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Alternativen zu Tierversuchen

5. Dezember, 19 Uhr: Öffentliches Forum an der Freien Universität zu Tierschutz in der medizinischen Forschung

02.12.2016

„Modernste Technologien in der biomedizinischen Forschung – wozu braucht es Tierversuche?“ ist der Titel des dritten Tierschutzforums.

„Modernste Technologien in der biomedizinischen Forschung – wozu braucht es Tierversuche?“ ist der Titel des dritten Tierschutzforums.
Bildquelle: Anthony Bradshaw

Professorin Monika Schäfer-Korting ist Pharmakologin und Erste Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin.

Professorin Monika Schäfer-Korting ist Pharmakologin und Erste Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: Bernhard Wannenmacher

Sowohl Wissenschaft als auch Politik haben erkannt, dass es wichtig ist, Alternativen zu Tierversuchen zu entwickeln. Im neuen Berliner Koalitionsvertrag steht: „Berlin soll Hauptstadt der Erforschung von Alternativen zu Tierversuchen werden.“ An der Freien Universität wird Berlins erste Universitätsprofessur zur Erforschung von Ersatzmethoden für Tierversuche eingerichtet. Zudem ist die Berlin-Brandenburger Forschungsplattform „BB3R“ zu Forschungen über Alternativmethoden an der Freien Universität  angesiedelt. Im Rahmen der Vortragsreihe über Tierschutz in der medizinischen Forschung findet kommenden Montag, 5. Dezember, ein Forum zum Thema „Modernste Technologien in der biomedizinischen Forschung – wozu braucht es Tierversuche?“ statt. Die Veranstaltung wird gemeinsam von der Freien Universität, der Charité – Universitätsmedizin Berlin und dem Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft organisiert. Campus.leben sprach mit Professorin Monika Schäfer-Korting, Erste Vizepräsidentin der Freien Universität und BB3R-Sprecherin.

Frau Professorin Schäfer-Korting, kommende Woche findet die dritte jährliche Vortragsveranstaltung des Tierschutzforums statt. Was erwartet die Besucher?

Auf der einen Seite wollen wir zeigen, was bereits mit Alternativmethoden zu Tierversuchen möglich ist. Auf der anderen Seite wollen wir zeigen, wo die Grenzen liegen, welche Tierversuche nötig sind und wie diese richtig durchgeführt werden. Hierfür haben wir zwei Referenten eingeladen, die sich den beiden Themen widmen werden. Der Titel des Vortrags von Professorin Ellen Fritsche, Wissenschaftlerin am IUF-Leibniz Institut für umweltmedizinische Forschung in Düsseldorf, lautet „Modellierung der menschlichen Gehirnentwicklung in der Kulturschale als Grundlage für In-vitro-Toxizitätstestungen: Erfolge und Limitierungen“. Anhand von Modellen von sich entwickelnden Gehirnen in der Zellkultur prüft Ellen Fritsche, welche Chemikalien giftig auf Nervengewebe wirken, also die Gehirnentwicklung stören. Sie wird aufzeigen, dass in diesem Bereich bereits vielfach auf Tierversuche verzichtet werden kann.

Prof. Gary Lewin vom Max-Delbrück-Centrum wird in seinem Vortrag zum Thema „Entwicklung neuer Schmerzmittel – auch ohne Tierversuche möglich?“ ein Forschungsfeld beschreiben, in dem Tierversuche weiterhin nötig sind. Er wird über die Entwicklung von Schmerzmitteln sprechen, wie weit man ohne Tierversuche forschen kann und wo der Tierversuch letztendlich gebraucht wird, denn Schmerz kann nur ein Lebewesen empfinden und nicht eine Zellkultur. Viele Reaktionen können jedoch vorweg mit Zellkulturen getestet werden, beispielsweise, ob eine bestimmte Substanz eine Entzündung hemmt und damit wahrscheinlich auch entzündungsbedingten Schmerz. Dadurch können bereits als unzureichend wirksam erkannte Substanzen von Tierversuchen ausgeschlossen werden. Zudem kann der Versuch so gestaltet werden, dass das Tier bestmöglich geschont wird.

Richtet sich das Forum ausschließlich an ein Fachpublikum?

Ganz im Gegenteil. Die Veranstaltung ist für die breite Öffentlichkeit. Jeder ist herzlich eingeladen zu kommen, mit den Referenten zu diskutieren und sich davon zu überzeugen, dass Tierversuche, soweit sie sein müssen, lege artis gemacht werden, das Tier also so weit wie möglich geschont wird.

Alternativen zu Tierversuchen sind sogar Thema im neuen Berliner Koalitionsvertrag. Was bedeutet das für die Forschung?

Es ist ein wunderbarer Ansporn, dass das Thema im neuen Koalitionsvertrag nachdrücklicher ausgesprochen ist als zuvor. Das zeigt, dass es an Sichtbarkeit gewinnt, und die nutzt uns auch in der Forschung. Eine größere Sichtbarkeit motiviert zur Beteiligung an der Forschung und könnte auch zur Einwerbung von Drittmitteln führen.

An der Freien Universität wird seit mehreren Jahren intensiv zu alternativen Methoden zu Tierversuchen geforscht. Wo stehen wir momentan?

Die Entwicklung verläuft zunehmend stürmisch, was auch daran liegt, dass die Verbünde größer werden. Als ich 1994 an die Freie Universität kam, war ich dort offenbar die einzige Wissenschaftlerin, die auf diesem Gebiet tätig war. Inzwischen haben wir zwei Juniorprofessuren allein in meinem Bereich.

Einen großen Schritt sind wir gegangen, als die Freie Universität vor zwei Jahren den BMBF-geförderten Berlin-Brandenburger Forschungsverbund „BB3R“ eröffnet hat. Die drei R stehen für die englischen Begriffe Reduction, Refinement und Replacement. Das heißt, es geht um Forschungen zu Alternativmethoden in der Region, mit denen Tierversuche reduziert, schonender gestaltet beziehungsweise ganz ersetzt werden sollen. Professor Roland Lauster am Institut für Biotechnologie der Technischen Universität Berlin versucht, Kulturen verschiedener Organe auf einem kleinen Chip zu kombinieren (organ-on-the-chip), einen Blutkreislauf zu simulieren und dadurch die Interaktion der einzelnen Organe aufzuzeigen. Robert Preissner von der Charité – Universitätsmedizin Berlin erstellt eine toxikologische Datenbank, um – ohne die Substanz überhaupt in der Hand haben zu müssen – vorherzusagen, welche Giftigkeit sie auslösen kann. An einer Datenbank, mit der die Wirkungen vorausgesagt werden können, also nicht die Giftigkeit, sondern erwünschte Effekte, arbeiten Professor Gerhard Wolber vom Institut für Pharmazie der Freien Universität und Juniorprofessorin Andrea Volkamer von der Charité. Ich könnte noch weitere Beispiele nennen.

Können Tierversuche irgendwann gänzlich ersetzt werden?

Das kommt darauf an. Im Rahmen der Toxikologie, beispielsweise bei Umweltsubstanzen, mag das funktionieren. Wenn das Risiko, mit einer Chemikalie in Kontakt zu kommen, extrem gering ist, braucht man nicht an einem Tier zu testen. Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel, also Substanzen, die definitiv von Menschen aufgenommen werden, müssen aber sehr gründlich untersucht werden, um möglichst jedes Restrisiko auszuschließen. Wenn aber die Testung mit der Alternativmethode beginnt, können bereits risikoreiche oder nicht effektive Substanzen ausgeschlossen werden und nur vielversprechende wird man noch im Tierversuch testen. Bei der Arzneimittelentwicklung wird es ohne Tierversuche nicht gehen.

Die Fragen stellte Marina Kosmalla

Weitere Informationen

Zeit und Ort

  • Montag, den 5. Dezember 2016, 19.00 Uhr
  • Neubau Kleine Fächer (Holzlaube), Seminarraum 0.2051, Fabeckstraße 23/25, 14195 Berlin

Die Veranstaltung ist öffentlich, der Eintritt frei. Um formlose Anmeldung wird gebeten: vp1@fu-berlin.de.

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