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"Mörderische Wissenschaft - Zigeunerforschung" in Berlin-Dahlem.

Führung am 27. März 2001

Nr. 61/2001 vom 26.03.2001

Im Rahmen der Ausstellung "Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma" in der Staatsbibliothek, Potsdamer Straße führt Prof. Dr. Wolfgang Wippermann vom Friedrich Meinecke Institut für Geschichte am Dienstag, 27.03.2001 durch Dahlem.

Dahlem, das ein "deutsches Oxford" werden sollte, wurde in der NS-Zeit eine Stätte mörderischer Wissenschaft. Dies gilt vor allem für die "Zigeunerforschung", die im "Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie menschlicher Erblehre und Eugenik" in der Ihnestr. 22 betrieben wurde. Dort befindet sich heute ein Teil des Fachbereichs Politische Wissenschaft der FU. Über dem Eingang des ehemaligen Kaiser-Wilhelm-Instituts prangt der Kopf der Pallas Athene, der Göttin der Wissenschaft und des Krieges.

Geleitet wurde es zunächst von Prof. Dr. Eugen Fischer, dann von Prof. Dr. Otmar Freiherr von Verschuer. Einer seiner Assistenten, Georg Wagner, fand 1943 bei seinen "Suchfahrten" nach den letzten "freilebenden Zigeunern" in den besetzten Ostgebieten eine "Zigeunersippe", die sein besonderes Interesse weckte. Einige der Mitglieder waren Zwillinge, andere wiesen eine Anomalie auf, die in der Medizin "Heterochromie" (unterschiedliche Augenfarbe) genannt wird. Diese Entdeckung teilte er sowohl seinem Doktorvater von Verschuer wie auch dessen Assistentin Dr. Karin Magnussen mit, die über Zwillinge und Heterochromie forschten – mit tödlichen Folgen für die Betroffenen. Sie wurden zunächst in die Ihnestr. 22 verbracht, wo sie vor ihrer Deportation nach Auschwitz untersucht, vermessen, photographiert und in die entsprechenden "Mischlingsgrade" eingeteilt wurden. Karin Magnussen bat ihren Kollegen und von Verschuer-Schüler Dr. Dr. Josef Mengele in Auschwitz "im Falle des Todes dieser Menschen" ihr doch die verschiedenfarbigen Augen zu schicken. Auf Befehl Mengeles präparierte der jüdische Häftlingsarzt Dr. Miklos Nyiszly die "Zigeuneraugen" und sandte sie mit dem Vermerk "kriegswichtiges Material" in die Ihnestr. 21, wo sie in die "Sammlung feuchte Materialien" im Keller aufgenommen wurden.

In diesem Keller hielt Prof. Wippermann vor einigen Jahren ein Seminar zum Thema: "Die Opfer des nationalsozialistischen Rassismus".

Auch in der dem Gebäude der heutigen "Bundesinstitut für Veterinärmedizin und Verbraucherschutz" befand sich die 1936 gegründete "Rassehygienische und Erbbiologische Forschungsstelle im Reichsgesundheitsamt". Geleitet wurde sie von Dr. Dr. Robert Ritter, der kein Mitglied der NSDAP, aber wie in einem Gutachten seines Vorgesetzten rühmend erwähnt wurde, ein "fanatischer Forscher" mit dem Spezialgebiet "Asozialen- und Zigeunerforschung" war. Die Sinti und Roma waren für ihn "rassisch minderwertig", weil sie von einem zwar indischen und damit eigentlich "arischen", aber "primitiven indischen" Stamm abstammten. Als noch schlimmer als die sog. "reinrassigen Zigeuner" galten "Zigeunermischlinge", weil sie aus Verbindungen zwischen "rassisch minderwertigen Zigeunern" und "Asozialen" und "Verbrechern" stammten. "Zigeunermischlinge" waren für Ritter selbst solche Personen, die nur einen Urgroßelternteil hatten. Doch wie erkannte man einen "reinrassigen Zigeuner" und einen "Zigeunermischling ersten, zweiten oder dritten Grades"? Ihr religiöses Bekenntnis konnte man nicht, wie bei den Juden, als Indiz für ihre "rassische" Herkunft nehmen. Denn alle Sinti und Roma waren Christen. Bei Lösung dieser "Frage" fanden Ritter und die anderen "Zigeunerforscher" bei der Kirche Hilfe durch die Herausgabe der Kirchenbücher, in denen nicht nur die Konversionen von Juden zum Christentum, sondern auch die "zigeunerische" Herkunft der Täuflinge, Konfirmanden und Getrauten vermerkt waren. Dadurch gelang es Ritter und seinen Mitarbeitern, fast 30.000 deutsche Sinti und Roma zu erfassen und sie in "reinrassige Zigeuner" und "Zigeunermischlinge" einzuteilen. Das war Beihilfe zum Rassenmord.

Treffpunkt:

  • U-Bhf. Thielallee, 16.00 Uhr

Weitere Informationen

Prof. Dr. Wolfgang Wippermann, Tel.: 030/838-54529

Im Internet:

http://www.fu-berlin.de/fmi