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Kleine Ursache, große Wirkung: Molekül treibt Stimmgabel

Wissenschaftler zeigen Möglichkeiten zur Entwicklung molekularer Motoren – Ergebnisse in jüngster Ausgabe von „Science“ veröffentlicht

Nr. 341/2012 vom 09.11.2012

Wissenschaftler der Freien Universität Berlin haben nachgewiesen, wie die Energie aus der stochastischen Bewegung einzelner Wasserstoffmoleküle extrahiert werden kann, um damit eine „mechanische Maschine“ anzutreiben. Ihnen gelang es, zufällige Fluktuationen, denen viele Vorgänge in der Natur unterliegen – etwa der Strömung von Flüssigkeiten oder elektromagnetischer Strahlung – und die als „Rauschen“ bezeichnet werden, auf künstliche Nanostrukturen zu übertragen. In dem Versuch gelang es den Wissenschaftlern, periodische Oszillationen einer makroskopischen Stimmgabel mit der stochastischen Bewegung – dem Rauschen - eines einzelnen Wasserstoffmoleküls anzutreiben. Die Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten zur Entwicklung molekularer Motoren. Die Forschungsergebnisse wurden in der jüngsten Ausgabe des renommierten Magazins „Science“ veröffentlicht.

„Dies bedeutet, dass das kleinst-mögliche Molekül, das Wasserstoffmolekül, eine 1019 mal größere Masse in Schwingung versetzen kann“, erklärt Nacho Pascual, einer der Autoren. Das Experiment beruht auf dem Prinzip der „Stochastischen Resonanz“, nach dem das Zusammenspiel der zufälligen Bewegung des Wasserstoffmoleküls mit der periodischen Bewegung des Oszillators zu einer verstärkten Energieübertragung von Molekül zu Oszillator führt. Hierzu wurde das Wasserstoffmolekül in einer winzigen Lücke zwischen einer flachen Metalloberfläche und der atomar scharfen Drahtspitze eines Rasterkraftmikroskops eingeschlossen. In einem solchen Mikroskop ist die Spitze an einer Stimmgabel angebracht, deren genauer Ton (Frequenz) von Kräften auf der Nanometerskala abhängt. Die stochastische Bewegung des Wasserstoffmoleküls übte nun eine antreibende Kraft auf die Spitze aus. Die Oszillation der Stimmgabel (und damit der Spitze) versetzte wiederum die Moleküle in Bewegung. Dieses Wechselspiel führte zu einem gemeinsamen „Tanz“ von Molekül und Spitze, bei dem sich die Schwingung der Stimmgabel weit über die Ausdehnung der Moleküle hinaus aufschaukelte.

„Die stochastische Bewegung der Moleküle wird im Experiment durch einen aufgeprägten Stromfluss zwischen Spitze und Metalloberfläche ausgelöst“, erklärt Nacho Pascual, „prinzipiell könnte man sich aber auch andere Anregungsmechanismen vorstellen, etwa Licht.“ Die Energieumwandlung via Stochastische Resonanz ist in der Natur auch von molekularen Maschinen in der Zelle bekannt. „Ein interessanter Aspekt unserer Resultate ist, dass derselbe Mechanismus in künstlichen, molekularen Motoren eingesetzt werden könnte“, erklärt Felix von Oppen, dessen theoretische Modellierung wichtig für die Interpretation der experimentellen Ergebnisse war. 

Die Experimente wurden am Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 658 „Molekulare Schalter an Oberflächen“ durchgeführt. „Mit der Technik des Rasterkraftmikroskops ist der Nachweis der molekularen Bewegung eigentlich nicht schwierig“, kommentieren Christian Lotze und Martina Corso, „der eigentliche Erfolg ist die Identifikation und die Interpretation des Effekts.“ Laut Katharina Franke wird es nun das Ziel sein, „weitere Quellen molekularen Rauschens wie elektronische oder magnetische Fluktuationen zu finden, um die Effizienz der Energieübertragung auf den mechanischen Oszillator zu optimieren.“

Literatur

Driving a Macroscopic Oscillator with the Stochastic Motion of a Hydrogen Molecule, Christian Lotze, Martina Corso, Katharina J. Franke, Felix von Oppen, Jose Ignacio Pascual, Science 338, 779-782 (2012)

Im Internet

www.sciencemag.org/content/338/6108/779.abstract

Weitere Informationen

  • Prof. Dr. Katharina Franke, Department of Physics, Freie Universität Berlin, Telefon 030 / 838-56149; E-Mail: franke@physik.fu-berlin.de
  • Prof. Dr. Felix von Oppen, Dahlem Center for Complex Quantum Systems, Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-53036, E-Mail: vonoppen@physik.fu-berlin.de