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Kontrolle auf die süße Art

Pflanzenbiologen der Freien Universität haben entdeckt, wie ein Nukleotidzucker-Transporter das Wachstum von Pflanzen beeinflusst

25.02.2015

Die elektronenmikroskopische Aufnahme der Sprossspitze zeigt, dass diese in Arabidopsispflanzen, in denen das ROCK1 Gen mutiert ist, größer ist. ROCK1-Pflanzen entwickeln daher schneller neue Blüten.

Die elektronenmikroskopische Aufnahme der Sprossspitze zeigt, dass diese in Arabidopsispflanzen, in denen das ROCK1 Gen mutiert ist, größer ist. ROCK1-Pflanzen entwickeln daher schneller neue Blüten.
Bildquelle: DCPS / Freie Universität Berlin

Was hat ein spezieller Nukleotidzucker-Transporter mit Pflanzenhormonen zu tun? Diese Frage stellten sich Pflanzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler am Dahlem Centre of Plant Sciences (DCPS) der Freien Universität im Zuge ihrer Untersuchungen zum Pflanzenhormon Cytokinin. Wo auf den ersten Blick kein Zusammenhang zu bestehen scheint, zeigt sich bei genauerem Nachforschen eine weitere Ebene der Feinjustierung des Hormonhaushalts. Dabei entdeckten die Biologen in Pflanzen den Transporter für besondere Zuckerformen, dessen Existenz bisher nur in tierischen Organismen bekannt war.

Phytohormone kontrollieren das Wachstum und die Entwicklung von Pflanzen. Dazu zählt auch Cytokinin, das bei der Zellteilung und Zelldifferenzierung in Wurzeln und Sprossspitzen von Pflanzen eine wichtige Rolle spielt. Voraussetzung für den geregelten Ablauf dieser Prozesse ist die Kontrolle der Hormonkonzentration in bestimmten Geweben.

Der Auf- und Abbau des Hormons wird durch verschiedene Prozesse und auf unterschiedlichen Ebenen streng reguliert. Auf der Ebene der Genexpression wird bestimmt, welches Enzym für den Aufbau und welches für den Abbau des Hormons produziert wird. Die enzymatisch aktiven Proteine selbst können durch chemische Reaktionen verändert und in ihrer Aktivität beeinflusst werden. So beeinflusst das Anbringen von Zuckern oftmals die Stabilität der Proteine, schützt sie vor raschem Abbau, dirigiert sie zu ihren Wirkorten oder beeinflusst ihre Aktivität und Bindung an andere Proteine. Außerdem unterstützten die Zuckerstrukturen die korrekte Faltung und Reifung von Proteinen, die zur Ausschüttung aus der Zelle oder zum Einbau in Membranen vorgesehen sind.

Kompensation des Hormonmangels

Ausgangspunkt der Studien in der Arbeitsgruppe von Juniorprofessor Tomáš Werner war die Untersuchung von unter Cytokinin-Mangel leidenden zwergenwüchsigen Pflanzen. In ihnen ist ein Cytokinin-abbauendes Enzym (Cytokininoxidase/ dehydrogenase, kurz CKX) übermäßig vorhanden und aktiv. Isabel Bartrina und Michael Niemann, beide Biologen am Dahlem Centre of Plant Sciences, suchten vor diesem genetischen Hintergrund nach mutierten Pflanzen, deren Wachstum normalisiert wurde.

Bei der näheren Untersuchung der Mutationen dieser Pflanzen stießen sie auf ein Gen unbekannter Funktion: Sie bezeichneten es – aufgrund seiner ersten augenfälligen Funktion, dem Unterdrücken des Cytokinin-Mangels – als „REPRESSOR OF CYTOKININ DEFICIENCY1“, kurz ROCK1. Gemeinsam mit Wissenschaftlern von Forschungsgruppen der medizinischen Hochschule Hannover, der Palacký Universität in Tschechien und der Universität für Bodenkultur in Wien gingen Isabel Bartrina und Michael Niemann der Funktion des Proteins ROCK1 nach und kamen durch umfangreiche genetische molekulare und biochemische Analysen zu folgendem Ergebnis: ROCK1 ist ein Transporter für aktivierte Formen der Zucker N-Acetylglucosamin (GlcNAc) und N-Acetylgalactosamin (GalNAc) in das Endoplasmatische Retikulum innerhalb der Zelle. Diese Ergebnisse wurden kürzlich im renommierten Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) veröffentlicht.

Kontrolle des Proteinabbaus

Während in tierischen Zellen die Funktion dieser Zuckerreste beispielsweise als Zuckerstrukturen an Proteinen größtenteils bekannt ist, sind die Funktionen und beteiligten Enzyme in Pflanzen noch weitgehend unerforscht. Die Analysen von Niemann und Bartrina deuten darauf hin, dass der Zuckertransporter ROCK1 die Hormonkonzentration durch die Anheftung von Zuckerbausteinen an das hormon-abbauende Enzym CKX beeinflusst, indem er wesentlich zur Regulation des Abbaus des Enzyms beiträgt. Fehlen die Zuckerbausteine, weil der Transporter (ROCK1) defekt ist, kann CKX vermutlich nicht seine korrekte funktionelle dreidimensionale Form einnehmen. Es wird daher vorzeitig wieder abgebaut, sodass das Hormon Cytokinin länger in der Pflanze verweilt und seine wachstumsregulierende Wirkung entfalten kann. Pflanzen, bei denen ROCK1 mutiert ist, haben ein aktiveres Sprosswachstum und bilden entsprechend mehr Blüten und Schoten.

Die Publikation wurde mit dem Krolow-Preis 2014 gewürdigt, der herausragende Forschungsergebnisse junger Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler auf dem Gebiet der angewandten Forschung an Kulturpflanzen auszeichnet. Die potenzielle Ertragssteigerung macht diese Ergebnisse aus der Grundlagenforschung auch für die Anwendung interessant.