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Ein ernster Blick auf den Boulevard

Prof. Dr. Margreth Lünenborg ist neue Professorin für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Journalistik an der Freien Universität Berlin.

24.02.2009

Prof. Dr. Margreth Lünenborg

Prof. Dr. Margreth Lünenborg
Bildquelle: Christian v. Polentz

Warum Politikerinnen immer noch „Ganzkörpernachrichten“ sind und warum die spanischen Medien mit modisch gekleideten Ministerinnen anders umgehen als die deutschen – das ist eines der Forschungsgebiete der Kommunikationswissenschaftlerin Margreth Lünenborg. Nach beruflichen Stationen unter anderem in Siegen, Wien und Salzburg will sie in Berlin daran mitwirken, der Disziplin Publizistik ein neues Profil zu geben.

Eigentlich war es nur - ein Ausschnitt. Doch die BILD-Zeitung machte es zum Ereignis. Selbst die so genannte „Qualitätspresse“ berichtete ausführlich über das Kleid, das Angela Merkel im April vergangenen Jahres bei einem Opernbesuch in Norwegen trug – und das Dekolleté der Kanzlerin zum „modischen Coup d`État“ erklärte. Für die Kommunikationswissenschaftlerin Professor Margreth Lünenborg war dieses „Medienereignis“ auch  wissenschaftlich eine kleine Überraschung: „Mit welcher Trivialität und Stereotypisierung hier ein Geschlecht hergestellt und zugerichtet wird – das hat mich in dieser Schlichtheit und Trivialität tatsächlich verblüfft und auch schockiert.“ Seit 2008 leitet Lünenborg das BMBF-Forschungsprojekt „Spitzenfrauen im Fokus der Medien. Die mediale Repräsentation von männlichem und weiblichem Spitzenpersonal in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft“. Hier wird analysiert, wie Medienbilder und ihre Rezeption mit dem Geschlecht von Politikern, Managern und Wissenschaftlern verknüpft sind. Sowohl die Medientexte und deren redaktionelle Entstehung, als auch die Rezipientensicht fließen in die Studie mit ein. Denn, so Lünenborg, wichtig sei vor allem, wie die Inhalte beim  Publikum ankommen.

Medienforschung mit weitem Blick und praktischen Erfahrungen

Bei Experteninterviews kann Margreth Lünenborg sich mit Redakteuren auf Augenhöhe unterhalten – nach ihrem Studium der Journalistik an der Universität Dortmund arbeitete sie in Berlin als Journalistin für Printmedien und Hörfunk. Parallel zu ihrer Tätigkeit beim SFB promovierte sie an der Freien Universität mit einer vergleichenden Arbeit zur Situation von Journalistinnen in Europa. Anschließend war sie als Sprecherin eines Landesministeriums in Schleswig Holstein tätig. Ein lehrreicher, wenn auch kurzer Ausflug in die politische Öffentlichkeitsarbeit, wie sie heute sagt. Ein Umweg, der sie zurück in die Wissenschaft führte: „Dort kann ich mich mit den Fragen beschäftigen, die mir relevant und gesellschaftlich bedeutsam erscheinen. Und das mit einem entschiedenen längeren Atem als im Journalismus.“ Zunächst arbeitete sie an der Universität in Leipzig und habilitierte sich an der Universität Dortmund über „Journalismus als kultureller Prozess“. Danach war sie an verschiedenen Universitäten in Deutschland, Österreich und der Schweiz tätig und lehrte in Wien, Salzburg, Zürich, Leipzig, Dortmund, Lüneburg und Siegen. Jetzt in Berlin als Professorin anzufangen, sei jedoch etwas Besonderes: „Es ist  eine große Chance, an der Neugestaltung und Profilierung der Publizistik an der Freien Universität mitarbeiten zu können. Um den aktuellen Wandel von Journalismus zu beobachten und zu analysieren, ist Berlin einfach der beste Standort.“ Mit der Professur übernimmt sie zugleich die Leitung des Journalistenkollegs. Dort treffen Stipendiatinnen und Stipendiaten aus Europa, Russland und den USA zusammen. Teils sind es gestandene Journalisten, teils junge Studierende – am Kolleg diskutieren sie miteinander über Fragen von Pressefreiheit oder journalistische Ethik.

Ein neues Profil für die Publizistik am Standort Berlin

Gemeinsam mit den Kollegen und Kolleginnen will Lünenborg die Disziplin am Standort Berlin neu aufstellen. Eine „großartige“ Aufgabe, wie sie findet. Das BMBF-Forschungsprojekt, das 2010 mit einer Fachkonferenz abgeschlossen werden soll, ist da ein wichtiger Schritt. Vertreter aus Politik, Medien und Wissenschaften sollen dort über die die Forschungsergebnisse debattieren. Auf die Ergebnisse dieser Diskussionen ist Margreth Lünenborg gespannt: „Wenn Forschung Relevanz haben soll, müssen die Diskussionen, die von der Wissenschaft angestoßen werden,  weiterreichen - bis in die Politik und Wirtschaft.“