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Von Zelle zu Zelle

Forscher der Freien Universität entschlüsseln Mechanismen bei der Reizweiterleitung in Pflanzen

Nr. 219/2013 vom 30.07.2013

Wissenschaftler der Freien Universität Berlin haben mithilfe der Massenspektrometrie nachgewiesen, wie Reize in Pflanzen über weite Strecken weitergeleitet werden. Die Professorin für Biochemie Tina Romeis und ihr Team werteten kontrollierte Angriffe von Bakterien auf die Pflanze Arabidopsis thaliana (Ackerschmalwand) aus. Sie konnten beweisen, dass das von der unmittelbaren Konfrontation mit dem Bakterium aktivierte Enzym CPK5 in einer Signalkette von Zelle zu Zelle durch sogenannte Reaktive Sauerstoffspezies (ROS, engl. reactive oxygen species) jeweils neu aktiviert wird und somit das Signal weitergibt. Die Forschergruppe belegte diesen Zell-zu-Zell-Mechanismus erstmalig im Experiment. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America” (PNAS) veröffentlicht.

Wie Pflanzen Reize weiterleiten, ist bis heute nur unzureichend erforscht. Mit ihren Forschungsergebnissen ist die Arbeitsgruppe einer Erklärung des Signaltransports einen großen Schritt nähergekommen. Die Reizfortleitung ist für die Abwehrreaktion bei Schädlingsbefall von großer Bedeutung. Für Züchter ist die Forschung über die Immunabwehr der Pflanzen deshalb wichtig, weil sie durch intelligente Kreuzungen resistentere Arten entwickeln können. Dadurch könnte der Einsatz von Pestiziden verringert werden.

Die Wissenschaftler vom Dahlem Centre of Plant Sciences der Freien Universität setzten in ihren Versuchen die Arabidopsis thaliana – ein Modellorganismus für Pflanzenforscher – einem Bakterienangriff aus und untersuchten nach 15 Minuten die Veränderungen in einem weit entfernten Blatt. „Unser Ziel war es zu erklären, was passiert, wenn eine Pflanze innerhalb von wenigen Minuten vom Ruhezustand in eine Abwehrhaltung wechselt“, erläutert Tina Romeis. Es gelang ihrem Team, ein Modell eines sich selbst fortsetzenden Signals zu erstellen.

Die Signalkette verläuft so: Stress wie die Konfrontation mit einem Bakterium aktiviert das Enzym CPK5. Dieses verändert durch die Übertragung von Phosphatresten ein Zielprotein, das die Bildung von Reaktiven Sauerstoffspezies anstößt, das sind aggressive Formen des Sauerstoffs wie Wasserstoffperoxid (H2O2). Diese Substanzen sind giftig für viele Mikroorganismen, sie spielen aber auch eine Rolle bei der Weiterleitung der Signale. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass das Wasserstoffperoxid, welches frei von Zelle zu Zelle wandern kann, ebenfalls eine Aktivierung des Enzymes CPK5 bewirkt. „So gelangt das Signal vom Ausgangspunkt des ursprüngliche Bakterienangriffs über Reaktive Sauerstoffspezies bis an entfernt liegende Zellen, wobei das Enzym immer wieder aktiviert wird“, sagt Romeis.

Die Weiterleitung von Zelle zu Zelle wurde 2009 von amerikanischen Forschern postuliert, nachdem Pflanzenforscher zuvor andere Theorien verfolgt hatten. „Man ging lange davon aus, dass pflanzliche Abwehrsignale überwiegend durch das Leitgewebe der Pflanzen transportiert werden, konnte das aber nicht nachweisen“, erläutert Romeis. Der über Reaktive Sauerstoffspezies vermittelte Zell-zu-Zell-Mechanismus sei für die Abwehr wesentlich effizienter als der Transport durch das Leitgewebe, denn so könnten sämtliche Zellen in allen Teilen der Pflanze rasch erreicht werden.

Bei ihren Experimenten analysierte die Forschergruppe mithilfe der Massenspektrometrie das Zielprotein, das die Bildung von Reaktiven Sauerstoffspezies und damit die schnelle Signalweiterleitung bewirkt. In der Massenspektrometrie wird ein Protein in einzelne Bruchstücke zerlegt und daraufhin seine Masse bestimmt. Wenn das Zielprotein die Information über den Bakterienbefall erhalten hat und sich auf Abwehr einstellt, hängt es ein zusätzliches Phosphat an und wird dadurch schwerer. „Durch die Massenspektrometrie konnten wir nachweisen, dass das Zielprotein in der Pflanze innerhalb von wenigen Minuten auch im entfernten Pflanzengewebe schwerer wird. Die Signalweiterleitung ist also geglückt“, sagt Romeis. Diese Anwendung der Massenspektrometrie sei ein Novum in der Pflanzenforschung. Pflanzen, denen das Enzym CPK5 fehlt, konnten das Zielprotein nicht mit Phosphat anreichern und damit nicht aktivieren. Damit fand auch keine Signalweiterleitung in entfernte Blattzellen statt  – ein Beweis dafür, dass das CPK5 eine zentrale Rolle beim Signaltransport spielt.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Tina Romeis, Institut für Biologie und Dahlem Centre of Plant Sciences der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-53123, E-Mail: tina.romeis@fu-berlin.de

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