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Die Zweischneidigkeit der Religion

31. Mai: Jacob Kehinde Olupona, Harvard-Professor für African Religious Traditions und African and African American Studies, hält einen Vortrag über die religiöse Kultur Nigerias

30.05.2016

Harvard-Professor Jacob Kehinde Olupona erforscht das Verhältnis von Islam, Christentum und indigenen Religionen in Nigeria.

Harvard-Professor Jacob Kehinde Olupona erforscht das Verhältnis von Islam, Christentum und indigenen Religionen in Nigeria.
Bildquelle: Peter Schraeder

Wenn Nigeria in den Medien auftaucht, dann geht es häufig um Anschläge und Massenentführungen der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram. Dabei gerät häufig aus dem Blick, wie groß die ethnische und religiöse Vielfalt des Landes ist: Nigeria ist durch Islam, Christentum und indigene Religionen geprägt. Der Harvard-Professor Jacob Kehinde Olupona erforscht seit Langem das Verhältnis dieser Religionen und wurde dafür von der Alexander-von-Humboldt-Stiftung mit dem Reimar-Lüst-Preis ausgezeichnet. Seit November 2015 ist er Gastforscher am Institut für Sozial- und Kulturanthropologie der Freien Universität.

Jacob Olupona nutzt die Zeit in Berlin, um sich seiner Forschung zu widmen. „Ich arbeite an einem neuen Buch, es wird um das evangelikale Christentum in Nigeria gehen“, sagt Olupona. Er ist nicht das erste Mal in Deutschland: In den 80er Jahren war der Religionswissenschaftler für einen Forschungsaufenthalt in Bayreuth. Zuvor hatte er in Boston promoviert und an der University of Nigeria in Ile-Ife, im Südwesten des Landes, gearbeitet. Die Stadt ist das religiöse und kulturelle Zentrum der Yoruba, einer der größten ethnischen Gruppen Nigerias. Jacob Olupona hat sich intensiv mit den urbanen Traditionen und Bräuchen sowie dem Einfluss des Christentums auf die indigene Religion der Yoruba beschäftigt.

Religion: Gestaltungskraft und Gefahr zugleich

Zurück in Nordamerika widmete sich Olupona der Kultur und Religion westafrikanischer Einwanderer. „Es gibt afrikanische Kirchen und Moscheen in Amerika. Die Zuwanderer wollen ihre Kultur an ihre Kinder weitergeben“, erklärt er. In den USA gebe es auch evangelikale Missionare aus Afrika, für die Olupona die Bezeichnung „reverse missionaries“ geprägt hat. „Wenn man sie fragt, was ihr Ziel ist, sagen sie: ‚Zuerst wurde Afrika missioniert. In Amerika ist das Christentum aber schon lange auf dem Rückzug, also sind wir nun an der Reihe zu missionieren‘.“

In seinem Vortrag mit dem Titel „Sacred Ambiguity: The Changing Face of Religion in Contemporary Nigeria“, den Jacob Olupona am Dienstag in der Holzlaube an der Fabeckstraße halten wird, soll es um den gegenwärtigen Status der Religionen in Nigeria gehen. Dabei verfolgt der Forscher die These, dass Religion in ihrer ganzen Vielseitigkeit dargestellt werden muss, um ihr gerecht zu werden. „Religion kann für soziale Entwicklung, moralische Orientierung und Identität sorgen. Aber sie kann eben auch eine große Gefahr hinsichtlich sozialer und kultureller Spaltung darstellen.“

„Die Regierung steht vor großen Herausforderungen“

Der Afrikawissenschaftler will auch einen Überblick über Spannungen und Konflikte seit 1960 geben, als die ehemals britische Kolonie Nigeria unabhängig wurde. „Damals hatten wir große Führungskräfte“, meint Olupona und verweist auf den ersten Ministerpräsidenten des Landes, Abubakar Tafawa Balewa. Doch schon 1966 übernahm das Militär die Macht im Staat.

Erst Ende der 1990er Jahre setzte eine Demokratisierung ein. „Heute ist Nigeria ein Staat mit großen Sicherheitsproblemen wie Boko Haram und weit verbreiteter Korruption“, sagt Olupona. Im Februar 2015 wählte Nigeria einen Muslim zum Präsidenten, sein Vizepräsident ist Christ. „Religion spielt in der nigerianischen Politik eine wichtige Rolle. Aber sie darf keine Rolle spielen, um daran die Eignung zum politischen Amt festzumachen. Ich denke, die beiden könnten Nigeria nach vorn bringen, aber sie stehen vor sehr großen wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen.“

Weitere Informationen

„Sacred Ambiguity: The Changing Face of Religion in Contemporary Nigeria”

Zeit und Ort

  • 31. Mai 2016, 18.30 Uhr
  • Freie Universität Berlin, Holzlaube, Raum 2.2059, Fabeckstr. 23-25, 14195 Berlin (U-Bhf. Dahlem-Dorf, U 3)

Interessierte sind willkommen.