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Kunstgeschichte 2.0

An der Freien Universität werden die Grundlagen der Kunstgeschichte online gelernt

23.09.2008

Digitale Lektionen: E-Learning bietet Studenten die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, wann und wo sie lernen.

Digitale Lektionen: E-Learning bietet Studenten die Möglichkeit, selbst zu bestimmen, wann und wo sie lernen.
Bildquelle: Fotolia / Edyta Pawlowska

In dreißig multimedialen Lektionen wird die Geschichte der Kunst im Wandel ihrer Funktionen gelehrt. Das Online-Programm ist Pflichtmodul in der Einführungsphase des Bachelor-Studiengangs Kunstgeschichte. Tutorien ergänzen das Online-Lernen.

Die Geschichte der Kunst studieren: Das klingt nach einer Mammutaufgabe. So als müsste man bis zur letzten Eiszeit zurückgehen, als Steinzeitmenschen auf Höhlenwände mit Erdfarben Bisons und Bären malten. Als der Mensch begann, die eigenen Erlebnisse in Bildern festzuhalten und dauerhaft sichtbar machte, was vorher nur flüchtig existent war. Das klingt so, als würde ein Leben dafür kaum ausreichen. Als müsste man alles erkunden, was der Mensch, seitdem es ihn gibt, gemalt, gebaut, in Bronze gegossen oder in Stein gehauen hat.

Der Weg zum Kunsthistoriker ist aber endlich. Nach sechs Semestern ist mit dem Bachelor der erste berufsqualifizierende Abschluss erreicht. Der Einstieg ins Studium findet am Kunsthistorischen Institut der Freien Universität seit 2005 nicht nur in Seminarräumen und vor Originalen statt, sondern auch online. Das unter der Leitung von Professor Werner Busch entwickelte Online-Programm ist Pflichtmodul in der Einführungsphase des Bachelor-Studiengangs Kunstgeschichte. Fast scheint es erstaunlich, dass elektronisch unterstütztes Lernen, E-Learning genannt, in einem Fach angewendet wird, bei dem man altehrwürdige Bibliotheken mit Regalen voller leicht angestaubter, atlantengroßer Kunstbände vor Augen hat. „Das Programm bietet einen klaren Vorteil gegenüber einem Buch“, sagt Maximilian Benker, Ansprechpartner für das E-Learning-Projekt am Kunsthistorischen Institut. „Allein die Menge an Bildern, die online angesehen werden kann, ist für das Fach wesentlich.“

Verpackt in 30 multimediale Lektionen wird Kunst von frühchristlichen Mosaiken über gotischen Kathedralbau bis zu Industriedesign digital vermittelt - immer unter dem Blickwinkel der Funktion eines Kunstwerkes: Welchen Zweck erfüllte es? Wer hat es warum so und nicht anders gemacht, gebraucht oder verstanden? Und warum diente es plötzlich neuen Zwecken? Daher auch der Titel des passwortgeschützten Lernprogramms: „Geschichte der Kunst im Wandel ihrer Funktionen“. Zugleich wird Kunst von einem Kunst-um-der-Kunst-Willen-Verständnis befreit, das im 19. Jahrhundert bei Schriftstellern wie Gustave Flaubert, Charles Baudelaire oder Oscar Wilde hoch im Kurs stand.

Jede Lektion besteht aus Einleitung, Zusammenfassung, einer 50 bis 80 Webseiten umfassenden Lerneinheit und Musterfragen zur Lernkontrolle. Literaturangaben und Links bieten die Möglichkeit, über den Pflichtteil hinaus Themen zu vertiefen: alles unabhängig von Ort und Zeit. Im Wintersemester geht es um Malerei und Skulptur, im Sommersemester um Architektur.

Ergänzend gibt es ein Tutorium, bei dem Studierende höherer Fachsemester und Dozenten wöchentlich als Ansprechpartner bereitstehen und aus dem Online-Lernen ein kommunikatives Miteinander machen. „Da die Struktur des Bachelor-Studiums in großen Teilen vorgegeben ist, ist es ein echter Vorteil, wenn man selbstbestimmt den E-Learning-Kurs dem eigenen Tagesrhythmus anpassen kann“, sagt Moritz Stange, der im zweiten Semester Kunstgeschichte studiert und ein Modul bereits erfolgreich abgeschlossen hat. Am Ende des Semesters wird „ganz altmodisch“ eine Klausur geschrieben.

„Unter Kunstgeschichte stellen sich viele irrtümlich etwas Künstlerisch-Praktisches vor. Mithilfe der Lektionen kann jeder für sich schnell erkennen, ob das Studienfach einem liegt oder nicht“, sagt Ulrike Boskamp, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunsthistorischen Institut.

Für das Lernprogramm haben zahlreiche Wissenschaftler Beiträge verfasst, die anschließend für die Online-Nutzung didaktisch aufbereitet wurden. Wer Monumentalmalerei in kirchlichen Innenräumen anklickt, kann sich per Audiofile eine Bildbeschreibung über die Arena-Kapelle in Padua anhören, beliebig oft unterbrechen oder wiederholen und zeitgleich Detailansichten des Freskenprogramms vergrößern. Die Wissensvermittlung über Bilder hat Vorrang vor dem Text.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte E-Learning-Programm ist chronologisch aufgebaut, Wissen wird aufeinander aufbauend seitenweise vermittelt. Dennoch hat der Nutzer die Möglichkeit, die chronologische Struktur zu unterbrechen und „abzuschweifen“.

In den vergangenen Semestern haben pro Jahrgang zwischen 100 und 130 Bachelor-Studierende an dem E-Learning-Programm teilgenommen. Zurzeit entwickelt die Abteilung Ostasiatische Kunstgeschichte einen weiteren Online-Kurs.