Springe direkt zu Inhalt

Werke der „Entarteten Kunst“ aus Bestand des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt erschlossen

Vollständige Veröffentlichung in wissenschaftlich geführter Datenbank an der Freien Universität Berlin

Nr. 236/2018 vom 12.09.2018

Die vom Kunsthändler Hildebrand Gurlitt während der Zeit des Nationalsozialismus vom Deutschen Reich erworbenen Werke, die offiziell als „Entartete Kunst“ verfemt wurden, sind in einer Datenbank vollständig erschlossen worden. Darunter befinden sich auch die Werke, die mit dem sogenannten „Kunstfund Gurlitt“ in München 2012 wieder aufgetaucht sind. Die Forschungsstelle „Entartete Kunst“ an der Freien Universität Berlin veröffentlichte am Freitag aktuelle Rechercheergebnisse zu Hildebrand Gurlitts Handel mit „Entarteter Kunst“. Insgesamt übernahm Gurlitt 3.879 Werke aus dem beschlagnahmebestand der Nationalsozialisten. Aus dem Münchner Kunstfund konnten nun 349 Werke sicher dem Entzug aus einem Museum zugunsten des Deutschen Reiches nachgewiesen werden; bei 98 Werken davon ist darüber hinaus das Herkunftsmuseum eindeutig bestimmbar. Mehr als weitere 150 Werke, die in München aufgefunden wurden, können ebenfalls zur Gruppe der „Entarteten Kunst“ gehören, hierfür fehlen jedoch eindeutige Nachweise und Dokumente wie Stempel, Aufkleber, Inschriften, historische Fotografien oder schriftliche Quellen. Die Forschungsstelle „Entartete Kunst“ ist seit 2003 am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität angesiedelt und wird seit 2016 von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien gefördert.

Die Forschungsstelle widmet sich den Methoden nationalsozialistischer Kunstpolitik, insbesondere der Geschichte und den Auswirkungen der Beschlagnahme moderner Kunstwerke in deutschen Museen durch die Nationalsozialisten im Jahr 1937. Zum Kernstück der Forschungen gehört die digitale Erfassung aller von der Beschlagnahme-Aktion betroffenen Kunstwerke einschließlich einer Dokumentation zu jedem einzelnen Objekt. Seit 2010 sind die Rechercheresultate jedem interessierten Nutzer in Form einer Datenbank im Internet gebührenfrei zugänglich. Die Datenbank ist sowohl in einer deutschen als auch in einer englischen Version verfügbar und gilt international als zentrales Rechercheinstrument für die Provenienzforschung.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Forschungsstelle haben schon vor dem „Kunstfund Gurlitt“ 2012 intensive Forschungen zu Hildebrand Gurlitt aufgenommen, nachdem wichtige Geschäftskorrespondenzen aus den Jahren 1941 bis 1944 mithilfe des langjährigen Hauptförderers der Forschungsstelle, der Ferdinand-Möller-Stiftung, erworben werden konnten. Hildebrand Gurlitt gehörte zu den wenigen Kunsthändlern, die von NS-Behörden autorisiert waren, von 1938 an Werke der beschlagnahmten „Entarteten Kunst“ gegen Devisen ins Ausland zu verkaufen. Im Vergleich mit seinen Händlerkollegen übernahm Gurlitt mit 3.879 Werken die meisten Werke aus dem Beschlagnahme-Bestand. Werke aus der Beschlagnahme-Aktion „Entartete Kunst“ wurden aus ästhetischen Gründen öffentlichen Institutionen entzogen und nicht Privatpersonen aus rassischen, weltanschaulichen, religiösen oder politischen Gründen. Deshalb sind auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs die Besitzerwechsel juristisch anerkannt geblieben; bis heute gelten die Werke als nicht rückgabepflichtig.

Die Forschungsstelle „Entartete Kunst“ bietet ergänzend zu der am 14. September eröffneten Ausstellung „Bestandsaufnahme Gurlitt – Ein Kunsthändler im Nationalsozialismus.“ im Martin-Gropius-Bau in Berlin in ihrer Datenbank weiterführende Informationen zu den Werken an.

Kontakt

Dr. Meike Hoffmann, wissenschaftliche Koordinatorin der Forschungsstelle „Entartete Kunst“, Kunsthistorisches Institut / Freie Universität Berlin, Tel.: +49 30 838 70338, E-Mail: meike.hoffmann@fu-berlin.de

Weiterführende Links