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„Wissenschaftler sollten sich einmischen“

Wie geht es weiter nach der Klimakonferenz in Paris? Bei der Berlin Conference on Global Environmental Change der Freien Universität trafen Optimisten auf Pessimisten

20.06.2016

Bundesumweltministerin Barabara Hendricks bei einem Vorbereitungstreffen zur Weltklimakonferenz in Paris

Bundesumweltministerin Barabara Hendricks bei einem Vorbereitungstreffen zur Weltklimakonferenz in Paris
Bildquelle: BMUB/Melanie Klußmann

Dr. Klaus Jacob, Leiter des Forschungszentrums für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin

Dr. Klaus Jacob, Leiter des Forschungszentrums für Umweltpolitik an der Freien Universität Berlin
Bildquelle: Alessa Hartmann

Vergangenen Herbst wurde der Durchbruch weltweit gefeiert: Endlich hatten sich die Politiker bei den Klimaverhandlungen auf ein gemeinsames Ziel geeinigt. Zwei Grad Erwärmung dürfe es maximal geben, möglichst nur 1,5 Grad. Aber wie geht es weiter? In Berlin trafen sich kürzlich 225 führende Forscher aus der Klimapolitik im Rahmen der bereits 12. Ausgabe der Berlin Conferences, die das Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität (FFU) organisiert – in diesem Jahr gemeinsam mit dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik. Klaus Jacob, Forschungsdirektor des FFU, berichtet im campus.leben-Interview von Einigkeit und Streitfragen.

Herr Jacob, wie bewerten Wissenschaftler das Klimaabkommen von Paris?

Paris war ein Meilenstein, aber die Umsetzung nimmt erst hier ihren Anfang. Auf der Konferenz gab es zwei Perspektiven: Auf der einen Seite gab es die Pessimisten, die auf die politische Ökonomie der Klimapolitik verwiesen, auf die vielen Pfadabhängigkeiten und Interessen, die dafür sorgen, dass alles zu langsam geht. Auf der anderen Seite standen die Optimisten, die betonten, wie viel sich in letzter Zeit gewandelt hat. „Wir leben in Zeiten hoher Veränderungsdichte“, hat es der Leiter des Deutschen Instituts für Entwicklungshilfe Dirk Messner in seinem Eingangsvortrag formuliert.

Um welche Veränderungen geht es?

Frank Geels aus Manchester nannte vier große Bausteine: Mobilität, Ernährung, Bauen/Wohnen und Energie. Auf der Konferenz argumentierten viele, dass es dafür nicht nur technischen Fortschritt, sondern auch soziale Innovationen brauche. Unser alltägliches Verhalten soll sich ändern. Das geschieht schon jetzt: Die Menschen achten zunehmend auf Energieeffizienz, essen weniger Fleisch und beginnen, Carsharing-Angebote zu nutzen. Das Auto als Statussymbol verliert in immer größeren Teilen der Gesellschaft an Bedeutung.

Das passiert bislang allerdings nur in Nischen – wenn man in Schwellenländer wie China und Indien reist, bekommt man einen ganz anderen Eindruck. Dort ist das Auto noch ein wichtiges Statussymbol, auch wenn man damit im Stau steht.

Was kann die Wissenschaft leisten?

Bisher waren vor allem die Naturwissenschaften beteiligt. Sie haben im Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) erforscht, wie der Klimawandel aussehen wird und wieviel Treibhausgase die Atmosphäre noch verträgt. Das war wichtige wissenschaftliche Beratung. Aber jetzt, wo das Ziel festgelegt ist und es um die Umsetzung geht, sind auch andere Disziplinen gefragt.

Ein Fazit der Konferenz war, dass die Sozialwissenschaften eine größere Rolle spielen sollten. Wir müssen mehr darüber wissen, was die Interessen und Machtverhältnisse sind, die Klimapolitik beeinflussen. Ich glaube, dass es da auch einen anderen Modus der Wissenschaft braucht. Statt nur zu analysieren, sollten sich Wissenschaftler einmischen und mit Entscheidern in den Dialog treten. Gemeinsam können wir Lösungen entwickeln, die nicht nur akademisch sind, sondern tatsächlich funktionieren.

Womit beschäftigt sich da das Forschungszentrum für Umweltpolitik?

Wir haben die deutsche Energiewende-Politik intensiv begleitet. Wir analysieren sie als ein Mehrebenensystem: von der Kommune bis zur internationalen Ebene. Dabei haben wir festgestellt, dass die Ebenen oft produktiv miteinander konkurrieren, anstatt sich gegenseitig zu blockieren. Wir untersuchen, inwiefern eine dezentrale Energieversorgung möglich ist. Und wir versuchen, sogenannte Co-Benefits zu beschreiben, also positive Nebeneffekte der Klimapolitik, zum Beispiel die Arbeitsplätze, die durch den Ausbau erneuerbarer Energien entstehen. Auf diese Weise können auch wirtschaftliche Interessen die Klimapolitik vorantreiben.

Das ist aber nur bis zu einem gewissen Grad möglich. Wie der renommierte Politikwissenschaftler Robert Keohane von der Princeton University auf der Konferenz sagte, sind die „tiefhängenden Früchte“ irgendwann abgeerntet. Dann sind kostspielige Strukturveränderungen notwendig, zum Beispiel der Ausstieg aus der Kohleenergie. Im Zweifelsfall, so Keohane, müsse bei sozialer Gerechtigkeit Abstriche gemacht werden, um den Klimaschutz nicht zu gefährden. Das hat für Reibung gesorgt: Andere sagten, dass Klimaschutz ohne Gerechtigkeit nicht funktionieren werde. Damit hatte Keohane eine wichtige Debatte angestoßen.

Die Fragen stellte Jonas Huggins