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‚Gender’: Kontingente theoretische Grundlagen und ihre politischen Implikationen

Tove Soiland – 2009

Der Beitrag widerspricht der im deutschsprachigen Raum vorherrschenden Annahme, dass das Anliegen einer ‚Dekonstruktion der Zweigeschlechtlichkeit’ und folglich der Standpunkt von queer sowohl theoretisch wie politisch der radikalste innerhalb der gegenwärtigen Geschlechtertheorien darstelle. Er argumentiert und zeigt in einer Auseinandersetzung insbesondere mit der Machttheorie des späten Foucault sowie Lacans Vorstellung von geschlechtlicher Subjektivierung, dass das sich an den Cultural Studies orientierende Paradigma von gender entgegen anderslautender Behauptungen mit zentralen subjekt- und machttheoretischen Grundannahmen des französischen Poststrukturalismus kollidiert. In Anknüpfung an diese theoretische Infragestellung vertritt der Beitrag die These, dass es diese theoretische Unschärfe ist, die das an den Cultural Studies orientierte Paradigma von gender in eine gewisse Passförmigkeit zu den Flexibilitätsanforderungen spätkapitalistischer Produktion und den damit einhergehenden Menschenregierungstechniken geraten lässt. In diesem Sinn folgt das Paradigma von gender einem allgemein in den Cultural Studies feststellbaren Trend, in einer mehr oder weniger unklaren Vorstellung von der ‚Autonomie des Kulturellen’ gegenüber den Produktionsverhältnissen sich gänzlich von marxistischen Ansätzen zu verabschieden. Dass diese Entwicklung seit Ende der 1980er Jahre hegemonial geworden ist und damit zeitgleich mit dem Siegeszug des Neoliberalismus, der sämtliche unsere Lebensbereiche einer strengen ökonomischen Logik unterwirft und damit die These von der Autonomie des Kulturellen Lügen straft, will der Beitrag zur Diskussion stellen.

Titel
‚Gender’: Kontingente theoretische Grundlagen und ihre politischen Implikationen
Verfasser
Tove Soiland
Datum
2009-12
Art
Text

Über die Autorin

Tove Soiland studierte Geschichte, Philosophie und Germanistik in Zürich. Zwischen 2001 und 2008 arbeitete sie im Rahmen eines Forschungskredits der Universität Zürich an ihrer Promotion „Luce Irigarays Denken der sexuellen Differenz. Eine dritte Position im Streit zwischen Lacan und den Historisten“.

Im Wintersemester 2008/09 war sie Fellow in residence des Kollegs Friedrich Nietzsche der Klassik Stiftung Weimar in Weimar. Seit 2004 hat sie Lehraufträge an den Universitäten Salzburg, Zürich, Hannover und Innsbruck inne. Daneben führt sie an verschiedenen Bildungsinstitutionen Seminare für Frauen in feministischer und politische Theorie durch, seit 2007 regelmäßig bei der Gewerkschaft Verband öffentlicher Dienste in Zürich. 2003 initiierte sie den „Gender-Streit“, eine Kontroverse um die theoretischen Grundlagen des gender-Begriffs.

Sie publiziert regelmäßig zu Fragen der feministischen Theorie und war Mitorganisatorin mehrerer Tagungen. Seit 2004 ist sie Redaktionsmitglied der Zeitschrift „Widerspruch. Beiträge zu sozialistischer Politik“. 2009 schrieb sie für das Stadttheater Bern die szenische Lesung „Nehmen Sie Ihr Gender selbst in die Hand, Madam!“.

Arbeitsschwerpunkte: Französischer Poststrukturalismus, französische Psychoanalyse, Marxismus, Geschichte und Entwicklung der feministische Theorie, Vergleich der beiden Paradimgen von gender und sexueller Differenz, Geschlechterverhältnisse im Postfordimus.



Andere Veröffentlichungen der Autorin

  • 2003a: Irigaray mit Marx lesen. Eine Rehabilitierung des Denkens der sexuellen Differenz. In: Widerspruch Nr. 44, Jg. 23/1. Halbjahr, S. 159-172
  • 2003b: Dekonstruktion als Selbstzweck? Ein Aufruf zur theoretischen Reflexion. In: Forum Wissenschaft, Nr. 3, Jg. 20, S. 37-40
  • 2004a: „Gender“. In: Bröckling, Ulrich / Krasmann, Susanne / Lemke, Thomas (Hg.): Glossar der Gegenwart. Frankfurt/M. (Suhrkamp), S. 97-104
  • 2004b: Was sind sexuierte Positionen? Anmerkungen zu Judith Butlers Lacan-Rezeption. In: Zeitschrift für Frauenforschung und Geschlechterstudien, Jg. 22, Heft 1, 3-18
  • 2005a: Kritische Anmerkungen zum Machtbegriff in der Gender-Theorie auf dem Hintergrund von Michel Foucaults Gouvernementalitätsanalyse. In: Widersprüche Heft 95, Jg. 25, S. 7-25 (bei den in dieser Nummer versammelten Beiträge handelt es sich um Repliken auf diesen Artikel)
  • 2005b: Die Privatisierung des Geschlechts. In: Die Wochenzeitung Nr. 18, Jg. 24
  • 2005c: Geschlechterverhältnisse und neoliberale Gouvernementalität. In: attac (Hg.): Reader der ersten Sommerakademie von attac Schweiz vom 10.-12. September 2004 in Vernamiège (VS), S. 17-21.
  • 2008a: Gender: Kritik oder Bestandteil des neoliberalen Geschlechterregimes? In: Krondorfer, Birge / Wischer, Miriam / Strutzmann, Andrea (Hg.): Frauen und Politik. Nachrichten aus Demokratien. Wien (Promedia), S. 174-183
  • 2008b: Alles Kultur oder was? Oder warum es sich für eine Feministin immer noch lohnt, Marx zu lesen. In: Die Wochenzeitung Nr. 11, Jg. 27 (Übersetzt in der polnischen Ausgabe von Le Monde diplomatique, Nr. 6, Jg. 28, Wiederabdruck in analyse & kritik, Nr. 528, Jg. 38)
  • 2008c: Was heißt Konstruktion? Über den stillschweigenden Bedeutungswandel eines zentralen Paradigmas der Geschlechtertheorie. In: Buchmayr, Maria (Hg.): Alles Gender? Feministische Standortbestimmungen. Studien zur Frauen- und Geschlechterforschung, Johannes Kepler Universität Linz, Band 8, Innsbruck-Wien-Bozen, (Studienverlag), S. 65-81
  • 2008d: Die Verhältnisse gingen und die Kategorien kamen. ‚Intersectionality’ oder Vom Unbehangen an der amerikanischen Theorie. In: Querelles-Net Nr. 26; http://www.querelles-net.de/index.php/qn/article/view/694/702
  • 2009a: Gender als Selbstmanagement. Zur Reprivatisierung des Geschlechts in der gegenwärtigen Gleichstellungspolitik. In: Andresen, Sünne / Koreuber, Mechthild / Lüdke, Dorothea (Hg.): Gender und Diversity: Albtraum oder Traumpaar? Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften), S. 35-52
  • 2009b: Gender oder von der Passförmigkeit des Subversiven. In: Das Argument 281 (Elemente eines neuen linken Feminismus), Jg. 51, Heft 3, 409-419
  • 2009c: Gender Politics: Behaviour therapy for the two sexes or a structural critique of economic relations? In: Kirsch-Auwärter, Edit et. al. (eds.): GenderChange in Academia, Göttingen (im Erscheinen)
  • 2010: Luce Irigarays Denken der sexuellen Differenz. Eine dritte Position im Streit zwischen Lacan und den Historisten. Wien/Berlin

Kontakt

Tove Soiland
Rothstrasse 9
8057 Zürich
Email: tove.soiland@bluewin.ch

Links

http://www.lacan.com/lacan1.htm