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Für die elegante Weltläufigkeit ihrer Forschung

Feierliche Ehrung: Die Arabistin Beatrice Gründler von der Freien Universität ist mit dem Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis 2017 ausgezeichnet worden

24.03.2017

Eine Ehre: Peter Strohschneider, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft überreicht Beatrice Gründler den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis 2017.

Eine Ehre: Peter Strohschneider, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft überreicht Beatrice Gründler den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis 2017.
Bildquelle: DFG/Ausserhofer

Die Preisträgerinnen und Preisträger des Leibniz-Preis 2017 mit der Bundesministerin für Bildung und Forschung Johanna Wanka (1. Reihe, 2. v. r.), links neben ihr Bremens Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt und DFG-Präsident Peter Strohschneider

Die Preisträgerinnen und Preisträger des Leibniz-Preis 2017 mit der Bundesministerin für Bildung und Forschung Johanna Wanka (1. Reihe, 2. v. r.), links neben ihr Bremens Wissenschaftssenatorin Eva Quante-Brandt und DFG-Präsident Peter Strohschneider
Bildquelle: DFG/Ausserhofer

Beatrice Gründler zückt ihr Handy, öffnet eine Bilddatei, zieht mit Daumen und Zeigefinger über das Display und vergrößert den Bildausschnitt. Zu sehen sind nun schwungvolle Linien, filigran gezeichnet: jahrhundertealte arabische Schriftzeichen. „Ist das nicht faszinierend?“, fragt die Wissenschaftlerin. Vergessen scheint in diesem Moment, dass es ihr Tag ist: der Tag, an dem die 52-Jährige als eine von acht weiteren Forscherinnen und Forschern mit einem Leibniz-Preis gewürdigt wird. In der Wissenschaft gilt die Auszeichnung als Ritterschlag: Mit 2,5 Millionen Euro ist es der höchstdotierte Wissenschaftspreis Deutschlands.

„Nicht ganz kleines Geld“, sagte Peter Strohschneider, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis seit 1986 auslobt. Ermöglichen solle er den Preisträgerinnen und Preisträgern, „auch das Undenkbare zu denken“. Beatrice Gründler weiß bereits, in welche bislang ungedachten Welten sie mit dem Preisgeld vorstoßen möchte: Mit Unterstützung von Expertinnen und Experten möchte sie die weltweit erste wissenschaftliche Online-Edition der aus dem 6. Jahrhundert stammenden Fabelsammlung „Kalila und Dimna“ realisieren. „Seinerzeit wurde die Sammlung in fast 40 Sprachen übersetzt. Aber heute ist sie nahezu vergessen. Ich möchte sie einer Leserschaft zurückerobern“, so die Preisträgerin, die seit 2014 als Professorin am Seminar für Semitistik und Arabistik der Freien Universität lehrt und forscht.

Dass Beatrice Gründler mehr als eine Pionierin in ihrem Fach ist, betonte DFG-Chef Strohschneider in seiner Laudatio. Gründler sei eine Forscherin, die Wissenschaft auf außerordentlichem Niveau betreibe, sie aber auch als Auftrag verstehe, gegen jene Formen von Populismus, Ressentiment und Xenophobie anzuarbeiten, die Zusammenhalt und Grundlagen einer offenen Gesellschaft heute in Frage stellten, sagte Peter Strohschneider. Überzeugt zeigte sich der DFG-Präsident auch von Beatrice Gründlers Talent, „elegante Weltläufigkeit und analytische Virtuosität“ in ihren Arbeiten gekonnt miteinander zu verknüpfen.

Ihr Forschungsgebiet erstreckt sich über drei Kontinente und 14 Jahrhunderte

Beim feierlichen Empfang gab es viele strahlende Gesichter: Hier die Kanzlerin der Freien Universität Andrea Bör, Leibniz-Preisträgerin Beatrice Gründler und Arabistin Isabel Toral-Niehoff.

Beim feierlichen Empfang gab es viele strahlende Gesichter: Hier die Kanzlerin der Freien Universität Andrea Bör, Leibniz-Preisträgerin Beatrice Gründler und Arabistin Isabel Toral-Niehoff.
Bildquelle: DFG/Ausserhofer

Die Kanzlerin der Freien Universität Andrea Bör und Günter Ziegler. Der Mathematikprofessor der Freien Universität wurde 2001 mit dem Leibniz-Preis geehrt.

Die Kanzlerin der Freien Universität Andrea Bör und Günter Ziegler. Der Mathematikprofessor der Freien Universität wurde 2001 mit dem Leibniz-Preis geehrt.
Bildquelle: DFG/Ausserhofer

Gründlers Anliegen ist es, die Geschichte eines kulturellen Netzwerkes von Indien bis Europa aufzuzeigen und an die Bedeutung des Arabischen, einst die Stimme vieler Menschen unterschiedlicher ethnischer und religiöser Herkunft, zu erinnern. Damit erstreckt sich Gründlers Forschungsgebiet, die arabische Literatur der Vormoderne, über drei Kontinente – Europa, Nordafrika, West- und Zentralasien – und 14 Jahrhunderte. „Besonders heute, in einer Zeit, in der viele Menschen aus dem Nahen Osten hier zu Bürgern werden, ist es wichtig, dass auch ihre Kultur hier bekannt und zuhause ist“, sagt Beatrice Gründler.

Neben der Arabistin wurde an diesem Nachmittag ein weiterer Berliner Wissenschaftler mit dem Leibniz-Preis geehrt: Ralph Hertwig vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Honorarprofessor an der Freien Universität wurde für seine Arbeiten zur Psychologie menschlichen Urteilens und Entscheidens gewürdigt. Das Preisgeld von 2,5 Millionen Euro können die Wissenschaftler bis zu sieben Jahre lang nach ihren eigenen Vorstellungen und ohne bürokratischen Aufwand für ihre Forschungsarbeit verwenden. Seit 1987 erhielten 18 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität den Leibniz-Preis.

Insgesamt wurden in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften neun statt der Anfang Dezember 2016 verkündeten zehn Leibniz-Preise vergeben. Die Auszeichnung einer Materialwissenschaftlerin musste kurzfristig ausgesetzt werden, weil die DFG einen anonym eingegangenen Hinweis im Zusammenhang mit Forschungsarbeiten Nestlers ergebnisoffen prüfen will.

Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, betonte in ihrem Grußwort, dass die Gesellschaft Forscher brauche, die mit Freude, Ausdauer, Kreativität, Mut und Leidenschaft ihrer Arbeit nachgehen. Das sei heute von besonderer Bedeutung, weil das Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft weniger selbstverständlich sei als noch vor einigen Jahren. Das Aufzeigen komplexer Zusammenhänge als Grundlage für kritische Beurteilungskompetenz sei deshalb besonders wichtig, so Johanna Wanka. Für Beatrice Gründler, die den Nachmittag mit Familie, Freunden, Kolleginnen und Kollegen aus Wissenschaft und Forschung feierte, ist dieser Auftrag ganz offensichtlich keine Bürde, sondern mit Freude verbunden.