natur in vielerlei Hinsicht wertvoll“, sagt Oliver Voigt. „Sie übernehmen vielfältige ökologische Funktionen, etwa als Lebensraum und Brutstätte für Fische oder als Wellenbrecher und Erosionsschutz für die Küste.“ Selbst für die Gewinnung von Medikamenten könnten Korallen in Zukunft nützlich sein.
„Doch das Korallensterben in den Weltmeeren nimmt kontinuierlich zu“, sagt Vanessa Skiba. Seit gut zwei Jahrzehnten beobachtet die Wissenschaft, dass Steinkorallen weltweit großflächig ihre Farbe verlieren – die sogenannte Korallenbleiche. Zurückzuführen ist dies auf die Erwärmung der Ozeane durch den vom Menschen verursachten Klimawandel. Korallen leben in Symbiose mit Zooxanthellen – winzigen, photosynthetisch aktiven Organismen. Sie versorgen die Korallen mit wichtigen Nährstoffen, sind allerdings höchst wärmeempfindlich. Ist es ihnen zu heiß, produzieren sie Giftstoffe und die Korallen stoßen sie ab. Dabei verlieren die Korallen nicht nur ihre Farbe, sondern auch ihre überlebenswichtigen Nährstofflieferanten. Kommen keine neuen Zooxanthellen nach, sterben die Korallen.
Vanessa Skiba und Oliver Voigt interessieren sich besonders für die Korallenart Siderastrea siderea, die in der Almirante-Bucht im Norden Panamas lebt. „Auch dort haben vielfältige Veränderungen in den vergangenen Jahrzehnten zu einer massiven Korallenbleiche geführt“, sagt Vanessa Skiba.
Im November und Dezember vergangenen Jahres konnten die beiden Wissenschaftler mehrere Wochen in einer Forschungsstation in der Bucht wohnen und arbeiten, die von der renommierten Smithsonian Institution betrieben wird. Die Situation in der Karibik sei besonders brisant für Korallen.
Der Klimawandel erwärmt das Wasser
„Das Wasser erwärmt sich dort durch den Klimawandel noch stärker als anderswo“, sagt Voigt. „Hinzu kommen Überfischung und massive Touristenzahlen oder extreme Wetterereignisse wie El Niño.“ Ein zusätzliches Problem erwachse aus der schonungslosen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen. Durch massive Rodungen im Zuge der Plantagenwirtschaft lagern sich Sedimente auf den Riffen ab. „Es gibt daher kaum noch Bäume, deren Wurzeln den Boden auf dem Land zusammenhalten“, sagt Voigt. „Durch Wind und Regen landet so zunehmend Landmasse im Meer.“ Das Sediment trübt das Wasser. Für die Korallen wird es dunkler – und der Photosynthese-Prozess wird gestört.
Zu ihren wichtigsten Werkzeugen in Panama gehörten Kanu, Schnorchel und Säge. Bis zu 15 Kilo wogen die gesammelten Proben, die Skiba und Voigt dann in die Forschungsstation transportierten, reinigten und aufsägten. „Das war Knochenarbeit“, sagt Vanessa Skiba. „Wir hatten lediglich eine Handsäge zu Verfügung und viele Tage bestanden nur aus sägen, sägen, sägen.“
In der Forschungsstation seien sie sehr freundlich empfangen und fachlich an die Hand genommen worden, berichtet Oliver Voigt. „Wir haben jeden Tag genossen und extrem viel gelernt“, sagt Vanessa Skiba. Zurück in Deutschland machten sich Skiba und Voigt an eine gründliche Untersuchung der Korallen.
Der angehende Biologe Oliver Voigt widmete sich in seiner Bachelorarbeit der Frage, wie die Siderastrea siderea in der Almirante- Bucht wächst und sich gegenüber aktuellen klimatischen Veränderungen verhält. Dabei hatte er einigermaßen erfreuliche Ergebnisse zu berichten: Die Korallenart scheint nach ersten Erkenntnissen widerstandsfähiger zu sein als andere lokale Arten.
Geologin Vanessa Skiba interessiert sich mehr für die Vergangenheit. Ihre Masterarbeit verfasst sie auf dem Gebiet der Paläoklimatologie. „Korallen können mehrere hundert Jahre alt werden und als Klimaarchiv dienen“, sagt sie. „Ähnlich wie in den Wachstumsringen der Bäume lassen sich durch ihre Struktur Erkenntnisse über frühere Umweltbedingungen gewinnen.“
Skiba sammelte in Panama deshalb vor allem fossile Korallen. Im Labor wird sie diese für ihre Masterarbeit nun auswerten. Sie hofft, anhand der Korallen Informationen über die klimatischen Bedingungen im Mittel-Holozän zu gewinnen, also vor rund 7.000 Jahren. Dabei interessiert sie vor allem der jahreszeitliche Verlauf der klimatischen Parameter, der zu dieser Zeit – aufgrund von Unterschieden in der Erdumlaufbahn – möglicherweise anders war als heute.
Die Korallenproben werden auf dem Geo-Campus in Lankwitz aufbewahrt
Die rund 20 Proben, die die beiden während ihres Forschungsaufenthalts gewonnen haben, werden aber nicht nur den Forschungsprojekten von Skiba und Voigt dienen. „Sie werden auf dem Geo-Campus in Lankwitz aufbewahrt“, sagt Skiba, die nach ihrer Rückkehr aus Panama der Ernst-Reuter-Gesellschaft beigetreten ist. „Und es freut uns besonders, dass sie hier weiteren Studierenden für ihre Forschungsarbeiten zur Verfügung stehen werden.“