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„Doktoranden auf Augenhöhe begegnen“

Auszeichnung für exzellente Doktorandenbetreuung geht in diesem Jahr an Professorin Natalia Kliewer und Professor Rupert Klein

19.12.2014

Die Preisträger 2014: Wirtschaftsinformatik-Professorin Natalia Kliewer (r.) und Mathematikprofessor Rupert Klein.

Die Preisträger 2014: Wirtschaftsinformatik-Professorin Natalia Kliewer (r.) und Mathematikprofessor Rupert Klein.
Bildquelle: Hans-Christian Plambeck

Hinter einer erfolgreichen Promotion steht oft eine gelungene Betreuung durch den Doktorvater oder die Doktormutter. Seit 2011 können Doktoranden an der Freien Universität ihre Betreuer für den DRS Award for Excellent Supervision (anonym) nominieren, den die Dahlem Research School (DRS) als Dachorganisation für strukturierte Promotionsprogramme an der Hochschule einmal jährlich vergibt. Damit soll die Arbeit von Doktormüttern und Doktorvätern gewürdigt und der Öffentlichkeit ins Bewusstsein gebracht werden. In diesem Jahr geht die Auszeichnung an Natalia Kliewer, Professorin für Wirtschaftsinformatik, und Mathematikprofessor Rupert Klein. Der Preis ist mit zweckgebundenen 2000 Euro dotiert, die zur Förderung von Nachwuchswissenschaftlern einzusetzen sind. Campus.leben sprach mit den Preisträgern darüber, was ein gutes Betreuungsverhältnis ausmacht und inwiefern die eigene Promotion dabei eine Rolle spielen kann.

Frau Professorin Kliewer, Herr Professor Klein, was ist bei der Arbeit mit jungen Doktoranden besonders wichtig?

Rupert Klein: Die Doktoranden als individuelle Persönlichkeiten und selbstständig denkende Menschen wahrzunehmen und auf sie einzugehen. In der Wissenschaft ist stets die eigene Kreativität gefragt, jeder Mensch verhält sich da anders. Außerdem bekommt jede Doktorandin und jeder Doktorand ein anderes Forschungsthema, und allein das erfordert im Allgemeinen eine ganz unterschiedliche Unterstützung.

Natalia Kliewer: Wichtig ist natürlich zunächst die gemeinsame inhaltliche Arbeit an den Forschungsthemen, die die Substanz und das Zentrum der Betreuung ausmacht. Dazu kommt dann immer wieder: den Doktoranden Orientierung zu geben. Man hat es mit jungen Forschern zu tun, die ihre ersten Schritte ins wissenschaftliche Arbeiten machen. Als Betreuer hat man da auch eine Art Lotsen- und Orientierungsfunktion.

Wie kann man diese Orientierung geben?

Kliewer: Das fängt schon bei der Themensuche an: Was ist ein spannendes Thema? Wie kann ich das Thema bearbeiten, damit es tatsächlich als drei-, vierjähriges Promotionsprojekt trägt? Bei solchen Fragen können die Betreuer Unterstützung geben. Auch im Laufe der Promotion tauchen immer wieder Unsicherheiten auf: Wird das Thema vielleicht bereits woanders erforscht? Habe ich die richtigen Methoden ausgewählt? Habe ich meine These empirisch genug abgesichert? Und vieles mehr. Ich hoffe, dass die Doktoranden mit diesen Unsicherheiten dadurch besser zurechtkommen, dass sie durch die Betreuung Orientierung erhalten. In jeder Promotion kommt garantiert irgendwann eine schwierige Phase. Dann ist es ganz wichtig, da zu sein, Halt zu geben und zum Weitermachen zu motivieren.

Was macht ein gutes Betreuungsverhältnis aus?

Klein: Das Wichtigste ist, den Doktoranden auf Augenhöhe zu begegnen und sie nun, da sie einen Hochschulabschluss haben und nachweisen sollen, dass sie selbstständig wissenschaftlich arbeiten können, auch entsprechend zu behandeln. Das heißt, sie als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ernst zu nehmen. Am Anfang ist das natürlich noch schwierig, jeder braucht eine Weile, um sich in einem Projekt zurecht zu finden. Aber man sollte diese Grundhaltung von vornherein einnehmen und den Promovenden vermitteln: Ich bin Ihr Gesprächspartner und nicht Ihr Lehrer. Schwierigkeiten und Kritik sollten Doktoranden offen ansprechen dürfen, und sie müssen dann sicher sein können, , dass mit dieser Kritik konstruktiv verfahren wird. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass es den Promotionsstudenten manchmal hilft, sich nicht nur mit dem Betreuer auszutauschen. Heutzutage gibt es in den Graduiertenprogrammen häufig zwei Betreuer und dazu noch Mentoring-Programme, durch die den Promovierenden eine weitere Person zur Seite gestellt wird, die sie in ihren Belangen jenseits der wissenschaftlich-inhaltlichen Forschung berät.

Kliewer: Ein gutes Betreuungsverhältnis bedeutet vor allem Vertrauen und offenen Umgang – wenn die Promovenden mit ihren Fragen aller Art, seien es fachliche, formale oder auch mal private Probleme, offen und direkt auf mich zukommen. Ich möchte auch dazu ermutigen, sich die Betreuung ein Stückweit selbst abzuholen, sollten sie mal den Eindruck haben, dass das in der Vielzahl der Verpflichtungen ihres Doktorvaters oder ihrer Doktormutter unterzugehen scheint.

Wie oft treffen Sie Ihre Doktoranden zu gemeinsamen Besprechungen?

Kliewer: Abgesehen von regelmäßigen individuellen Besprechungen hat es sich bei uns in der Arbeitsgruppe etabliert, zweimal im Jahr im Doktorandenkolloquium vorzutragen. Dort stellen die Promotionsstudenten ihren Fortschritt vor und bekommen so Feedback nicht nur von mir, sondern vom ganzen Team. Einmal im Jahr reisen wir gemeinsam zu einem hochschulübergreifenden Doktoranden-Workshop, in dem man sich mit fachlich nahen Wissenschaftlern anderer Universitäten austauschen und vernetzen kann. Neben dem „formalen“ Betreuungsprozess begegnet man sich natürlich immer wieder an der Kaffeemaschine, was häufig eine gute Gelegenheit für einen spontanen Ideenaustausch bietet!

Klein: Ich habe die Grundregel, dass ich Terminwünsche binnen einer Woche erfülle – in 95 Prozent der Fälle gelingt das. Ansonsten mache ich das sehr unterschiedlich: Es gibt Doktoranden, die sehe ich alle drei Monate, andere einmal in der Woche. Das kommt auf das Projekt an, auf die Bedürfnisse und darauf, in welcher Phase der Arbeit jemand gerade steckt. Typischerweise ist die Betreuung zu Beginn der Promotion und am Ende etwas enger, aber auch das ist unterschiedlich.

Frau Kliewer, Sie haben 2005 an der Universität Paderborn promoviert. Haben Sie sich gut betreut gefühlt?

Kliewer: Ich habe eine hervorragende Betreuung genossen und hoffe, dass ich etwas davon weitergeben kann. Meine Doktormutter Leena Suhl – Professorin für Wirtschaftsinformatik und Operations Research – hat es geschafft, neben der inhaltlichen Betreuung auch als akademische Mentorin zu fungieren. Sie hat vor allem eine sehr motivierende, fördernde Atmosphäre an ihrem Lehrstuhl geschaffen. Daran orientiere ich mich sehr stark.

Herr Klein, wie war das bei Ihnen? Sie wurden 1988 an der RWTH Aachen mit summa cum laude promoviert.

Klein: Ich war einer von denen, die ihren Betreuer einmal im halben Jahr gesehen haben – und fühlte mich gut betreut! An zwei, drei kritischen Punkten hatte ich das Gefühl, ich brauche jetzt ein Gespräch. Und dann war mein Betreuer Professor Norbert Peters, seines Zeichens Verbrennungs- und Turbulenzforscher, jedes Mal da, hat sich auf das Problem eingelassen und es mit mir zusammen durchdacht. Da hatte ich dieses Gefühl: Wir sind Gesprächspartner und suchen gemeinsam nach einer Lösung. Norbert Peters ist als Doktorvater mein großes Vorbild.

Was ist bei der Promotion heute anders als damals?

Kliewer: Heute geht es noch stärker darum, möglichst früh eigene Forschungsergebnisse auf internationalen Konferenzen und in Zeitschriften zu publizieren.

Klein: Die Projektmittel sind heutzutage an verschiedene Bedingungen geknüpft, sodass heute zwangsläufig anders promoviert wird als früher. In den achtziger Jahren hat man im Allgemeinen mit einer spezifischen Fragestellung und einem Forschungsprogramm im Kopf Drittmittel eingeworben, und daran orientierte sich die Dissertation sehr stark. Das ist heute oft anders: So sind etwa Stipendienprogramme von Anfang an viel offener gestaltet. Bei der Definition des endgültigen Themas sind die Doktoranden dabei viel mehr selbst gefragt. Das ist eine Dimension, die es früher zumindest in meinem Arbeitsbereich nur ganz selten gab.

Die Fragen stellte Verena Blindow