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Von Sprache, Recht und Honigbienen

Vier Ernst-Reuter-Preise für herausragende Dissertationen, 4. Dezember um 17.00 Uhr

Nr. 271/2006 vom 04.12.2006

564 Dissertationen sind im vergangenen Jahr an der Freien Universität Berlin verfasst worden. Berücksichtigt man die Humanmedizin, waren es sogar weitaus mehr. Die vier besten dieser Doktorarbeiten zeichnet die Ernst-Reuter-Gesellschaft (ERG) der Freunde, Förderer und Ehemaligen der Freien Universität am Montag, 4. Dezember, dem Gründungstag der Hochschule, mit dem Ernst-Reuter-Preis aus. Die Preise gehen an die Romanistin Sarah Bösch, den Physiker Markus Gühr, den Juristen Christoph Jeremias und den Biologen Paul Szyska. Den öffentlichen Festvortrag "Die Liebermann-Villa am Wannsee als Beispiel besonderen bürgerschaftlichen Engagements" halten Professor Dr. Rolf Budde, 1. Vorsitzender der Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin e. V., und Dr. Martin Faass, Museumsleiter der Liebermann-Villa am Wannsee. Journalisten sind herzlich willkommen!

Sarah Böschs Arbeit ist die erste Monografie über die Rezeption der Sprachtheorie Wilhelm von Humboldts in Frankreich. Die junge Wissenschaftlerin schlägt in ihrer Abhandlung eine Brücke von den Paris-Aufenthalten Humboldts und seinen engen Kontakten zu Pariser Gelehrten über die Ära einer weitgehenden Entfremdung der französischen Sprachwissenschaft von Humboldts Ansätzen bis hin zur gegenwärtigen Hochkonjunktur des Sprachdenkers Humboldt in der französischen Linguistik und Sprachphilosophie. "Die durch eine umfassende Bibliografie ergänzte Arbeit ist, wie es in einem der fachlichen Gutachten heißt, ein Glanzstück der Wissenschaftsgeschichte der Sprachwissenschaft und ein zentrales Kapitel der Geschichte des geistigen Transfers zwischen Deutschland und Frankreich", sagte Peter Sprengel, Germanistik-Professor an der Freien Universität, in seiner Laudatio. "Die Analyse ist begrifflich und konzeptionell scharfsinnig und absolut überzeugend."

Überzeugt hat die Preisjury auch der Neurobiologe Paul Szyszka mit seiner Arbeit über die Honigbiene. Er untersuchte, wie das Bienengehirn Signale beim Riechvorgang verarbeitet, optimiert und selektiert. "Szyszkas Forschungen liefern entscheidende Grundlagen für die Entschlüsselung des leistungsstarken Geruchssystems der Honigbiene im Speziellen und für die Funktionsweise von komplexen neuronalen Netzwerken im Allgemeinen", lobte Physiologie-Professor Hanns-Christian Gunga von der Berliner Universitätsmedizin Charité, Campus, Benjamin Franklin, die Arbeit des jungen Forschers.

Markus Gühr hat sich im Rahmen seiner Dissertation mit der zweigeteilten Welt der Physik – dem Mikro- und dem Makrokosmos – auseinandergesetzt. Der Mikrokosmos verhält sich quantenmechanisch. Er kennt keine Reibung im konventionellen Sinne, keine Individualität der Teilchen. Die gebundenen Bewegungen sind periodisch und kennzeichnen keine Richtung der Zeit. Im uns vertrauten Makrokosmos gelten die Gesetze der klassischen Physik, die zu anderen Bewegungsabläufen führen. Da die makroskopischen Systeme aus den mikroskopischen zusammengesetzt sind, müssen durch diese Verbindung zu großen Einheiten offensichtlich die quantenmechanischen Eigenschaften verloren gehen. Markus Gühr hat den Ernst-Reuter-Preis für seine neuartigen Experimente zur Charakterisierung dieser Schnittstellen erhalten. "Gühr hat dazu Modellsysteme untersucht, an denen sowohl das quantenmechanische als auch das klassische Verhalten besonders klar hervortritt und der Übergang damit deutlich erkennbar wird", sagte Paul Fumagalli, Professor für Experimentalphysik an der Freien Universität.

Eine besonders verwickelte und für die Praxis wichtige Rechtsproblematik behandelt der Jurist Christoph Jeremias in seiner Dissertation. Darin geht es um internationales Insolvenzrecht. Genauer gesagt um folgende Frage: Welches Recht gibt darüber Auskunft, inwieweit ein Gläubiger eines wirtschaftlich zusammengebrochenen Schuldners noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Aufrechnung seiner Forderung gegen eine Forderung des Schuldners erklären kann? Dahinter verberge sich in einer Zeit zahlreicher Unternehmenszusammenbrüche mit internationalem Zuschnitt eine weitreichende rechtspolitische Grundsatzentscheidung, sagte Professor Helmut Grothe, der an der Freien Universität Internationales Privat- und Verfahrensrecht sowie Rechtsvergleichung lehrt. Jeremias, der ab dem kommenden Jahr als Richter in Berlin tätig sein wird, analysiert und vergleicht in seiner Schrift die einzelnen (Insolvenz-)Aufrechnungsregeln in Europa. Er spricht sich schließlich auf der Basis der einschlägigen deutschen und europäischen Vorschriften dafür aus, grundsätzlich einheitlich das Recht des Staates entscheiden zu lassen, auf dessen Territorium der Geschäftssitz des Schuldners liegt, ohne dass es darauf ankäme, welchen Rechten die Forderungen selbst unterstehen.

In diesem Jahr haben die elf Fachbereiche der Freien Universität der Auswahlkommission insgesamt 24 Dissertationen für den Ernst-Reuter-Preis vorgeschlagen. Seit 1985 verleiht die Ernst-Reuter-Gesellschaft, die zentrale Fördergesellschaft der Freien Universität, den mit 5000 Euro dotierten Preis für die besten Dissertationen des Vorjahres. Bislang sind knapp 100 Preisträger mit dieser Auszeichnung geehrt worden.

Termin und Ort:

  • Montag, 4. Dezember 2006, 17 Uhr
  • Freie Universität Berlin, "Silberlaube", Hörsaal 1a, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin

Im Internet unter:

www.fu-berlin.de/alumni/erg