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Im Auftrag der Honigbiene

Mitarbeiter des Instituts für Veterinär-Biochemie der Freien Universität und des Imkervereins Berlin Zehlendorf und Umgebung e.V. hatten einen gemeinsamen Stand in der Halle des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft auf der Grünen Woche

06.03.2018

Honigbienen bestäuben viele Blütenpflanzen und sind damit unerlässlich für eine produktive Landwirtschaft und eine vielfältige Natur.

Honigbienen bestäuben viele Blütenpflanzen und sind damit unerlässlich für eine produktive Landwirtschaft und eine vielfältige Natur.
Bildquelle: Michael Müller | Creative Comons

Benedikt Polaczek, promovierter Imkermeister der Freien Universität am Institut für Veterinär-Biochemie, blickt nach oben. In gemütlicher Flugbahn kreisen ein paar Bienen über der Blumeninsel in der Messehalle. Aus dem speziell für die Demonstration bei der Grünen Woche angefertigten Bienenschaukasten sind wohl beim allmorgendlichen Aufbau versehentlich ein paar der Insekten entwischt. Doch bevor Landwirtschaftsminister Christian Schmidt bei seinem Marathonrundgang über die Grüne Woche Halt beim Bienenstand der Veterinärmedizin der Freien Universität und des Imkervereins Zehlendorf machte, fängt Polaczek seine friedlichen Bienen mit bloßen Händen wieder ein.

Dass die Bestäuber in Bedrängnis geraten sind, ist bekannt. Seit Anfang der 1990er Jahre haben die Honigbienenbestände in Deutschland stark abgenommen. Nach dem Winter finden Imker oftmals ein Volk mit toten Bienen oder gar einen verlassenen Bienenstock vor. Benedikt Polaczek zufolge ist für die Völkerverluste – aber auch für das Aussterben wildlebender Bestäuber – das Zusammenwirken mehrerer Ursachen verantwortlich: Parasiten, Krankheiten, Belastungen mit chemischen Stoffen, die Verarmung der Lebensräume und die daraus resultierenden verminderten Honigerträge. „Pflanzenschutzmittel oder andere Umweltgifte können dabei die Empfindlichkeit der Bienen gegenüber einem anderen Faktor, zum Beispiel Krankheiten, erhöhen“, sagt der Imkermeister. Zu schaffen macht den Bienen – und den Imkern – in erster Linie die Varroamilbe. Sie schwächt das Tier, indem sie sein „Insektenblut“ (Hämolymphe) aufsaugt, schwächt seine Immunabwehr und macht es dadurch für Krankheitserreger anfällig, von denen sie einige gleich selber überträgt. „Die Bienenvölker könnten mit ein paar Belastungen gleichzeitig umgehen, aber alles zusammen ist einfach zu viel“, erläutert Polaczek.

Imkermeister Benedikt Polaczek (am Mikrofon) spricht mit Abgesandten des Landwirtschaftministeriums.

Imkermeister Benedikt Polaczek (am Mikrofon) spricht mit Abgesandten des Landwirtschaftministeriums.
Bildquelle: Sören Maahs

Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (Bildmitte) bei seiner Runde auf der Grünen Woche.

Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (Bildmitte) bei seiner Runde auf der Grünen Woche.
Bildquelle: Sören Maahs

Die Leistung der Arbeiterbienen

Wird nach der Leistung von Bienen gefragt, fällt den meisten Menschen als erstes die Honigproduktion ein. Der naturbelassene, aufbereitete Nektar des sozialen Fluginsekts verschaffte schon den alten Ägyptern süße Labsal. Aus landwirtschaftlicher Sicht steht heute eine andere Leistung im Vordergrund: Die Bestäubung von Kulturpflanzen: „Rund 80 Prozent der Blütenpflanzenarten in Deutschland werden durch flugfähige Insekten bestäubt.“

Natürlich sind die Bienen nicht die einzigen Bestäuber. Neben den Honig- und den regional fast ausgestorbenen Wildbienen tun Fliegen, Käfer, Schmetterlinge, Motten ihr Werk. „Allerdings schafft intensive Landwirtschaft keine Lebensräume, die auf Artenvielfalt ausgerichtet sind.“ In domestizierten Agrarlandschaften sprießen und verblühen alle Blüten, zum Beispiel beim Raps, fast gleichzeitig – keine nachhaltige Lebenssituation über den Frühling und Sommer, erklärt Benedikt Polaczek: „Für kurze Zeit gibt es mehr Nektar und Pollen, als die Bienen sammeln können. Im restlichen Jahr fehlt es den Bienen dafür an Blüten – und damit an Futter.“

Früher waren gerade in Ostdeutschland Bestäubungsprämien für viele Berufsimker ein einträgliches Geschäft, das zeitgleich mit dem Mauerfall an Bedeutung verlor. Inzwischen werden bei manchen Pflanzenarten wieder Prämien gezahlt: „Bienen werden auf Lastwagen zu kommerziellen Bestäubungsereignissen transportiert, weil zur Blütezeit mehr Bestäuber benötigt werden, als die Natur bereitstellt.“ Stapelbar, transportfähig, universell einsetzbar – der Mensch hat sich von den Honigbienen abhängig gemacht. Als die Emsigkeit der Honigbiene für menschliche Zwecke industrialisiert wurde, blieb eine ausreichende Gesundheitsvorsorge auf der Strecke.

Als Minister Christian Schmidt, umringt von einer Funktionärstraube, schließlich den Bienenstand der Freien Universität erreicht, setzt sich Benedikt Polaczek für die Bienen ein: Der Imkermeister wünscht sich eine blüten- und kleinstrukturreiche Landschaft, in der der Einsatz von Pestiziden auf das Allernötigste begrenzt wird: „Wir müssen die Blühstreifen dringend vergrößern“, mahnt Polaczek. „Wir können die Bienen nicht verändern, aber wir sollten die Landwirtschaft besser an die Bienen anpassen.“ Gesunde Bienenbestände sind schließlich nicht nur für die Landwirtschaft unerlässlich, sondern auch für das Überleben vieler Pflanzen und ihrer genetischen Vielfalt. Biodiversität sei kein Selbstzweck, sagt Polaczek, sondern notwendig, damit das Ökosystem sich wandelnden Umweltbedingungen anpassen kann. Der Landwirtschaftsminister verweist auf die Neugründung des Instituts für Bienenschutz in Braunschweig (JKI) und die damit verbundene zukünftige Unterstützung bei der Beantwortung von Bienenfragen. Nach 10 Minuten zieht der ministeriale Tross weiter.

Die Blumeninsel des gemeinsamen Messestands des Instituts für Veterinär-Biochemie der Freien Universität und des Imkervereins Berlin Zehlendorf.

Die Blumeninsel des gemeinsamen Messestands des Instituts für Veterinär-Biochemie der Freien Universität und des Imkervereins Berlin Zehlendorf.
Bildquelle: Sören Maahs

Öffentlichkeitsarbeit auf der Messe

Benedikt Polaczek vom Institut für Veterinär-Biochemie aus dem Fachbereich Veterinärmedizin kämpft für die Gesundheit der Honigbiene. Mit Aktionen wie dem farbenfrohen Bienenstand auf der Grünen Woche hofft der Imkermeister einen Beitrag zur öffentlichen Weiterbildung zu leisten, und das im 16. Jahr in Folge. Oftmals dient der Stand als Kontaktbörse für Presseanfragen und Schulungen. Die Besucher sind bunt gemischt und reichen von Schulkindern bis zu Tierärzten. Schulkassen suchen die Königin auf der Wabe im Schaustand und manch einer ist überrascht von der Vielfalt der Bienenprodukte. Viele der Besucher begeistern sich zudem für die optimale Gartenpflege: Bienenfreundliche Vegetation, Nistmöglichkeiten für Wildbienen oder die Maßnahmen bei Erkrankungen von Pflanzen. Neben interessierten Laien wird der Stand gezielt von versierten Berufsimkern aus der ganzen Bundesrepublik aufgesucht. Polaczek und Kollegen vom Imkerverein Zehlendorf führen mit ihnen Spezialgespräche über Zargenmontage und Rähmchengrößen („Langstroht oder Zanderbeuten?“) oder erteilen Neulingen Tipps zu einfachen Vermehrungstechniken von Bienenvölkern.

An der Freien Universität bildet Benedikt Polaczek Imkerlehrlinge aus, außerdem berät er Imker bei der artgerechten Bienenhaltung und bietet regelmäßig Imkerkurse für solche an, die es werden wollen. Die Motivation zur Imkerei ist vielfältig. Die überwiegende Mehrheit der Imker in Deutschland hält Bienen als Freizeitbeschäftigung, die Honigernte und finanzieller Gewinn seien nur für eine kleine Zahl Imker das Hauptziel. Weil ohne Pflege die Bienen in kurzer Zeit aussterben würden, brauche es dringend Nachwuchsimker: „Es geht mir nicht darum, möglichst viele Hobbyimker auszubilden, sondern gute Imker. ‚Gut‘ können Sie großschreiben.“

Weitere Informationen

Imkerkurse 2018 – Für Imker und Imkeranfänger

Die kostenlose Kurse beginnen am 17. März, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Das Programm ist hier einsehbar.