Springe direkt zu Inhalt

Immer schön Abstand halten

Forscherteam klärt Ursachen der Wasserabstoßung zwischen Biomembranen auf

Nr. 240/2012 vom 30.08.2012

Biomembranen umhüllen biologische Zellen wie eine Haut. Sie umschließen auch die Organellen, die innerhalb der Zelle wichtige Aufgaben beim Stoffwechsel oder der Zellteilung übernehmen. Wie Biomembranen grundsätzlich aufgebaut sind, ist schon lange bekannt. Auch, dass Wassermoleküle benachbarte Biomembranen auf Abstand halten – sonst könnten diese ihre lebenswichtigen Funktionen nicht erfüllen. Mithilfe von Computersimulationen haben Wissenschaftler der TU München und der Freien Universität Berlin jetzt zwei verschiedene Mechanismen entdeckt, die verhindern, dass benachbarte Membran-Oberflächen zusammenkleben. Ihre Ergebnisse sind im Fachjournal PNAS erschienen.

Für Medienvertreter steht unter http://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2012/fup_12_240  Pressefotos zur Verfügung. Sie sind honorarfrei bei Angabe der Quelle Emanuel Schneck

Biomembranen bestehen aus nebeneinander aufgereihten kettenartigen Fettmolekülen, sogenannten Lipiden. In der wässrigen Umgebung von Zellen organisieren sich die Lipide in einer Doppelschicht. Die fettlöslichen Kettenenden weisen jeweils nach innen, die wasserlöslichen Anteile nach außen. Wenn sich zwei Biomembranen mit ihren wasserlöslichen Oberflächen zu nahe kommen, entsteht ein Wasserdruck. Dieser verhindert, dass sich die Membran-Oberflächen berühren. Zwischen zwei intakten Biomembranen befindet sich somit immer ein wenige Nanometer dünner Wasserfilm. Allerdings war bisher unklar, wie die Wasserabstoßung auf molekularer Ebene funktioniert.

Mithilfe aufwändiger Simulationen haben die Wissenschaftler zwei verschiedene Mechanismen entdeckt, die von der Entfernung zwischen den Membranen abhängen. Sind die Membranen mehr als etwa einen Nanometer voneinander entfernt, spielen die Wassermoleküle die entscheidende Rolle bei der Abstoßung. Da sie sich an den Lipiden beider Membran-Oberflächen gleichzeitig ausrichten müssen, verlassen sie ihre bevorzugte räumliche Anordnung. Sie haben dann eine ähnliche Funktion wie Puffer zwischen zwei Eisenbahnwagons: Sie halten die Membranen auf Distanz. Bei kleineren Abständen beinträchtigen sich die Lipide der gegenüberliegenden Membran-Oberflächen in ihrer Beweglichkeit – und die Abstoßung verstärkt sich.

Die beiden Mechanismen werden schon seit einiger Zeit zur Erklärung der Wasserabstoßung diskutiert. Mit ihren Computersimulationen haben die Wissenschaftler von TUM und Freier Universität jetzt erstmals die Stärke der Wasserabstoßung richtig vorhergesagt, also in Übereinstimmung mit Experimenten. Damit ist die Bedeutung der verschiedenen Mechanismen im Detail aufgeklärt. „Wir konnten den Wasserdruck so genau vorhersagen, weil wir in unseren Rechnungen das chemische Potenzial des Wassers präzise bestimmt haben“, erklärt Dr. Emanuel Schneck aus der Arbeitsgruppe von Professor Roland Netz (vormals TUM), der inzwischen am Institute Laue Langevin (ILL) forscht. „Das chemische Potenzial besagt, wie ‚gern’ sich die Wassermoleküle am jeweiligen Ort aufhalten. Damit wir korrekte Ergebnisse erhalten, muss das Potenzial an Membran-Oberflächen und im Umgebungswasser in der Simulation den gleichen Wert haben.“

Ihre Ergebnisse wollen die Forscher jetzt auf eine Vielzahl weiterer biologischer Oberflächen übertragen und dabei noch deutlich komplexere Computermodelle einsetzen.  

Diese Forschungsarbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG SFB 765) und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) im Rahmen eines Projekts der Allianz Industrie Forschung (AiF) unterstützt. 

Originalpublikation

Hydration repulsion between biomembranes results from an interplay of dehydration and depolarization; Emanuel Schneck, Felix Sedlmeier and Roland R. Netz

www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1205811109

Weitere Informationen

 

Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 480 Professorinnen und Professoren, 9.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 31.000 Studierenden eine der führenden technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunktfelder sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften, Medizin und Wirtschaftswissenschaften. Nach zahlreichen Auszeichnungen wurde sie 2006 und 2012 vom Wissenschaftsrat und der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Exzellenzuniversität gewählt. Das weltweite Netzwerk der TUM umfasst auch eine Dependance mit einem Forschungscampus in Singapur. Die TUM ist dem Leitbild einer unternehmerischen Universität verpflichtet.

 

Pressefotos und Bildunterschriften

  • alle drei Bilder honorarfrei bei Angabe der Quelle Emanuel Schneck

<a href=

Biomembranen verlieren ihre biologischen Funktionen, wenn sie miteinander verkleben. Ein dünner Wasserfilm verhindert, dass sich die Membranen (links und rechts) zu nahe kommen.

 

Bei einem Abstand von mehr als ca. 1 Nanometer zwischen zwei Membranen dominiert die Abstoßung durch die Wassermoleküle. Diese richten sich an den Lipiden der Membran aus und verlieren dadurch ihre bevorzugte räumliche Anordnung. So halten sie die Membranen auf Distanz.

Wenn die Membranen weniger als ca. 1 Nanometer voneinander entfernt sind, überwiegt der Einfluss der Lipidmoleküle: Bei geringen Abstanden blockieren sie sich gegenseitig in ihrer Beweglichkeit (unteres Bild).