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Wenn HDTV auf CSI trifft: Nanoskopie mit chemischem Fingerabdruck

Biophysiker der Freien Universität untersuchen Biomembranen mit einem neuartigen hochauflösenden Infrarot-Mikroskop

16.12.2013

Biophysiker der Freien Universität haben in Kooperation mit spanischen Wissenschaftlern einen Weg gefunden, um Proteine unter dem Mikroskop ohne Anfärbung sichtbar zu machen. Die Wissenschaftler um Professor Joachim Heberle und des nanoGUNE-Institut in San Sebastián setzten ein Infrarot-Mikroskop ein, um die winzigen Protein-Komplexe zu untersuchen – mit herkömmlichen Lichtmikroskopen können sie nicht abgebildet werden. In einer soeben veröffentlichten Arbeit in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications berichten die Forscher über Anwendungen an Zellmembranen und faserigen Proteinstrukturen – sogenannten Amyloiden –, die bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer eine wesentliche Rolle spielen. Das Besondere an dem Mikroskop ist die Tatsache, dass damit nicht nur hochaufgelöste Bilder aufgenommen werden können, sondern die Strukturen auch auf ihre chemische Zusammensetzung hin untersucht. Neben der biophysikalischen Grundlagenforschung an Biomembranen kann dieses Mikroskop in der biomedizinischen Analytik eingesetzt werden, um sehr geringe Mengen an biologischem Material oder Verunreinigungen, Viren oder Pathogene markierungsfrei zu identifizieren. Proteine sind Nanomaschinen, die den Zellen in unserem Körper Struktur und Funktion verleihen.

Mikroskopie und Mikrobiologie gehen seit den Arbeiten des niederländischen Naturforschers Antonie van Leeuwenhoek (1632–1723) eine heilvolle Allianz ein: Die im 19. Jahrhundert vom Mathematiker und Physiker Ernst Abbé in Jena definierte Auflösungsgrenze erlaubt allerdings nur solche Strukturen im Mikroskop zu sehen, die nicht kleiner sind als die Hälfte der Wellenlänge des sichtbaren Lichtes, also im Bereich von 0,2-0,3 Mikrometern liegen. Die Strukturen der belebten Materie, wie Bakterien, Viren, Proteine, sind allerdings noch kleiner, und Wissenschaftler haben mittlerweile Tricks entwickelt, um noch tiefer in diesen Nanokosmos vorzudringen. Dies kann durch Verkürzung der Wellenlänge erreicht werden, wie es bei Röntgen- und Elektronenstrahlung ausgenutzt wird. Allerdings ist diese Strahlung zumeist schädlich für die belebte Materie.

Die Lebenswissenschaften erfahren gegenwärtig eine Revolution in der hochauflösenden Lichtmikroskopie: Hier werden zumeist Farbstoffe verwendet, die nach Beleuchtung mit sichtbarem Licht fluoreszieren. Biologische Zellen werden damit angefärbt, und der fluoreszierende Fleck eines einzelnen Farbstoffmoleküls lässt sich mit einem modernen Mikroskop sehr präzise lokalisieren. Angetrieben durch neue Erkenntnisse in den physikalischen Wissenschaften wurden auf dieser Basis sog. Superauflösungsmikroskope entwickelt, mit denen kleinste Strukturen selbst in lebenden Zellen sichtbar gemacht werden können. Der Weltrekord liegt derzeit bei einer Auflösung von wenigen Nanometern (ein Nanometer entspricht einem Milliardstel Meter).

Eine komplementäre Methode entwickelte ein Forscherteam um Professor Rainer Hillenbrand aus San Sebastián, in dem anstatt der Fluoreszenzemission die Absorption von Wärmestrahlung für den Bildkontrast ausgenutzt wird. Dieses Mikroskop (Nano-FTIR) erreicht seine Hochauflösung, in dem ein infraroter Laserstrahl auf das Ende einer feinen Nadelspitze gerichtet wird, die nur wenige Nanometer dick ist. Die gestreute Strahlung wird durch die sich in unmittelbarer Nähe befindlichen biologischen Probe absorbiert, und das Absorptionsspektrum wird durch einen entsprechenden Detektor registriert. Wenn die Spitze nun punktweise die biologische Probe abtastet, entsteht ein chemisches Abbild der Oberfläche. Mit einer Auflösung von 30 Nanometern kann sich das Nano-FTIR zwar noch nicht ganz mit der moderner Fluoreszenzmikroskope messen, aber es besitzt gegenüber Letzteren zwei entscheidende Vorteile: Es funktioniert markierungsfrei, das heißt, die biologische Probe muss vorher nicht aufwendig angefärbt werden. Darüber hinaus liefert das aufgenommene Infrarot-Spektrum einen Fingerabdruck des untersuchten Moleküls. Man kann damit also nicht nur eine Struktur abbilden, sondern diese auch chemisch analysieren und einer Substanz zuordnen.

Für Messungen an Zellmembranen forschte Elmar Hubrich, der seine Dissertation am Fachbereich Physik der Freien Universität unter Betreuung von Prof. Heberle anfertigt, in San Sebastián. Sehr schnell konnte in den mikroskopischen Aufnahmen zwischen Lipidschicht und Membranprotein unterschieden und das Auflösungsvermögen des Mikroskops bestimmt werden. Des Weiteren wurden Amyloid-Fibrillen untersucht – unlösliche Proteinaggregate, die bei Krankheiten wie Alzheimer und Morbus Parkinson auftreten. Verunreinigungen, die in solchen biologischen Proben zu ernsthaften Problemen führen, konnten mit der Nano-FTIR-Mikroskopie nachgewiesen werden. Anhand einer viralen Verunreinigung konnte „ die Nadel im Heuhaufen“ gefunden werden. Für die Zukunft soll die Auflösung der Technik weiter verbessert werden mit dem Ziel, einzelne Proteine, ihre Eigenschaften und ihre Strukturvariationen zu untersuchen. Damit ist eine neue Ära der Biospektroskopie eingeläutet worden. Joachim Heberle möchte mit dieser Technik in Zukunft die Eigenschaften und Funktionen einzelner Membranproteine untersuchen. Es sind Membranproteine, die von mehr als 60 Prozent aller auf dem Markt befindlicher Medikamente angesteuert werden, doch das molekulare Verständnis dieser wichtigen Proteinklasse ist noch sehr dürftig.

Für solche technischen Fortschritte ist es unerlässlich, dass Naturwissenschaftler über klassische Fächergrenzen hinweg zusammenarbeiten. Solche Zusammenarbeiten wurden und werden durch unterschiedliche Förderorganisationen finanziell unterstützt. Ein Teil der gegenwärtigen Arbeit wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Die Forschung von Professor Heberle eingebettet in die Focus Area NanoScale der Freien Universität Berlin. Nanoscale ist eine von fünf sogenannten Focus Areas, die aufgrund des Erfolgs in der Exzellenzinitiative an der Freien Universität gegründet wurden. Innerhalb von NanoScale wird die Zusammenarbeit von Physikern, Chemikern und Biologen unterstützt, die an der Struktur und den Eigenschaften von neuen Materialien auf der Ebene von Nanometern forschen.

Literatur

Iban Amenabar, Simon Poly, Wiwat Nuansing, Elmar H. Hubrich, Alexander A. Govyadinov, Florian Huth, Roman Krutokhvostov, Lianbing Zhang, Mato Knez, Joachim Heberle, Alexander M. Bittner & Rainer Hillenbrand (2013)

Structural analysis and mapping of individual protein complexes by infrared nanospectroscopy

Nature Communications 4, Artikelnummer: 2890 (open access)

Fachartikelnummer DOI: 10.1038/ncomms3890

Weitere Informationen

Prof. Dr. Joachim Heberle, Institut für Physik der Freien Universität Berlin, Tel. 030 / 838-53337, E-Mail: joachim.heberle@fu-berlin.de

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