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Der Mann mit Eigenschaften

Mathematikprofessor Peter Deuflhard geht in den vermeintlichen Ruhestand

26.10.2012

Ungewöhnliche Perspektive: Mehr als 30 Jahre stand Prof. Dr. Peter Deuflhard am Hörsaalpult. Anlässlich der Verleihung der Goldenen Ehrennadel der Freien Universität an den Emeritus saß der Mathematiker einmal selbst im Hörsaal.

Ungewöhnliche Perspektive: Mehr als 30 Jahre stand Prof. Dr. Peter Deuflhard am Hörsaalpult. Anlässlich der Verleihung der Goldenen Ehrennadel der Freien Universität an den Emeritus saß der Mathematiker einmal selbst im Hörsaal.
Bildquelle: Gisela Gross

Kanzler Peter Lange steckt die Ehrennadel an. Deuflhard habe die Anfang der 1980er noch junge Fachrichtung Scientific Computing an der Freien Universität konsequent vorangetrieben.

Kanzler Peter Lange steckt die Ehrennadel an. Deuflhard habe die Anfang der 1980er noch junge Fachrichtung Scientific Computing an der Freien Universität konsequent vorangetrieben.
Bildquelle: Gisela Gross

Es war ein Abschied auf Raten, dreimal wurde sein Ruhestand verschoben. Doch was heißt schon Ruhestand bei jemandem wie Peter Deuflhard, Professor für numerische Mathematik an der Freien Universität und Präsident des Konrad-Zuse-Zentrums (ZIB)? Ein Porträt aus Anlass der Emeritierung und der Auszeichnung mit der Goldenen Ehrennadel der Freien Universität Berlin.

Der Universität bleibt der Spezialist für numerische Mathematik noch gut anderthalb Jahre als Seniorprofessor erhalten, im ZIB ist er nur ein paar Türen weitergezogen, seine Projekte beim Forschungsverbund „Matheon“ laufen weiter, auch wenn er vertragsgemäß aus dem Vorstand ausscheiden musste. Deuflhard bleibt Mitglied in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und will als „engagierter Ansprechpartner“ die Umwandlung von „Matheon“ in eine Nachfolgestruktur im Verbund mit einem Einstein-Zentrum begleiten.

Das alles ist typisch für einen Mann, dessen Vita fast atemlos macht: Nach dem Studium der Physik in München und einer Diplomarbeit über Laser wurde er an der Universität zu Köln in Mathematik promoviert. An der TU München habilitierte er sich, 1978 folgte er einem Ruf auf eine Professur für Numerische Mathematik an die Universität Heidelberg.

1986 kam er nach Berlin, um fortan auf dem Gebiet adaptiver Mehrgittermethoden mit Anwendungen in Medizin und Nanotechnologie zu forschen. Befragt nach seinem Hauptbetätigungsfeld, sagt Deuflhard lachend, er habe alle paar Jahre die Disziplin gewechselt.

Sobald er das Gefühl hatte, für „eine Problemklasse einen guten Vorschlag gemacht zu haben“ und „die Idee reif für die Lösung schwieriger Probleme in den Anwendungen war“, hat er sich neuen Herausforderungen zugewandt: „Ich habe immer solange auf einem Gebiet gearbeitet, bis ich in der Weltspitze war – und mir dann wieder ein neues Gebiet gesucht.“ Einen roten Faden gibt es dennoch in seinem wissenschaftlichen Leben: die Adaptivität mathematischer Algorithmen. „Adaptivität ist mein Markenzeichen, ich wollte stets möglichst viel Mathematik in Algorithmen realisieren“.

Gründer des ZIB

Fast nebenbei schulterte Deuflhard organisatorische Aufbauarbeit: Als er 1986 als Mathematikprofessor nach Berlin kam, gründete er das ZIB programmatisch als wissenschaftliches Institut in anwendungsorientierter Mathematik und übernahm dessen Leitung – zunächst als Vizepräsident, ein Jahr darauf als Präsident.

Heute ist das ZIB mit 220 Wissenschaftlern ein Forschungszentrum mit weltweiter Reputation. Und mit „Matheon“, zu dessen Gründern Deuflhard ebenfalls gehört, entstand „eine echte Berliner Spezialität, die weltweit zu kopieren versucht wird. Das ist aber nicht so leicht“, sagt der Professor vergnügt. Das Matheon gilt mittlerweile als Musterstück und hat Berlin zur europäischen Hauptstadt auf dem Gebiet „Mathematik für Schlüsseltechnologien“ avancieren lassen. Deuflhard forschte unter dem Dach des Verbundes auch selbst: zur Wärmebehandlung von Krebserkrankungen etwa oder zur Simulation von Operationsergebnissen in der Gesichts-Chirurgie.

Wissen weitergeben an die nächste Generation

Wird Berlin, wo er über viele Jahre erfolgreich tätig war, nun auch der Altersruhesitz des „Mannes mit Eigenschaften“, wie ein Festredner Deuflhard beim internationalen Symposium zu seiner Verabschiedung nannte? „Ich bin ein Nomade“, sagt der 68-Jährige. „Wo ich meinen Teppich ausrolle, da ist meine Heimat.“ Schon verhandelt er „mit ein paar Stellen im Ausland“, weil er Lust hat, „dort eventuell noch einmal etwas Neues aufzubauen“.

Auf die Frage, was sein größter Erfolg gewesen sei in seiner Forschung, bei den Preisen, Ehrungen und Aufbauleistungen? „Meine Bücher“, sagt Deuflhard. Ein dreibändiges Lehrbuch zur numerischen Mathematik, in Deutsch und Englisch erschienen, hält er für besonders wichtig in seinem Vermächtnis. Deutschland könne seinen Wohlstand nur durch Wissen erhalten, und Wissen müsse weitergegeben werden an die nächste Generation, sagt er.

Letztendlich hat er auch seine Mutter im hohen Alter von der Richtigkeit seiner Berufswahl überzeugt. Sie hätte sich gefreut, wenn er die Arztpraxis des Vaters übernommen hätte. Als er schon 50 war, lud Deuflhard sie einmal in eine Vorlesung ein. Am Ende kam die alte Dame zu ihm und sagte nur: „Jetzt habe ich endlich verstanden. Du bist einfach glücklich bei dem, was Du tust."