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„Wie Musik aus einer anderen Kultur“

Studientag anlässlich des 2400. Geburtstags von Aristoteles begeisterte Schülerinnen und Schüler für die griechische Sprache und die Philosophie des Gelehrten

13.05.2016

Gyburg Uhlmann erklärt Schülerinnen und Schülern Schriften von Aristoteles.

Gyburg Uhlmann erklärt Schülerinnen und Schülern Schriften von Aristoteles.
Bildquelle: Manuel Krane

Alexander Lamprakis reicht eine Papyrusrolle nach antikem Vorbild herum. Ein Großteil der gefundenen historischen Schriftstücke – bis zu 95 Prozent – sind Abrechnungen, Verträge oder Protokolle. „Es ist sehr mühsam, zwischen diesen Texten ein Stück Literatur zu finden“, sagt der Student. Und dennoch lohnt sich die Arbeit: Die Sichtung solcher Dokumente trägt dazu bei, Texte von Aristoteles besser rekonstruieren zu können. Knapp 50 Schülerinnen und Schüler hören ihm im Seminarzentrum der Freien Universität aufmerksam zu. Alexander Lamprakis und Torben Frey leiten gemeinsam mit dem Privatdozenten Michael Krewet einen Workshop im Rahmen des „Studientages Aristoteles“, den Gyburg Uhlmann, Professorin für Klassische Philologie an der Freien Universität Berlin, gemeinsam mit ihrem Team organisiert hat.

Lamprakis und Frey wollen den Schülerinnen und Schülern in ihrem Vortrag verdeutlichen, wie kompliziert, aber auch wie bedeutsam die Rekonstruktion historischer Texte wie derjenigen von Aristoteles bis heute ist. Die Masterstudenten erklären, wie Papyrus und Pergament hergestellt worden sind. Weil die Produktion so aufwendig war, sind im Altertum nur sehr wichtige Texte schriftlich festgehalten worden. Oft wurden Dokumente auch überschrieben, um so Material zu sparen. Bei der Abschrift der Texte haben sich Fehler eingeschlichen, anhand derer man versucht, den Wortlaut der frühesten Ausgaben zu rekonstruieren: Taucht ein Fehler in mehreren Dokumenten auf, so müssen diese offensichtlich die gleiche Grundlage haben – oder voneinander abgeschrieben sein.

Lamprakis zeigt eine Grafik, in der versucht wird, dem Ursprung der Aristotelischen Metaphysik nachzugehen. Es gibt zwei Hauptstränge der Überlieferung und unzählige Nebenstränge, wobei jeder Strang für eine Abschrift steht. Aber längst nicht alle Texte von Aristoteles sind erhalten. So bezieht sich etwa Cicero in seinen Schriften auf Werke des Philosophen, die heute nicht mehr verfügbar sind. Der Ausflug in die Quellentheorie soll den Schülern aufzeigen, wie anspruchsvoll und voraussetzungsreich die Edition aristotelischer Texte ist und welche Bedeutung dieser kritische Umgang mit dem griechischen Text und seiner handschriftlichen Überlieferung noch heute für den Zugriff auf diese Schriften besitzt.

Philosophie-Vorlesung

Im Nebenraum referiert Gyburg Uhlmann über Aristoteles‘ Philosophie. „Der Weg der Erkenntnis geht für uns natürlicherweise von dem, was erkennbarer ist und deutlicher, zu dem, was der Natur nach deutlicher und erkennbarer ist“, hat Aristoteles geschrieben. Uhlmann erklärt den Schülern, was das konkret bedeutet. „Wenn man Musik aus einem anderen Kulturkreis hört, dann erfasst man zuerst nur etwas ganz Abstraktes von dieser Musik. Man nimmt nur wahr, dass der Höreindruck fremd, vielleicht auch unharmonisch ist. Erst wenn man genauer hinhört und sich auf die Unterschiede der Musikstücke hinweisen lässt, lernt man dieses Einzelne konkret und genau kennen und kann beispielsweise einen Hochzeitstanz von einem Marsch unterscheiden“, sagt Uhlmann.

Sie will die Schüler mit dem Studientag an Lehrformate im Studium heranführen: „Das sind Inhalte, die die Schüler fördern sollen.“ Bisher hat sie solche Veranstaltungen vorrangig für Abiturienten angeboten. Anlässlich des 2400. Geburtstags von Aristoteles in diesem Jahr hat Uhlmann unterstützt durch den Sonderforschungsbereich „Episteme in Bewegung“ und das Aristotelismus-Zentrum Berlin weitere Veranstaltungsformate entwickelt und einige auch für jüngere Jahrgangsstufen geöffnet. Das Interesse der Schulen an solchen Veranstaltungen ist sehr groß. In insgesamt neun Kursen an zwei verschiedenen Standorten unterrichten die Mitglieder der Gräzistik der Freien Universität etwa 350 Schüler von Schulen aus ganz Berlin. „Wir mussten sogar einen Zusatztermin anbieten“, sagt Uhlmann. Ihr ist es wichtig, den Schülern die Philosophie von Aristoteles näherzubringen. „In der Schule wird fast nur Platon thematisiert, dabei ist auch Aristoteles sehr wichtig und ein spannendes Thema für Jugendliche“, sagt sie. Aristoteles‘ Werk sei vielfältig und die einzelnen Themen werden didaktisch von Aristoteles sehr nachvollziehbar eingeführt und diskutiert. Und auch heute noch sind seine Argumentationen und Theorien relevant für aktuelle philosophische Fragestellungen, sagt Uhlmann: „Bei der Frage nach Glück und Gerechtigkeit, aber auch bei dem Nachdenken über Sprache oder Formen der Erkenntnis und des Wissens beginnt man im Studium noch heute mit diesem Philosophen.“ Außerdem will Uhlmann Schüler für die griechische Sprache begeistern. Bei einigen steht schließlich bald die Wahl der zweiten Fremdsprache an. „Wir würden dabei gerne eine Entscheidungshilfe sein“, sagt Uhlmann.