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„Hören spielt in meinem Leben keine Rolle“

Hinweis: Die Veranstaltung „Gehör verschaffen – Repräsentation von tauben (gehörlosen) Menschen in der Politik“ wurde wegen der Unwetterwarnung abgesagt

05.12.2013

Kämpft dafür, Vorurteile und Barrieren abzubauen: die Politikwissenschaftsstudentin Swantje Marks

Kämpft dafür, Vorurteile und Barrieren abzubauen: die Politikwissenschaftsstudentin Swantje Marks
Bildquelle: Annika Middeldorf

Es gibt Situationen, in denen wird Swantje Marks bewusst, dass sie zu einer Minderheit gehört. Zum Beispiel, wenn die S-Bahn unerwartet stehenbleibt und die Erklärung für den abrupten Stopp nur über Lautsprecher bekanntgegeben wird. „Das sind Barrieren, die ich nicht vermeiden kann“, sagt sie. Swantje Marks ist von Geburt an taub und teilt damit das Schicksal von mehr als 80.000 Menschen in Deutschland – ein Schicksal, das häufig den Ausschluss vom gesellschaftlichen Leben bedeute, sagt die Sozialkundestudentin. Um für mehr Barrierefreiheit zu werben, hat sie die Veranstaltung „Gehör verschaffen – Repräsentation von tauben (gehörlosen) Menschen in der Politik“ an der Freien Universität organisiert.

„Während andere Menschen etwa kulturelle Veranstaltungen überall und aus vielen Angeboten nach individuellen Bedürfnissen aussuchen und genießen können, müssen Taube dafür oft in eine andere Stadt fahren“, erklärt Marks. Dass sie selbst für eine Veranstaltung von Berlin nach Bonn oder Bremen reist, ist für sie fast normal. Weil die Gemeinschaft der Tauben relativ klein ist, nähmen die Betroffenen weite Wege auf sich, um Menschen zu treffen, mit denen sie sich identifizieren können.

„Die Tauben-Gemeinschaft hat eine eigene Sprache und Kultur“, sagt Swantje Marks. Sie selbst zieht den Begriff „taub“ gegenüber „gehörlos“ vor, weil er weniger „defizitorientiert“ sei. „Blinde werden auch nicht als ‚sehlos‘ bezeichnet“, sagt die Studentin, die Gebärdensprache- und Audiopädagogik als Kernfach an der Humboldt-Universität und als Zweitfach Sozialkunde an der Freien Universität studiert. An den Universitäten hat sie immer wieder Hinweise auf Veranstaltungen gesehen, in denen die Kulturen anderer Länder diskutiert werden. Warum also nicht einmal eine Veranstaltung für die Kultur der Gehörlosen ins Leben rufen, habe sie sich gedacht. Der Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität, an dem Swantje Marks studiert, habe die Idee begeistert aufgegriffen und sie bei der Umsetzung unterstützt.

„Gehör verschaffen – Repräsentation von tauben (gehörlosen) Menschen in der Politik“

„Gehör verschaffen – Repräsentation von tauben (gehörlosen) Menschen in der Politik“ lautet der Titel der Veranstaltung, die am heutigen Donnerstag stattfindet. An der Diskussionsrunde, die an verschiedene Vorträge anschließt, nimmt auch der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung in Berlin Jürgen Scheider teil. Das Programm wird durchgehend von Gebärdendolmetschern begleitet.

Swantje Marks hält Aufklärung für zentral auf dem Weg zu einer barrierefreien Gesellschaft: „Jeder Mensch ist einzigartig und sollte nicht wegen seiner Identität beeinträchtigt werden.“ Das Hören spiele in ihrem Leben schlichtweg keine Rolle, sagt sie: „Für die meisten sind Geräusche im Alltag sehr wichtig. Ich aber lebe mit einer visuellen und taktilen, also auf dem Tastsinn beruhenden Wahrnehmung.“ Oft erlebe sie, dass Menschen unsicher reagieren oder sich von ihr abwenden, sobald sie ihre Taubheit bemerken. Dabei gebe es viele Kommunikationswege, zum Beispiel Schriftsprache oder Gestik: „Leider sind sich viele darüber nicht bewusst.”

Gemeinsames Ziel: Barrieren abbauen

Einer der Vortragenden bei der Veranstaltung an diesem Donnerstag ist Martin Zierold, Dozent für Gebärdensprache. Ihn kennt Swantje Marks seit mehr als zehn Jahren und hat zuletzt eines seiner Seminare zum Thema Politik und Menschenrechte in Budapest besucht, das von der Organisation European Deaf Youth und dem Europarat veranstaltet wurde. Zierold, selbst betroffen, spricht zum Thema „Partizipation tauber Menschen in der Politik“. Er selbst ist schon lange politisch aktiv. Anlass dafür sei die Kommunikationsbarriere zwischen dem gesprochenen Deutsch und der deutschen Gebärdensprache gewesen. Heute setzt sich Zierold in der Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Mitte unter anderem dafür ein, dass Barrierefreiheit und deren Umsetzung ein fester Posten in der Haushaltsplanung aller Gremien werden. Martin Zierold möchte – wie Swantje Marks – dazu beitragen, das Bewusstsein für das Thema innerhalb der Gesellschaft und vor allem bei Entscheidungsträgern zu schärfen: „Es wäre wichtig, dass alle versuchen, Barrieren abzubauen.“

Weitere Informationen

„Gehör verschaffen – Repräsentation von tauben (gehörlosen) Menschen in der Politik“

Zeit und Ort / Hinweis: Die Veranstaltung wurde kurzfristig wegen der Unwetterwarnung abgesagt.

  • Donnerstag, 5. Dezember 2013, 18.30 bis 20.30
  • Freie Universität Berlin, Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft, Ihnestr. 21, Seminarraum A (U-Bhf. Thielplatz, U 3)

Der Abend wird durchgehend von GebärdendolmetscherInnen begleitet.

Programm

Einleitung: Swantje Marks, (Studierende)

Inputvorträge:

Katja Fischer: Empowerment in der Gebärdensprachgemeinschaft (www.katjafischer.de)

Martin Zierold: Partizipation tauber Menschen in der Politik (http://martin-zierold.de)

Anschließende Podiumsdiskussion mit den Referenten und Dr. Jürgen Schneider, Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung in Berlin.

Moderation: Olga Rogachevskaya.