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Mit dem „Betonseminar“ zum Bundeskanzleramt

Architekturhistoriker Christian Freigang lehrt am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität

08.08.2013

Der Architekturhistoriker Christian Freigang will zeigen, wie weit Architektur als gestaltende Kraft in andere Bereiche des Lebens und der Wissenschaft hineinwirkt.

Der Architekturhistoriker Christian Freigang will zeigen, wie weit Architektur als gestaltende Kraft in andere Bereiche des Lebens und der Wissenschaft hineinwirkt.
Bildquelle: Martina Polster

Es hätte auch Paris sein können. Das Deutsche Forum für Kunstgeschichte in der französischen Hauptstadt suchte einen Nachfolger für die Leitung. Beste Voraussetzungen für die Stelle hätte Christian Freigang, Professor für Kunst- und Architekturgeschichte, gehabt mit seinen Forschungsschwerpunkten Architekturgeschichte des Mittelalters sowie des 19. und 20. Jahrhunderts, vor allem in Deutschland und Frankreich. Aber es wurde Berlin: Mit seiner Entscheidung, den Ruf an das Kunsthistorische Institut der Freien Universität anzunehmen, ist der geborene Münchener an seinen ehemaligen Studienort zurückgekehrt.

Nach München und Bonn hat Christian Freigang von 1983 bis 1987 in Dahlem Kunstgeschichte, Klassische Archäologie, und Bibliothekswissenschaften studiert. Seiner Doktorarbeit über die Kathedralen von Narbonne, Toulouse und Rodez und die nordfranzösische Rayonnant-Gotik, die er bei Professor Peter Kurmann an der Freien Universität schrieb, merkt man die Faszination für französische Kunst und Architektur an.

"Diffuse Liebe zu Frankreich"

„Als Student hatte ich eine diffuse Liebe zu Frankreich, konnte aber kein Französisch“, erzählt Freigang. Gelernt hat er die Sprache dann am Institut Français Berlin im Maison de France am Kurfürstendamm. Später folgten längere Arbeits- und Forschungsaufenthalte in Genf und Paris. Ende der Neunzigerjahre habilitierte er sich am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Göttingen mit einer architekturtheoretischen Arbeit über „Auguste Perret, die Architekturdebatte und die ‚konservative Revolution‘ in Frankreich, 1900-1930“. 2003 erhielt er einen Ruf an die Universität Frankfurt/Main. Seit April 2012 lehrt und forscht er am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität Berlin.

Stadt als Klangraum

Bereut hat Freigang den Wechsel von Frankfurt nach Berlin nicht. Im Gegenteil: „Das Kunsthistorische Institut der Freien Universität ist international renommiert“, sagt Freigang. Auch der unkomplizierte Gedankenaustausch mit den Kollegen der anderen Universitäten in Berlin gefällt ihm. Dass es derartige Foren für alle Fächer in Berlin gebe, sei eine der wunderbaren Eigenschaften dieser Stadt.

Für den Forscher und Lehrenden Christian Freigang ist es wichtig zu zeigen, wie weit Architektur als gestaltende Kraft in andere Bereiche des Lebens und der Wissenschaft hineinwirkt. So dreht sich sein Projekt im Exzellenzcluster „Topoi“ um die Frage der Stadt als Klangraum. Konkret geht es um mittelalterliche Türme und die Funktion der Glocken. „Der Glockenklang, gleichsam ‚Stimme Gottes‘ und damit Mittler zwischen Himmel und Erde, war auch ein juristisches Mittel“, sagt Freigang. „In bestimmten Quellen heißt es, die Bannmeile reicht so weit, wie man die Glocken hören kann.“ Später will er sich für das Projekt Kirchenhistoriker und Campanologen, also Glockenkundler, ins Boot holen.

Lehre außerhalb des Seminarraums

Mit seinen Studenten und Studentinnen verlässt er gern einmal den Seminarraum. Für ein Hauptseminar über Geschichte, Technik und Ästhetik von Betonarchitektur ging es in diesem Sommersemester beispielsweise zur Veranschaulichung direkt zum Gebäude der Schweizer Botschaft, zum Bundeskanzleramt und zur Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. Die Studierenden hätten auch einen Schnellkurs in Betontechnik erhalten, das sei eigentlich ein Teil der Berufsausbildung für Handwerker – eine zwar etwas schmutzige Arbeit, „aber das schadet ja nicht“, sagt Freigang. „So verstehen sie viel besser, was man mit Beton und anderen Materialien wie Eisen, Holz oder Backstein alles machen kann.“