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Kulturpolitik im Kalten Krieg und Körperbilder im Comic

Die Vortragsreihe „Offener Hörsaal“ startet mit zwei öffentlichen Ringvorlesungen als Live-Stream / Beginn: 3. November, 18.15 Uhr, und 12. November, 16.15 Uhr

02.11.2020

Die Vortragsreihe "Berliner Weltliteraturen" beginnt am 3. November um 18.15. Die Reihe im Offenen Hörsaal der Freien Universität wird gestreamt.

Die Vortragsreihe "Berliner Weltliteraturen" beginnt am 3. November um 18.15. Die Reihe im Offenen Hörsaal der Freien Universität wird gestreamt.
Bildquelle: Temporal Communities

Berlin war nach dem Mauerbau eine doppelt isolierte Metropole. „Das eingeschlossene West-Berlin, mit seinem politisch ungesicherten Status, drohte in ökonomischer Bedeutungslosigkeit zu versinken und kulturell marginalisiert zu werden.“ So beschreibt die Literaturwissenschaftlerin Jutta Müller-Tamm die West-Berliner Situation im Jahr 1961. Auf der anderen Seite der Grenze – als Teil eines um Anerkennung kämpfenden Staats, der sich selbst eingeschlossen hatte – sah sich auch Ost-Berlin in Gefahr, randständig und provinziell zu werden.

Nach dem Mauerbau kommt es in beiden Teilen der Stadt zu einer kulturpolitischen Offensive. „Während der Westen Autorinnen und Autoren aus aller Welt in die Stadt holte, um das abgeschottete Eiland mit der internationalen Kulturszene in Kontakt zu bringen, versuchte der Osten, verstärkt ins Ausland hineinzuwirken. Das hatte unmittelbar damit zu tun, dass die DDR keine staatsrechtliche Anerkennung hatte und sich auf kulturellem Gebiet behaupten wollte“, sagt Jutta Müller-Tamm.

Wie die Internationalisierung der Literatur im Berlin der 1960er Jahren ihren Anfang nahm, damit befasst sich die Ringvorlesung „Berliner Weltliteraturen. Internationale literarische Beziehungen in Ost und West nach dem Mauerbau“, die am Dienstag, den 3. November, beginnt.

Jutta Müller-Tamm, Professorin für neuere deutsche Literatur an der Freien Universität und Direktorin der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien, hat die 14-teilige Ringvorlesung im Rahmen der öffentlichen Vortragsreihe „Offener Hörsaal“ konzipiert. Das Thema ist aus dem Forschungsprojekt „Writing Berlin“ hervorgegangen, das sie mit ihren Kolleginnen Susanne Klengel und Ulrike Schneider am Exzellenzcluster „Temporal Communities“ leitet.

Mit zahlreichen konkreten Fallbeispielen möchte die Ringvorlesung die unterschiedliche Entwicklung in Ost und West nachzeichnen. „Am Ende wollen wir die paradox klingende These belegen, dass ausgerechnet der Mauerbau so etwas wie ein Katalysator für die Internationalisierung des Berliner Literaturbetriebs war“, sagt Jutta Müller-Tamm.

Zu ihrem großen Bedauern finden die Vorträge als reiner Livestream ohne Publikum statt: „Mit einem verdoppelten und verdreifachten Aufwand ist die Veranstaltung dadurch zwangsläufig reduziert.“ Trotzdem ist ihre Freude auf jeden einzelnen Vortrag ungebrochen. „Wer etwas lernen möchte über die Entstehung des Literaturbetriebs, wie wir ihn heute kennen, wird von Fachleuten und einem Zeitzeugen kompetent unterrichtet.“

Die Vortragsreihe "Comic - Kunst - Körper" beginnt am 12. November um 16.15, auch sie wird gestreamt.

Die Vortragsreihe "Comic - Kunst - Körper" beginnt am 12. November um 16.15, auch sie wird gestreamt.
Bildquelle: PathoGraphics

Die zweite Ringvorlesung im „Offenen Hörsaal“ widmet sich den verschiedensten Darstellungen menschlicher Körper in Comics. Seien es Superhelden, die mit Muskeln und imposanten Posen an die Tradition antiker Götterstatuen erinnern, sei es das reduzierte „Punkt-Punkt-Komma-Strich“-Gesicht von Charlie Brown oder sprechende Tiere wie Donald Duck oder die Charaktere Art Spiegelmans in „Maus“ – in vielleicht keinem anderen Medium werden die Möglichkeiten der Körperdarstellung so radikal ausgelotet wie im Comic.

Menschen sind mit ihrem Körper unzertrennlich verbunden. Sie werden in ihn hineingeboren, altern mit ihm, sie können sich das Erscheinungsbild nicht aussuchen und es nur bedingt verändern. Der Körper im Comic dagegen ist frei gestaltbar, nur von der Fantasie und den Zeichenkünsten seiner Erfinderin oder seines Erfinders begrenzt. Das zeigt die Vortragsreihe „Comic - Kunst - Körper. Konstruktion und Subversion von Körperbildern im Comic“, die am Donnerstag, den 12. November startet.

Die 14 Beiträge, die online verfolgt werden können, behandeln so verschiedene Themen wie das Altern im Comic, die Darstellung Schwarzer Superhelden oder vermenschlichte Bienen.

„Comics spiegeln die ganze Bandbreite gesellschaftlicher Verhältnisse“, sagt Nina Schmidt. „Das macht sie gewissermaßen zu Seismografen, die aufzeichnen, welche Wünsche und Sehnsüchte, Ängste und Schamgefühle wir mit unseren Körpern verbinden.“ Die promovierte Germanistin hat die Ringvorlesung zusammen mit der Professorin für neuere deutsche Literatur Irmela Marei Krüger-Fürhoff konzipiert.

Seit 2016 arbeiten die beiden Wissenschaftlerinnen gemeinsam im Projekt „PathoGraphics“, das an der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien angesiedelt ist und sich mit der Darstellung von Krankheit und Behinderung in Literatur und Comic befasst.

In ihrem eigenen Vortrag betrachtet Nina Schmidt deutschsprachige feministische Publikationen. Comics galten lange als Männerdomäne. Mittlerweile sind sie ein beliebtes Medium für junge Frauen, um persönliche Geschichten zu erzählen und politische Botschaften zu vermitteln.

Ein bekanntes Beispiel sind die Sach-Comics der schwedischen Zeichnerin Liv Strömquist. „In ihren Comics verarbeitet sie mühelos historische Briefwechsel, philosophische Abhandlungen und medizinische Theorien. Das alles verpackt sie in eine humorvolle Form und vermittelt so feministische Wissensinhalte an die nachfolgende Generation“, erläutert Nina Schmidt.

Das Resultat mache Spaß – und biete obendrein auch noch ernsthafte Aufklärung über die Geschichte der weiblichen Sexualität – und ihrer Unterdrückung.

Weitere Informationen

Berliner Weltliteraturen. Internationale literarische Beziehungen in Ost und West nach dem Mauerbau
Beginn am 3. November 2020, 18.15 bis 19.45 Uhr, Live-Stream

Comic – Kunst – Körper. Konstruktion und Subversion von Körperbildern im Comic
Beginn am 12. November 2020, 16.15 bis 17.46 Uhr, Livestream

Alle Veranstaltungen des „Offenen Hörsaals“ sind öffentlich und kostenfrei. Aufgrund der pandemie-bedingten Hygienemaßnahmen finden sie ausschließlich als Live-Stream ohne Publikum statt. Das gesamte Programm und Informationen zu den jeweiligen Vorträgen finden Sie hier. Veranstaltung verpasst? Die Aufzeichnungen der Vorträge sind als Videomitschnitt abrufbar.

Die Vorträge beider Ringvorlesungen stehen in diesem Semester auch im Vorlesungsverzeichnis. Studierende können für das Belegen Credit Points erwerben.