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Abschluss der Grabung 2012 auf dem Tempelhofer Feld

Erste Auswertung der Funde liegt vor

Nr. 356/2012 vom 22.11.2012

Die erste Grabung der Archäologen auf dem Tempelhofer Feld ist abgeschlossen. Vom 9.7. bis 12.10.2012 untersuchten Bodendenkmalpfleger des Landesdenkmalamtes Berlin und Archäologen des Instituts für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität Berlin sechs Grabungsflächen. Es handelt sich um das Areal des Lilienthal-Zwangsarbeiterlagers der Lufthansa und um den Alten Flughafen. An dem Gemeinschaftsprojekt mit Gesamtkosten von rund 150.000 € wirkten auch Grün Berlin GmbH und Tempelhof Projekt GmbH mit.

Das Areal war ein zentraler Ort des Nazi-Zwangsherrschaft. Hier gab es nicht nur ein frühes KZ, das Columbiahaus, sondern ausgedehnte Lager, in denen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen unter teilweise menschenunwürdigen Verhältnissen leben mussten.

Der Landeskonservator Prof. Dr. Jörg Haspel stellte heute die ersten Untersuchungsergebnisse vor. Aus der Nazi-Zeit stammen z.B. Teller mit der Aufschrift „Schönheit der Arbeit“, einer Propaganda-Abteilung der „Deutschen Arbeiter-Front“. Aus dem Bereich des Zwangsarbeiterlagers ist vor allem die große Zahl an Nägeln mit umgebogenem Ende bemerkenswert, aus denen sich schließen lässt, dass die Barackenwände nur etwa 7 cm stark waren.

Auch Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ist die Dokumentation der bewegten Geschichte des Tempelhofer Feldes wichtig: „Heute gibt es kaum noch sichtbare Hinweise auf diese dunkle Geschichte des Tempelhofer Feldes. Doch die historische Verantwortung gebietet es, die noch vorhandenen Spuren frei zu legen und dem Vergessen auch mit den Mitteln der Bodendenkmalpflege entgegen zu wirken. Wir wollen aufklären und durch sichtbar Machung von Bodenbefunden zur Gedenkarbeit für die Opfer des Nationalsozialismus an diesem Ort beitragen.“

Derzeit arbeitet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt an der Verlängerung der Kooperationsvereinbarung mit allen beteiligten Partnern, denn die Grabungen sollen 2013 im Bereich des KZ Columbiahaus und des Richthofen-Gemeinschaftslagers fortgeführt werden.

Landeskonservator Prof. Dr. Jörg Haspel: „Wir begreifen die Ausgrabung und die Würdigung der Funde auch als Vorbereitung auf das Berliner Themenjahr 2013. Unter dem Motto „Zerstörte Vielfalt - Berlin in der Zeit des Nationalsozialismus“ soll an die vor 80 Jahren stattgefundene folgenschwere Machtübernahme der Nationalsozialisten und an 75 Jahre Novemberpogrome erinnert werden. Ganz ähnlich der Tag des offenen Denkmals, der 2013 bundesweit unter dem Motto „Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?“ stehen wird.“

Prof. Dr. Susan Pollock vom Institut für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität Berlin erklärt: „Die archäologische Ausgrabung von Baracken, in denen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen leben mussten, erschließt neue Einsichten in die Unmenschlichkeiten der Nazi-Zeit. Das Ensemble von Architektur-Resten und Funden erhellt den kargen Alltag der Zwangsarbeit besser als historische Dokumente.“

Nach Ansicht von Prof. Dr. Reinhard Bernbeck vom Institut für Vorderasiatische Archäologie symbolisiert „das Tempelhofer Flugfeld samt dem monströsen Flughafenbau seit mehr als einem halben Jahrhundert die Berliner Luftbrücke. Doch am selben Ort befanden sich ein frühes Konzentrationslager und ausgedehnte Zwangsarbeiterlager der Lufthansa und der Weser Flug GmbH, beides Rüstungsbetriebe. Unsere Ausgrabungen zeigen in Umrissen die unhaltbaren Lebensumstände, unter denen vor allem osteuropäische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter zur 'Arbeit für den Feind' gezwungen wurden.“