Springe direkt zu Inhalt

„Gustaf Gründgens‘ Inszenierungen haben mich geprägt“

Die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte auf dem Weg in den Ruhestand

03.11.2011

Als 17-Jährige hat Erika Fischer-Lichte Gustaf Gründgens' Inszenierungen in Hamburg erlebt.

Als 17-Jährige hat Erika Fischer-Lichte Gustaf Gründgens' Inszenierungen in Hamburg erlebt.
Bildquelle: Melanie Hansen

Ruhestand? Erika Fischer-Lichte lacht. „Ich würde diesen neuen Abschnitt eher als Unruhestand bezeichnen.“ Zwar ist die 68-Jährige seit dem 30. September offiziell nicht mehr als Universitätsprofessorin am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität tätig – ruhiger wird das Leben der unter anderem mit dem Berliner Wissenschaftspreis ausgezeichneten Forscherin dadurch aber wohl nicht.

Wer Erika Fischer-Lichte zuhört, wenn sie über das Theater spricht, merkt schnell: Diese Frau redet nicht einfach nur über ihr Forschungsthema, sie erzählt von ihrer Leidenschaft. Die Worte sprudeln aus ihr heraus, gestikulierend beschreibt sie Theateraufführungen, die sie begeistert haben – oder auch gelangweilt. „Mein Beruf ist ein unglaubliches Privileg. Ich kann mich mit den Dingen beschäftigen, die mich wirklich faszinieren“, sagt sie.

Während ihrer gesamten wissenschaftlichen Laufbahn hat sich Erika Fischer-Lichte dem Bühnenschauspiel gewidmet – etwa der europäischen Theatergeschichte oder der Interkulturalität des Theaters. Obwohl sie selbst niemals als Schauspielerin auf der Bühne gestanden oder Regie geführt hat. Woher kommt diese Begeisterung? „Die Theatererfahrungen, die man in seiner frühen Jugend macht, wirken am tiefsten“, sagt Erika Fischer Lichte. Sie selbst hat als 17-Jährige Gustaf Gründgens´ Inszenierungen am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg gesehen. „Das waren unglaublich starke und intensive Aufführungen“, sagt sie.

Neues Büro im gegenüberliegenden Gebäude im Forschungskolleg

Wie sehr Gustaf Gründgens die Wissenschaftlerin beeindruckt hat, ist noch heute, 51 Jahre nach der ersten Begegnung mit dem Schauspieler, Regisseur und Intendanten, offensichtlich: Als überlebensgroße Figur hat Erika Fischer-Lichte den Künstler in ihrem Büro täglich im Blick. Nach 15 Jahren wird sie das Zimmer im Institut für Theaterwissenschaften nun räumen und ein Büro im gegenüberliegenden Gebäude des Internationalen Forschungskollegs „Verflechtungen von Theaterkulturen“ beziehen: als Leiterin der Einrichtung.

Leiten wird sie auch weiterhin das internationale Graduiertenkolleg „InterArt“. Im Juli dieses Jahres wurde sie in den Vorstand der Einstein-Stiftung berufen, außerdem ist sie weiterhin Vorsitzende des Kuratoriums der Studienstiftung des deutschen Volkes. Auch neue Bücher sind in Planung. „Es ist eben eher ein Unruhezustand“, kommentiert Erika Fischer-Lichte die anstehenden Aufgaben.

Persönliches Highlight: SFB „Kulturen des Performativen“

Nach Professuren an den Universitäten in Frankfurt am Main, Bayreuth und Mainz war Erika Fischer-Lichte 1996 ans Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität gekommen. Drei Jahre später folgte ihr „persönliches Highlight“, wie sie die Eröffnung des ersten geisteswissenschaftlichen Sonderforschungsbereichs der Freien Universität „Kulturen des Performativen“ selbst nennt. Bis zum Abschluss 2010 war sie dessen Sprecherin. „Ich war mit großen Forschungsplänen nach Berlin gekommen – und mit dem Sonderforschungsbereich konnte ich sie umsetzen. Das war eine wunderbare Zeit.“

So euphorisch Erika Fischer-Lichte von ihrer Tätigkeit spricht, bei der Frage, auf welchen ihrer wissenschaftlichen Erfolge sie besonders stolz sei, reagiert sie verhalten. „Stolz habe ich eigentlich nie empfunden. Mich hat es einfach immer befriedigt, die Dinge zu tun.“

Stolz auf wissenschaftlichen Nachwuchs

Nach einigem Nachdenken fährt sie jedoch fort: „Ich bin in der Tat stolz darauf, dass die jungen Wissenschaftler, die hier am Institut gelernt und jetzt Professuren in der Theaterwissenschaften an anderen Universitäten innehaben, ihre jeweils eigene Forschungsagenda verfolgen. Da ist keiner dabei, der einfach nur das nachplappert, was ich schon geschrieben habe. Alle haben ihren eigenen Blick auf das Theater entwickelt und das, was daran für sie interessant ist.“

Damit sei die Theaterwissenschaft der Zukunft bestens aufgestellt. Und Erika-Fischer Lichte kann sich – wenn sie es denn möchte – nach dem offiziellen Ruhestand eines Tages ganz gelassen zur Ruhe setzen.