Springe direkt zu Inhalt

Studie: Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU könnte die Wohlfahrt in geringem Maße stärken

Analyse von Philipp Engler (Freie Universität Berlin) und Juha Tervala (Universität Helsinki) als Diskussionspapier veröffentlicht

Nr. 301/2016 vom 13.09.2016

Das derzeit zwischen den USA und der Europäischen Union verhandelte Freihandelsabkommen TTIP könnte einer Studie der Freien Universität Berlin und der Universität Helsinki zufolge positive Effekte auf die Wohlfahrt in den betroffenen Staaten haben, allerdings nur in geringem Umfang. Wie die Autoren Dr. Juha Tervala von der Universität Helsinki und Dr. Philipp Engler, Juniorprofessor der Freien Universität Berlin, weiter herausfanden, würde der größte Anteil an Wohlfahrtseffekten nach einem TTIP-Abkommen durch Senkung sogenannter nichttarifärer Handelshemmnisse bewirkt; dazu zählen unter anderem Importkontingente, Export-Beschränkungen, Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltstandards sowie Subventionen für heimische Produzenten. Der Abbau von Zollschranken dagegen hätte wenig Einfluss, weil diese auch ohne ein Abkommen bereits niedrig seien, hieß es. Nach Einschätzung der Wissenschaftler könnte durch TTIP auf lange Sicht die Produktion in den USA und in der EU um 0,2 bis 0,4 Prozent gesteigert werden.

Die Autoren nahmen für ihre Studie an, dass im Falle eines Inkrafttretens des TTIP-Abkommens Zölle vollständig beseitigt und sogenannte nichttarifäre Handelshemmnisse zu einem Viertel abgebaut würden. Für den Einfluss von TTIP auf das Wohlfahrtsniveau wurde berechnet, wie viel zusätzlicher Konsum jedem EU-Bürger einmalig durch alle kurz- und langfristigen Auswirkungen ermöglicht werden könnte. Dieser einmalige Anstieg des Konsums eines durchschnittlichen EU-Bürgers beläuft sich auf 460 bis 1160 Euro. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die Wohlfahrtsgewinne von TTIP insgesamt positiv, aber gering ausfallen würden.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) von Deutschland würde – gemessen an dem Ausgangswert vor einem möglichen Inkrafttreten von TTIP – dauerhaft um 0,2 bis 0,4 Prozent steigen, was 4,85 bis 11,52 Milliarden Euro ausmacht. Diese Größenordnung entspreche den Ergebnissen früherer TTIP-Studien anderer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, hieß es.

„Die Ergebnisse legen nahe, dass durch TTIP im Wesentlichen das Handelsvolumen zwischen den USA und der EU erhöht werden kann“, betonte Juha Tervala von der Universität Helsinki; die Auswirkungen auf die Produktion und die Wohlfahrt dagegen seien gering. „Insgesamt betrachtet legen die Ergebnisse aber nahe, dass ein Abschluss des TTIP-Abkommens sinnvoll ist.“ Prof. Dr. Philipp Engler unterstrich, die TTIP-Debatte solle sich vor allem auf die Frage konzentrieren, von welcher Art eines Abkommens die EU-Bürger und die Bürger der USA am meisten profitierten. Die entscheidende Frage sei nicht, ob TTIP unterzeichnet werden solle oder nicht. Ferner sollten die Bevölkerungen der betroffenen Staaten die unterschiedlichen politischen Präferenzen auf beiden Seiten des Atlantiks anerkennen, die die nichttarifären Handelshemmnisse begründen. Engler und Tervala erklärten, ihre Studie könne als eine Art „Preisschild“ am TTIP-Abkommen zu diesen Regelungen angesehen werden. „Die EU-Bürger sollten wissen, dass es etwas kostet, wenn die TTIP-Verhandlungen gestoppt werden“, betonten die Wissenschaftler.

Beide Autoren wiesen auf die Grenzen ihres Ansatzes hin, weil die Einflüsse mehrerer Faktoren unbeachtet blieben, durch die das TTIP-Abkommen, würde es geschlossen, auf die Wohlfahrt Einfluss nehmen könnte. So könne kein Modell plausibel alle Aspekte dieses äußerst umfangreichen Handelsabkommens integrieren: Die Studie lasse beispielsweise manche der am meisten in der Öffentlichkeit diskutierten Aspekte des Abkommens außer Acht, darunter die Standards beim Schutz von Investoren und die Kontroverse um die Schlichtung möglicher Streitigkeiten zwischen ausländischen Investoren und dem jeweiligen Gastgeberstaat. Das Modell könne zudem nicht eine Reihe weiterer Vorteile des Handels erfassen, die sich aus TTIP ergäben. Hinzu komme, dass Handel über Landesgrenzen hinweg ebenso mit Kosten verbunden sei. So gäbe es Hinweise dafür, dass durch Handel Ungleichheiten – ohne ebenso wie mit einem TTIP-Abschluss – zunähmen, betonten die Wissenschaftler. Die ungleiche Verteilung der Nachteile des Handels müsse ebenso berücksichtigt werden.

Die Vor- und Nachteile der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (Englisch: Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz TTIP) sind seit Jahren Gegenstand heftig geführter Debatten; zuletzt hatte der Bundeswirtschaftsminister und SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel die Verhandlungen de facto als gescheitert erklärt. Die Befürworter eines TTIP-Abschlusses argumentieren, dass die Abschaffung von Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zu einem Wachstum von Handel und Produktion beitrage. Die Kritiker von TTIP halten dem entgegen, dass die wirtschaftlichen Vorteile gering seien und die möglichen Nachteile auf Sicherheit, Verbraucherschutz und Umwelt überwögen.

Weitere Informationen und Interview-Möglichkeit

Prof. Dr. Philipp Engler, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin, Telefon 030 / 838-54632, E-Mail: philipp.engler@fu-berlin.de

Im Internet

http://www.wiwiss.fu-berlin.de/fachbereich/vwl/engler/mitarbeiter/engler/

http://edocs.fu-berlin.de/docs/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDOCS_derivate_000000006885/discpaper2016_17.pdf?hosts=