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Beitreten oder nicht beitreten?

Am Sonderforschungsbereich 700 der Freien Universität diskutieren Wissenschaftler und Studierende über den „UN Global Compact“

10.02.2009

Christina Gradl und Oliver Ziegler präsentierten ihre Studien zum UN Global Compact

Christina Gradl und Oliver Ziegler präsentierten ihre Studien zum UN Global Compact
Bildquelle: Sabrina Wendling

In Zeiten der Globalisierung müssen Unternehmen nicht nur wirtschaftlich sein. Von ihnen wird auch erwartet, dass sie sozial verantwortlich handeln. Corporate Social Responsibility (CSR) ist ein Konzept, wonach sich Unternehmen auf freiwilliger Basis zu Nachhaltigkeit und Verantwortung verpflichten. Auch die Vereinten Nationen haben ein solches Modell entworfen: den „UN Global Compact“.

Seit 2007 ist die Freie Universität akademisches Mitglied im Global Compact, der zur Jahrtausendwende vom damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan ins Leben gerufen wurde. Weltweit hat der Global Compact über 6200 Mitglieder, 151 davon in Deutschland; der Großteil sind Unternehmen, aber auch Verbände, zivilgesellschaftliche Gruppen oder eben wissenschaftliche Einrichtungen.. Der Global Compact ist eine freiwillige Initiative zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements von Unternehmen und ruft diese weltweit dazu auf, sich öffentlich zu zehn Prinzipien in den Bereichen Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung zu bekennen und diese in ihrem Tätigkeitsfeld umzusetzen. Für akademische Mitglieder bedeutet das, die Themen des Global Compact in Forschung und Lehre besonders zu berücksichtigen und Ergebnisse an andere Mitglieder zu vermitteln. Ann-Ulrike Henning von der Koordinationsstelle des Deutschen Global Compact Netzwerks bestätigte ein großes Interesse an dieser wissenschaftlichen Begleitung.

Freie Universität: Kofi Annan Fellowship in Global Governance

An der Freien Universität wird die Forschung rund um die Inhalte des Global Compact unter anderem mit einem „Kofi Annan Fellowship in Global Governance“ unterstützt – einem Förderprogramm, dessen erste Stipendiatin Christina Gradl war. Die damalige Studentin der Volkswirtschaft, die heute an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg promoviert, erarbeitete eine Fallstudie über das schwäbische Familienunternehmen Karl Storz, das endoskopische Geräte herstellt. Bei einer Diskussionsrunde im Sonderforschungsbereich 700 „Global Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ stellte sie ihre Studie vor.

„Die Firma engagierte sich im Rahmen der Women’s Health Initiative in Indien, weil sie einen Beitrag zur weltweiten medizinischen Grundversorgung leisten wollte“, sagt Gradl. Diese Entscheidung sei unmittelbar nach dem Beitritt zum Global Compact erfolgt. Das soziale Engagement hätte für das Unternehmen den wirtschaftlichen Vorteil der Kundengewinnung und Markenbildung. „Das Prinzip funktioniert so, dass ein Unternehmen Governance-Leistungen erbringt, also in die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen investiert, und auf lange Sicht Gewinne erzielt.“ Gradl räumte jedoch ein, dass die Nachfrage nach endoskopischen Behandlungen in Indien nur begrenzt sei, weil viele in der Zielgruppe der armen Frauen zum Einen schlecht informiert und zum Anderen nur ungenügend krankenversichert seien.

Automobilindustrie und soziale Verantwortung

Einen ganz anderen Aspekt des Global Compact untersuchte Oliver Ziegler, ehemaliger Student der Politikwissenschaft an der Freien Universität. Er fragte in seiner Diplomarbeit, weshalb Unternehmen dem Global Compact überhaupt beitreten? Oliver Ziegler verglich im Jahr 2006 die deutsche und die amerikanische Automobilindustrie und wunderte sich, warum nur ein amerikanisches Automobilunternehmen Mitglied war – im Vergleich zu 28 Unternehmen aus der Branche auf deutscher Seite.

Fazit seiner Arbeit war unter anderem, dass die Einstellungen zu den Vereinten Nationen, die auf deutscher Seite erheblich positiver waren, eine große Rolle spielten. Ausschlaggebend in Deutschland sei aber wohl auch gewesen, dass die Bundesregierung den Global Compact von Anfang an unterstützt habe – während sich in den USA nur drei private Akteure öffentlich für das Modell stark gemacht hätten.

Für  die Zuhörer der Veranstaltung stellte sich nach der Präsentation der beiden Forschungsarbeiten die Frage, ob US-amerikanische Unternehmen vielleicht deshalb nicht beitreten wollten, weil sie Rechtsstreitigkeiten fürchteten – obwohl sich der Global Compact eigentlich mehr als Lernforum denn als Verhaltenskodex versteht. Außerdem wurde diskutiert, ob sich Unternehmen nach ihrem Beitritt tatsächlich stärker für sozial Benachteiligte oder ein besseres Umweltmanagement einsetzen als sie das ohnehin getan hätten. Einig war man sich, dass es ausgesprochen schwierig ist, die Bedeutung der Global Compact Mitgliedschaft für das Verhalten von Unternehmen wissenschaftlich korrekt zu „messen“. Weitere Diskussionsrunden zum Global Compact sind spätestens für den Herbst geplant.