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Vielfalt ist der beste Dienstleister

Forscher der Freien Universität veröffentlichen Untersuchungen zu Artenvielfalt

17.11.2016

Grünlandfäche im Exploratorium Hainich-Dün mit eingezäunter Wettermessstation.

Grünlandfäche im Exploratorium Hainich-Dün mit eingezäunter Wettermessstation.
Bildquelle: Ilja Sonnemann

Wie wirkt sich Biodiversität in Kulturlandschaften auf den Menschen aus? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Dahlem Centre of Plant Sciences (DCPS) der Freien Universität untersuchten in einem internationalen Forscherteam den Einfluss von Artenvielfalt auf sogenannte Ökosystemdienstleistungen. Dabei zeigte sich unter anderem, wie wichtig die Vielfalt pflanzenfressender Insekten und bisher unbeachteter Mikroorganismen ist.

Das UNESCO-Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin ist ein beliebtes Ausflugsziel nördlich von Berlin. Seit fast zehn Jahren wird diese Region nicht nur regelmäßig von Naturfreunden und Wanderern besucht, sondern auch von Wissenschaftlern. Dort befindet sich nämlich eines von drei sogenannten Biodiversitäts-Exploratorien. Weitere Exploratorien liegen in der Region Hainich-Dün in Thüringen sowie im Biosphärengebiet Schwäbische Alb in Baden-Württemberg. Sie werden in einem Verbundprojekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert und bieten Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen die Möglichkeit, Fragen zur biologischen Vielfalt sowie deren Einfluss auf Ökosystemprozesse zu erforschen.

Auf insgesamt 150 Grünlandflächen in den drei Regionen untersuchte ein internationales Forscherteam um Santiago Soliveres von der Universität Bern den Zusammenhang zwischen Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen. Das sind Leistungen der Natur, aus denen wir Menschen einen Nutzen ziehen. Sie lassen sich vier verschiedenen Kategorien zuordnen. So zählt der Erholungswert, den eine blühende Wiese bietet, zu den kulturellen Ökosystemdienstleistungen. Wird die Wiese hingegen als Viehfutter genutzt, spricht man von einer bereitstellenden Leistung. Daneben gibt es unterstützende Leistungen, zu denen unter anderem die Stickstoffanreicherung im Boden gehört, und regulierende Leistungen wie die Schädlingskontrolle.

Erstmals mehrere trophische Gruppen untersucht

Die Auswirkungen der Biodiversität auf diese Dienstleistungen wurden bisher nur anhand einzelner Organismengruppen, wie beispielsweise Pflanzen, erforscht. Die kürzlich im Fachblatt Nature erschienene Studie „Biodiversity at multiple trophic levels is needed for ecosystem multifunctionality“ berücksichtigt erstmals neun „trophische“ Gruppen im Nahrungsnetz einer Grünlandfläche (altgriechisch trophe: Ernährung). Neben Pflanzen zählen dazu Pflanzenfresser, Pflanzensymbionten, streuzersetzende Mikroorganismen sowie Bodenlebewesen, die sich von Bakterien oder abgestorbenen Pflanzen und Tieren ernähren, und Räuber. Die Forscher erhoben Daten zu insgesamt 4600 verschiedenen Arten von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen. Die beteiligten Wissenschaftler des Dahlem Centre of Plant Sciences (DCPS) interessierten sich dabei vor allem für Lebewesen unterhalb der Erdoberfläche.

Professorin Susanne Wurst und ihre Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe „Funktionelle Biodiversität“ untersuchten für diese Studie die Verbreitung verschiedener Insektenlarven in Grünländern unterschiedlicher Nutzung. Beispielsweise Wurzelfresser, wie die Larven der Schnellkäfer, die auch Drahtwürmer genannt werden, streuzersetzende Larven der Haarmücke und räuberische Laufkäferlarven. Wissenschaftler der Arbeitsgruppe „Ökologie der Pflanzen“ von Professor Matthias Rillig erforschten hingegen den Zusammenhang zwischen Pflanzendiversität und sogenannten arbuskulären Mykorrhizapilzen, die mit Wurzeln in Symbiose leben.

Biologische Faktoren haben starke Auswirkungen auf Ökosystemdienstleistungen

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Artenvielfalt vor allem regulierende und kulturelle Leistungen im Grünland begünstigt. Im Gegensatz dazu werden unterstützende Leistungen von der Anzahl der Individuen innerhalb trophischer Gruppen beeinflusst. Die Wissenschaftler fanden außerdem heraus, dass Artenvielfalt in mehreren trophischen Gruppen wichtiger für die Ökosystemdienstleistungen ist, als eine hohe Vielfalt in nur einer einzelnen Gruppe wie zum Beispiel Pflanzen. Im Durchschnitt wird jede Dienstleistung von drei unterschiedlichen Gruppen beeinflusst. Darüber hinaus hat jede trophische Gruppe Einfluss auf mindestens eine Dienstleistung. Als besonders wichtige Gruppen erwiesen sich Pflanzen, blattfressende Insekten und streuzersetzende Mikroorganismen.

Die Freilanduntersuchungen zeigen außerdem, dass Artenvielfalt und Individuenanzahl ebenso starke Auswirkungen auf die Ökosystemdienstleistungen haben wie nicht-biologische Faktoren. Dazu zählen zum Beispiel der pH-Wert des Bodens oder die Landnutzungsintensität.

Die Autoren der Studie weisen darauf hin, dass es wichtig sei möglichst viele Arten und Individuen aus verschiedenen trophischen Gruppen zu erhalten, wenn ein Ökosystem eine Vielfalt von unterschiedlichen Dienstleistungen erbringen soll. Dies schließt auch unscheinbare Organismen wie Mikroorganismen ein, die bisher im Rahmen von Artenschutzmaßnahmen wenig Beachtung finden, sowie pflanzenfressende Insekten, von denen oft nur die Schädlinge bekannt werden. Sie alle tragen zu den vielfältigen Ökosystemdienstleistungen bei, von denen die Menschen profitieren.