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Spott-Attacken im Internet

Psychologen der Freien Universität trainieren mit Schülern Strategien gegen Cyber-Mobbing

24.03.2011

Seiten der sozialen Netzwerke SchülerVZ, Facebook und seit neuestem auch iShareGossip werden von Jugendlichen regelmäßig besucht.

Seiten der sozialen Netzwerke SchülerVZ, Facebook und seit neuestem auch iShareGossip werden von Jugendlichen regelmäßig besucht.
Bildquelle: David Mayer

An der Ulrich-von-Hutten-Oberschule in Berlin-Lichtenrade diskutiert Psychologin Anne Siebenbrock von der Freien Universität mit Jugendlichen über Mobbing im Netz – und entwickelt mit ihnen Wege, wie man sich dagegen wehren kann. Die Wissenschaftlerin lässt die Schüler Cyber-Mobbing-Fälle in Rollenspielen darstellen, damit sie sich in die Sichtweisen von Opfer, Täter und Helfer versetzen können.

Jack liegt im Bett und weint. Ein SMS-Ton kündigt eine neue Nachricht an. Der 14-Jährige kramt sein Handy aus der Hosentasche, lässt es gleich wieder auf den Boden fallen. „Du Loser“, hat ihm sein ehemaliger Kumpel Jones geschrieben. Schon am Vortag hatten alle in der Schule Jack ausgelacht – Freunde, Mitschüler, allen voran Jones. Der Grund: Im Internet-Netzwerk Facebook kursierten unvorteilhafte und für einen Teenager enorm peinliche Bilder des Schülers. Nach einem Streit um ein Mädchen hatte Jones die Fotos in den Umlauf gegeben.

Szenarien durchspielen

Passiert ist diese Geschichte so in Wirklichkeit nicht – zumindest nicht an der Ulrich-von-Hutten-Oberschule in Berlin-Lichtenrade. In der beschriebenen Szene stellen Schüler der achten Klasse in einem Rollenspiel dar, wie ein mögliches Szenario von Cyber-Mobbing aussehen könnte. Diplom-Psychologin Anne Siebenbrock hatte die Schüler aufgefordert, sich in die Lage von Täter und Opfer zu versetzen.

Cyber-Mobbing ist eine Form von Gewalt, bei der eine Person im Internet bedroht, beleidigt oder belästigt wird“, sagt Siebenbrock. Einen ganzen Schultag lang klärt die Psychologin mit Unterstützung der Ethik-Lehrerin Margrit Duppel-Pelster die Achtklässler darüber auf, wie sie sich gegen solche Attacken wehren können. Zunächst definieren die Jugendlichen mit der Expertin und der Lehrerin gemeinsam und an Fallbeispielen, was unter Cyber-Mobbing fällt: Wie wäre es, wenn alle meine Freunde auf Facebook meine Freundschaftsanfrage ablehnten? „Verletzend“, druckst ein Schüler. „Was sind für euch die schlimmsten Fälle von Cyber Mobbing?“, will die Psychologin wissen. Nach anfänglichem Gekicher arbeiten die Heranwachsenden mit immer mehr Engagement und Freude mit, Arme schnellen in die Höhe: „Drohungen, die sich häufen“, sagt der eine. „Peinliche Fotos“, ruft seine Mitschülerin.

Der Austausch in sozialen Netzwerken gehört für die Jugendlichen zum Alltag

Die Achtklässler wissen gut Bescheid: Fast alle von ihnen sind bei Facebook oder beim deutschen Pendant SchülerVZ unterwegs. Auch auf der noch relativ neuen Website iShareGossip kennen sich die Jugendlichen gut aus: Dort sind deutsche Schulen gelistet, jeder kann anonym Klatsch verbreiten und über Lehrer und Mitschüler herziehen. „Über mich wurde da auch schon geschimpft“, gesteht eine Schülerin, „aber ich habe nur darüber gelacht, auch weil ich gleich von Freunden verteidigt wurde.“

Tipp der Expertin: Online-Profil aus der Google-Suchmaske entfernen

Die Läster-Attacken einfach weglachen – das gelingt nicht jedem. In Berlin wurde gerade ein 17-Jähriger brutal zusammengeschlagen, als er versuchte, die Cyber-Mobber seiner Freundin zu stellen. Was für manchen vermeintliche Scherze sind, brachte den couragierten jungen Mann auf die Intensivstation. Damit es nicht soweit kommt, lernen die Schüler der Ulrich-von-Hutten-Oberschule, sich an die Stelle der Opfer, Mitschüler, Eltern und Lehrer zu versetzen und wie man gegen Internetangriffe angehen und den Leidenden helfen kann. Dazu gehört auch, die notwendigen Facebook-Einstellungen zu beherrschen: Den Zugriff auf persönliche Informationen und Bilder auf ausgewählte Freunde zu beschränken und das eigene Online-Profil aus der Google-Suchmaske zu entfernen.

Konfliktlösung im Rollenspiel

Mittlerweile hat auch die Bundesregierung reagiert und iShareGossip auf die Schwarze Liste der verbotenen Internetseiten gesetzt. Das heißt allerdings nur, dass die Seite nicht mehr bei Google zu finden ist. Die Server der anstößigen Seite stehen in Schweden, außer Reichweite der deutschen Justiz – Cyber-Mobbing wird also weiterhin für Konflikte im Klassenzimmer sorgen. An der Ulrich-von-Hutten-Oberschule machen die Achtklässler im Rollenspiel schon einmal vor, wie man sie lösen könnte: Auf Anregung einer Mitläuferin beruft die Klassenlehrerin ein klärendes Gespräch ein – in dessen Verlauf geben die Cyber-Mobber ihr gemeines Verhalten zu, und Jack und Jones sind wieder Freunde.