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Calcineurin - Ein Protein für alle Fälle

Erstes Calcium/Calcineurin-Symposium an der Freien Universität

19.10.2010

Stefan Frischbutter vom Deutschen Rheumaforschungszentrum präsentiert seine Ergebnisse.

Stefan Frischbutter vom Deutschen Rheumaforschungszentrum präsentiert seine Ergebnisse.
Bildquelle: Deutsches Rheumaforschungszentrum

Was kann Calcineurin? Im Rahmen eines Symposiums, das kürzlich an der Freien Universität stattfand und von Sascha Thewes, promovierter Mikrobiologe am Institut für Biologie, initiiert worden war, beschäftigten sich Wissenschaftler mit dem Protein. Calcineurin spielt sowohl in der Medizin – bei der Erforschung von Medikamenten – eine wichtige Rolle als auch in der Mikrobiologie, zum Beispiel beim Wachstum und der Entwicklung von Mikroorganismen

Networking heißt das allgegenwärtige Zauberwort. Kaum ein Forschungsbereich, der ohne interdisziplinären Austausch bestehen könnte. Dies gilt auch für die Biologen und Mediziner, die sich kürzlich anlässlich eines fächerübergreifenden Symposiums den verschiedenen Facetten des Proteins Calcineurin widmeten. Wissenschaftler aus Berlin und Brandenburg diskutierten am 1. Oktober über den Stand ihrer Forschung und mögliche Anknüpfungspunkte.

Soziale Amöben und Zellkommunikation

In der Arbeitsgruppe von Professor Mutzel am Institut für Biologie der Freien Universität wird an einem der vielen Modellorganismen für die medizinisch-biologische Forschung namens Dictyostelium discoideum gearbeitet. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte soziale Amöbe, eine Organisationsform, welche sowohl als Einzelgänger im Waldboden gemäßigter Klimazonen unterwegs ist, als auch als Zellverband. Zu einem Zellverband schließen sich Einzelzellen zusammen, wenn sie hungrig sind. Ein Teil der Zellen „opfert“ sich und differenziert sich zu toten Stielzellen, die den Fruchtkörper tragen. Die restlichen Zellen „verwandeln“ sich in Sporen.

Der Mikrobiologe Sascha Thewes und weitere Wissenschaftler gingen der Frage nach, wie diese gemeinsame Organisation und Differenzierung stattfindet. Die Antwort lautet: durch Zell-Zellkommunikation. Zellen "reden" miteinander, und auch innerhalb der Zelle kommuniziert diese ständig mit sich selbst und der Umwelt. In jedem Organismus werden Gene in Proteine übersetzt, welche dann unterschiedliche Funktionen erfüllen.

Die Steuerung dieser Prozesse erfolgt unter anderem über das Protein Calcineurin. Dieses Protein kommt in allen Lebewesen vor, die einen Zellkern haben, nur nicht in Pflanzen, das heißt sowohl in Hefe als auch im Menschen. Da Calcineurin an vielen Signalwegen mittelbar und unmittelbar beteiligt ist, hat es eine enorm wichtige Bedeutung für alles Leben.

Pilz, der niederländische Tulpenfelder zerstört

Wissenschaftler anderer auf dem Symposium vertretener Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit wiederum anderen Organismen. So befasste sich ein Gastvortrag von Professorin Bettina Tudzynski von der Wilhelms-Universität Münster mit dem Pilz Botrytis cinerea, dem Erreger der Grauschimmelfäule, der etwa in den Niederlanden für den Niedergang ganzer Tulpenfelder verantwortlich ist.

Dieser Pilz befällt 235 verschiedene Wirtspflanzen, die meisten davon Nutzpflanzen für den Menschen wie Wein oder Bohnen. Die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Schäden gehen in die Milliarden. Dass der Pilz so schädlich ist, liegt auch an den durch Calcineurin regulierten Genen. Mit einem besseren Verständnis über Stoffwechselwege, die durch Calcineurin reguliert werden, könnten neue Pilzvernichtungsmittel entwickelt werden.

Erkrankung durch veränderten Calcineurin-Signalweg

Auf einem ganz anderen Gebiet forscht die Arbeitsgruppe um Privatdozentin Ria Baumgrass vom Deutschen Rheumaforschungszentrum Berlin. Sie beschäftigt sich mit entzündlichen Autoimmunerkrankungen. Bei solchen Erkrankungen liegt eine Überreaktion des Immunsystems vor, wobei körpereigene Strukturen, etwa die Gelenkinnenhaut, angriffen werden. Diese entzündlichen Veränderungen können starke Schmerzen verursachen.

Eine der Ursachen für diese Autoimmunreaktion ist ein veränderter Calcineurin-Signalweg, wie Stefan Frischbutter in seinem Vortrag vorstellte. Mit Medikamenten wird gezielt Calcineurin blockiert und somit die Immunantwort unterdrückt. Solche Medikamente werden als Immunsuppressiva bezeichnet. Derzeit dienen die Ergebnisse bisher ausschließlich dazu, den Verlauf von Signalwegen, die Regulierung und Wechselwirkungen von Genen, Proteinen sowie die Zellkommunikation zu erforschen. Die langjährige Entwicklung von Medikamenten ist erst der nächste Schritt.

Unterschiedlicher Krankheitsverlauf bei Frauen und Männern

Wissenschaftler der Arbeitsgruppe von Professor Duska Dragun von der Charité - der gemeinsamen Universitätsmedizin von Freier Universität und Humboldt-Universität untersuchen die kardio-renale Hypertrophie, eine durch Nierenhormone ausgelöste krankhafte Vergrößerung der Herzmuskelzellen. Dies führt meist zur einseitigen Belastung des Herzmuskels und damit zur Fehlfunktionen des Herzens. Interessant daran sei, dass eine unterschiedliche Krankheitsverteilung bei Männern und Frauen auftritt. Frauen sind vor der Menopause wesentlich seltener betroffen als Männer, was am Östrogenhaushalt liegt.

Dennis Gürgen stellte anhand der Maus als Modellorganismus vor, dass die Erkrankung unter anderem abhängig von Calcineurin ist. So konnte nachgewiesen werden, dass Immunsuppressiva, die nach einer Nierentransplantation eingesetzt werden, bei Mausweibchen mit deren Östrogenhaushalt wechselwirken und zu einer Herzvergrößerung führen können. Somit könnten in naher Zukunft spezialisierte Medikamente entwickelt und vorhandene Medikamente bei Männern und Frauen differenzierter eingesetzt werden.

Von Gießkannenschimmelpilzen

Der letzte Vortrag befasste sich mit den Gießkannenschimmelpilzen, den Aspergillen. Privatdozent Udo Schmidt als Vertretung für Anja Spielvogel von der Technischen Universität Berlin erklärte, dass Calcineurin in einem Modellorganismus an der Stressantwort und am Wachstum beteiligt ist. Dies ist insofern interessant, da sich unter den Gießkannenschimmelpilzen auch zahlreiche für den Menschen krankheitserregende Arten befinden, so dass eine besondere Art dieses Schimmelpilzes, der Aspergillus nidulans, als Modell für potenziell krankheitserregende Pilze angesehen und weiter untersucht werden kann.

Weitere Informationen

Dr. Sascha Thewes
Institut für Biologie – Mikrobiologie
Fachbereich Biologie, Chemie, Pharmazie
Freie Universität Berlin
Königin-Luise-Str. 12-16
14195 Berlin

Tel.: 030-838-53373
Fax: 030-838-57773
Email: sascha.thewes@fu-berlin.de