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Freie Universität Berlin beschließt, Dr. Franziska Giffey für ihre Dissertation eine Rüge zu erteilen – der Doktorgrad wird nicht entzogen

Präsidium folgt dem Vorschlag des Prüfungsgremiums

Nr. 320/2019 vom 30.10.2019

Das Präsidium der Freien Universität Berlin hat nach eingehender Prüfung und einer mehrstündigen Sitzung am heutigen Mittwoch einstimmig beschlossen, Frau Dr. Franziska Giffey für ihre Dissertation eine Rüge zu erteilen und den ihr 2010 vom Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften verliehenen Grad „Doktorin der Politikwissenschaft“ (Dr. rer. pol.) nicht zu entziehen.

Die Freie Universität Berlin wurde von Frau Dr. Giffey Anfang Februar 2019 um die Einleitung eines formellen Prüfungsverfahrens hinsichtlich ihrer Dissertation „Europas Weg zum Bürger – Die Politik der Europäischen Kommission zur Beteiligung der Zivilgesellschaft“ gebeten. Kurz zuvor war eine Medienanfrage bezüglich der Dissertation von Frau Dr. Giffey bei der Hochschule eingegangen.

Noch im selben Monat wurde ein Verfahren zur Überprüfung der Dissertation eingeleitet und – wie vom Berliner Hochschulgesetz (Paragraph 34 Abs. 8) vorgesehen – ein Prüfungsgremium eingesetzt. Ein solches Gremium entspricht in der Zusammensetzung einer Promotionskommission nach der geltenden Promotionsordnung des jeweiligen Faches.

In diesem Fall gehörten dem Prüfungsgremium drei Hochschullehrerinnen/Hochschullehrer der Freien Universität Berlin, eine externe Hochschullehrerin/ein externer Hochschullehrer sowie eine promovierte akademische Mitarbeiterin/ein promovierter akademischer Mitarbeiter der Freien Universität Berlin an. Keines der fünf Mitglieder hatte zuvor die Dissertation von Frau Dr. Giffey begutachtet oder in der Kommission zu ihrem Promotionsverfahren mitgewirkt.

Nachdem sich das Prüfungsgremium intensiv mit der Angelegenheit befasst hatte, schlug es dem Präsidium der Freien Universität Berlin vor, Frau Dr. Giffey eine Rüge zu erteilen und den 2010 vom Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften verliehenen Grad „Doktorin der Politikwissenschaft“

(Dr. rer. pol.) nicht zu entziehen. Das Präsidium der Freien Universität Berlin folgte nach eingehender Beratung dem Vorschlag des Prüfungsgremiums. Frau Dr. Giffey wurde am heutigen Mittwoch über die Entscheidung des Präsidiums informiert.

Bewertungsmaßstab für die Überprüfung einer Dissertation ist das Berliner Hochschulgesetz (Paragraph 34 Abs. 7). Deshalb war zu prüfen, ob Frau Dr. Giffey ihren Doktorgrad durch Täuschung über die Eigenständigkeit der Dissertation erlangt hat. Wird eine Täuschung bejaht, räumt Paragraph 34 Abs. 7 BerlHG auf der Rechtsfolgenseite einen Ermessensspielraum ein. Unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist über die Frage der Entziehung oder sonstige Maßnahmen zu entscheiden. Hierbei war auch die quantitative und qualitative Relevanz der plagiierten Textstellen zu berücksichtigen. In einer Entscheidung zu einer Entziehung des Doktorgrades wegen Täuschung bei Anfertigung einer Dissertation hat das Bundesverwaltungsgericht hierzu ausgeführt:

„Die Plagiatsstellen müssen die Arbeit quantitativ, qualitativ oder in einer Gesamtschau beider Möglichkeiten prägen. Eine quantitative Prägung ist zu bejahen, wenn die Anzahl der Plagiatsstellen und deren Anteil an der Arbeit angesichts des Gesamtumfangs überhandnehmen. Derartige Passagen prägen die Arbeit qualitativ, wenn die restliche Dissertation den inhaltlichen Anforderungen an eine beachtliche wissenschaftliche Leistung nicht genügt.“ (BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2017 – 6 C 3/16 –, BVerwGE 159, 148-171, Rn 44, juris).

Für die auf dieser Grundlage durchzuführende Prüfung hat das Prüfungsgremium die von der VroniPlag-Wiki-Gruppe beanstandeten Fundstellen hinsichtlich Art und Umfang der Übernahme fremder Textstellen sowie dahingehend bewertet, ob und auf welche Weise die Quelle für diese Textübernahmen genannt wurde. Das Prüfungsgremium hat jede einzelne Fundstelle nach unabhängiger Einzelprüfung in Bezug auf Quellenangaben und Textübernahmen durch jedes Mitglied und anschließender gemeinsamer Diskussion bewertet. Eine systematische Analyse der monierten Fundstellen war die Grundlage für die Prüfung, ob eine Täuschung vorliegt und die beanstandeten Fundstellen für die Bewertung der Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Leistung relevant sind.

Mit Blick auf die Dissertation im Ganzen wurde quantitativ eine „Überhandnahme“ im Sinne der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht bejaht. Die problematischsten Textstellen betreffen überwiegend das Kapitel „Begriffserklärung und Eignungsdimensionen von Beteiligungsinstrumenten“ der Dissertation. Insbesondere unter Berücksichtigung der Funktion dieses Kapitels wurde auch eine qualitative Prägung im Sinne des Bundesverwaltungsgerichtes nicht bejaht. Die Dissertation ist eine Einzelfallstudie auf der Basis von Leitfadeninterviews und leistet hier ihren wesentlichen Beitrag zum Kenntnisstand der empirischen Politikforschung über die EU-Politik. Da der empirische Charakter der Arbeit in den Vordergrund gestellt wurde, konnte trotz der festgestellten Mängel nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden, dass es sich bei der Dissertation von Frau Dr. Giffey um eine eigenständige wissenschaftliche Leistung handelt. Das Gesamtbild der festgestellten Mängel rechtfertigte die Entziehung des Doktorgrades daher nicht.

Das Präsidium der Freien Universität Berlin hielt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Rüge für geboten. Mit der Rüge missbilligt das Präsidium, dass Frau Dr. Giffey in ihrer Dissertation die Standards wissenschaftlichen Arbeitens nicht durchgängig beachtet hat. Die Freie Universität Berlin wird die Rüge in der veröffentlichten Fassung ihrer Dissertation kenntlich machen.

Kontakt

Stabsstelle Presse und Kommunikation der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 838-73180, E-Mail: presse@fu-berlin.de