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Der Kulturen-Erforscher

Der Lateinamerika-Experte Sérgio Costa ist Professor für Soziologie am Lateinamerika-Institut der Freien Universität (LAI)

03.02.2009

Sérgio Costa ist Professor für Soziologie am Lateinamerika-Institut der Freien Universität

Sérgio Costa ist Professor für Soziologie am Lateinamerika-Institut der Freien Universität
Bildquelle: privat

Berlin, sagt Sérgio Costa, sei ein „privilegiertes“ Forschungsobjekt: „Die Stadt hat sich in den letzten Jahren unheimlich stark verändert. Nicht nur durch neue Migrationsströme, sondern auch durch die Wiedervereinigung“. Besonders spannend findet der neu berufene Professor für Soziologie am Lateinamerika-Institut der Freien Universität (LAI) jedoch den öffentlichen Diskurs, der in Berlin über das Thema Migration geführt wird. „Veranstaltungen wie der 'Karneval der Kulturen' greifen die Frage, wie unterschiedliche Kulturen zusammenleben können, immer wieder auf“, sagt Costa.

Migration – mehr als nur Problemlagen

Der Soziologe ist Experte für Rassismus, Ungleichheit und Fragen der interkulturellen Koexistenz. Nach mehrjähriger Forschungsarbeit in Lateinamerika widmete er sich jüngst auch der Untersuchung von Migrationsprozessen und neuen Kulturen des Miteinanders im europäischen Kontext. Denn „auch innerhalb der akademischen Debatte wird Migration meist mit Problemlagen in Verbindung gebracht: Integrationsdefizit, Ausgrenzung, Gewaltbereitschaft. Die herausragenden Möglichkeiten für neue Formen interkulturellen Miteinanders, die dabei entstehen, finden kaum Berücksichtigung“, erklärt Sergio Costa.

Dass sich Costa ausgerechnet damit beschäftigt, habe jedoch wenig mit seinem eigenen Migrationshintergrund zu tun: Fragen des interkulturellen Zusammenlebens hätten nicht nur politische Brisanz, sie bildeten auch einen Kernbereich der gegenwärtigen soziologischen Forschung, sagt er. Seine akademische Laufbahn begann er in seiner Heimat Brasilien mit einem Studium der Wirtschaftswissenschaft und Soziologie an der Bundesuniversität Minas Gerais. 1992 kam er nach Berlin und promovierte 1995 im Fachbereich Soziologie der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit über die Dimensionen der Demokratisierung. Danach folgte sein erster Ruf. Costa ging wieder zurück nach Brasilien, lehrte dort als Professor an der Bundesuniversität Santa Catarina und forschte am Brasilianischen Zentrum für Analyse und Planung (CEBRAP). Als er die Möglichkeit bekam, sich in Berlin zu habilitieren, ging er wieder nach Deutschland. Im Juni 2005 beendete er seine Habilitation mit einer Arbeit über Sozialtheorie, Antirassismus und Kosmopolitismus und wurde daraufhin als Forschungsprofessor nach Sao Paulo berufen.

Forschung gegen den „Methodologischen Nationalismus“

Seit einem Jahr ist Costa Professor für Soziologie an der Freien Universität Berlin. Hier forscht er nun im Rahmen einer international angelegten Zusammenarbeit zur globalen sozialen Ungleichheit. Ein spannendes Projekt, wie Costa findet, denn auch Ungleichheitsforscher hätten bisweilen einen sehr eingeschränkten Blick – nämlich nur den auf die Ungleichheiten innerhalb eines Landes. „Methodologischen Nationalismus“ nennt man dieses Defizit, dem er mit seiner Arbeit begegnen will: Am Beispiel Lateinamerikas möchte er gemeinsam mit Forschern aus deutschen und weiteren europäischen Universitäten sowie Kollegen in Nord- und Südamerika untersuchen, welche Rolle z. B historische Faktoren wie Kolonialismus, die Sklaverei oder aktuell der Streit um die Energie- und Umweltressourcen bei der Entstehung sozialen Gefälles zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sowie zwischen den Weltregionen spielen: „Wenn wir diese Verflechtungen nicht berücksichtigen, können wir nicht verstehen, warum soziale Ungleichheit eine globale Frage ist.“