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Ein Königreich für „Elise“

Post aus...Taipeh! Nora Lessing über das nervenaufreibende Prozedere der Müllentsorgung in Taiwan

08.10.2015

Welchen Herausforderungen man sich in der Fremde stellen muss, zeigt sicht erst, wenn man dort ist. So kämpfte Nora Lessing in Taipeh tagelang mit der Entsorgung ihrer Müllsäcke. Das immerhin musikalisch untermalt...

Welchen Herausforderungen man sich in der Fremde stellen muss, zeigt sicht erst, wenn man dort ist. So kämpfte Nora Lessing in Taipeh tagelang mit der Entsorgung ihrer Müllsäcke. Das immerhin musikalisch untermalt...
Bildquelle: Nora Lessing

Immer da, wo Nora Lessing gerade nicht ist: die Müllabfuhr von Taipeh.

Immer da, wo Nora Lessing gerade nicht ist: die Müllabfuhr von Taipeh.
Bildquelle: Nora Lessing

Ihr Geknatter übertönt die singenden Müllautos.

Ihr Geknatter übertönt die singenden Müllautos.
Bildquelle: Nora Lessing

Es klang so simpel. „Du kaufst rosa Müllsäcke bei 7eleven, und wenn Du ‚liebliche Melodien‘ hörst, dann greifst Du Dir den Müll, rennst auf die Straße und schaust, in welche Richtung die Nachbarn laufen.” Soweit Jeff, der Sohn meines taiwanischen Vermieters, zum Thema Müllentsorgung in Taipeh. Die lieblichen Melodien, die den Lautsprechern des Müllwagens entströmen, entpuppten sich alsbald unter anderem als Beethovens „Für Elise”. Die Klassik und ich wollten jedoch nicht so recht zueinander finden...

Immerzu stieß ich auf dudelnde Müllwagen, nur grundsätzlich nie, wenn ich mit den Säcken einsatzbereit hinter der Haustür lauerte. So wuchs sich mein Scheitern in der subtropischen Hitze innerhalb kürzester Zeit zu einem ziemlich übelriechenden Stillleben in Form eines fliegenumschwärmten Müllberges auf meiner Veranda aus.

Bald begann mir mein Gehör Streiche zu spielen: Ich meinte inmitten des unablässigen Geknatters der hiesigen Motorrollerarmada unentwegt liebliche Melodien auszumachen, während die Schallquelle unsichtbar blieb. Schließlich beschloss ich: Wenn die Müllabfuhr nicht zu Dir kommt, dann musst Du eben zur Müllabfuhr kommen!

Ich griff also, was ich tragen konnte, und patrouillierte zum Amüsement der Nachbarn mit meinen Müllsäcken auf der Marktstraße. Bald von links, bald von rechts erklang und erstarb der Beethoven. Ich rannte zur Kreuzung, vorbei an Obstständen, bat Passanten wild gestikulierend um sachdienliche Hinweise – vergeblich. Schließlich zeigte mir eine mitleidige Seele den örtlichen Müllabladeplatz, der ganz offenbar regelmäßig – auf noch zu eruierende Weise – von seiner stinkenden Last befreit wird.

Erschöpft aber zufrieden schlenderte ich nach Hause – und sah den gelb leuchtenden Müllwagen erstmals aus der Nähe. Er parkte fast unmittelbar vor meiner Haustür. Während mir der Schweiß in die Augen rann, entledigten sich meine Nachbarn ihres Mülls in aller Seelenruhe. Zu der lieblichen Melodie von „Für Elise”.

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In unserer campus.leben-Serie „Post aus...“ berichten sechs Studierende, zwei Doktorandinnen und ein Auszubildender von ihren Auslandsaufenthalten. Hier haben wir die neun Reisenden vorgestellt.

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