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Die Gelben Engel der Charité

30 Jahre Luftrettung am Campus Benjamin Franklin – der ADAC-Rettungshubschrauber „Christoph 31“

13.10.2017

Das Team „Christoph 31“ um Leena Möbis, Thomas Kriegenherdt, Dr. Hans-Christian Mochmann, Markus Siebert und Sven Pastow (v.l.n.r.).

Das Team „Christoph 31“ um Leena Möbis, Thomas Kriegenherdt, Dr. Hans-Christian Mochmann, Markus Siebert und Sven Pastow (v.l.n.r.).
Bildquelle: Charité / Wiebke Peitz

Ein greller Pfeifton durchdringt den kleinen Arbeitsraum im Hangar am Campus Benjamin Franklin (CBF). Kurz darauf folgt das Surren des Faxgeräts. „Einsatz“, ruft Markus Siebert. Routiniert geht der Pilot des ADAC-Rettungshubschraubers „Christoph 31“ zur Start- und Landerampe, steigt ins Cockpit und startet den Motor. Gleichzeitig nimmt die restliche Crew im Inneren des Hubschraubers Platz. Weniger als zwei Minuten nach Eintreffen des Alarms ist die Rettungsmannschaft in der Luft, schließlich kommt es bei ihren Einsätzen auf jede Minute an. Schneller ist nicht möglich, da die Rotoren etwas Zeit brauchen, um ihre Drehzahl für den Start zu erreichen. Zum Team gehören auch Hans-Christian Mochmann, promovierter Kardiologe und Leiter der Notfallmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin – dem gemeinsamen medizinischen Fachbereich von Freier Universität und Humboldt-Universität – und Sven Pastow HEMS (TC): „HEMS (TC) steht für Helicopter Emergency Medical Services Technical Crew“, erklärt Pastow. Er ist Notfallsanitäter und technisches Crewmitglied. Während der ADAC den Piloten und den HEMS (TC) stellt, ist Mochmann Mitarbeiter der Charité.

Der 48-Jährige ist Oberarzt für Invasive Kardiologie am CBF und Leitender Hubschrauberarzt „Christoph 31“. In diesen Funktionen organisiert er die Zusammenarbeit der Charité und des ADAC, koordiniert die Einsatzpläne der Mediziner und arbeitet in unterschiedlichen Gremien zur Verbesserung der prähospitalen Patientenversorgung. „Um unser medizinisches Fachwissen aufrechtzuerhalten und zu erweitern, benötigen wir Ärzte unbedingt die klinische Routine“, erklärt er. Deswegen arbeitet Hans-Christian Mochmann auch im Herzkatheterlabor, wo er sowohl stabile als auch instabile Patienten behandelt. „Das Tolle an meinem Job ist, dass ich den gesamten Kreislauf der Patientenversorgung erlebe“, betont er. Dazu gehören die Erstversorgung außerhalb des Krankenhauses, die Behandlung im Krankenhaus und die Entlassung.

Der schwierigste Teil ist die Landung

Zu einer Erstversorgung ist die dreiköpfige Crew nun unterwegs. Pilot Siebert benachrichtigt die Fluglotsen im Tower des Flughafens Schönefeld über die Flugstrecke. Währenddessen holt HEMS (TC) Pastow per Funk Informationen von der Polizei vor Ort. Hans-Christian Mochmann nutzt die wenigen Minuten, um sich vorab über die Art des Notfalls zu informieren. Jetzt kommt der schwierigste Teil: die Landung. Dafür hat die Crew den Parkplatz eines Einkaufsladens ins Auge gefasst. Nach einem kurzen Überflug setzt Siebert zur Landung an. Notfallsanitäter Sven Pastow hilft ihm beim Landen, denn der Pilot kann weder unter, noch hinter den Hubschrauber sehen. Pastow schon. Er öffnet dazu die Tür und lehnt sich etwas aus der Maschine: „Die Baukräne sind unbesetzt, die stören nicht. Pass aber mit den Fahrrädern auf! Hier an den Zaun kannst du nah rankommen“, fasst der 44-Jährige zusammen. Etwa sechs Minuten nach Eintreffen des Alarms sitzen Mochmann und Pastow im Polizeiwagen, der sie zur nahegelegenen Wohnung des Patienten bringt – Pilot Siebert bleibt bei seiner Maschine.

Notarzt Dr. Hans-Christian Mochmann, Leiter Notfallmedizin der Charité - Universitätsmedizin Berlin.

Notarzt Dr. Hans-Christian Mochmann, Leiter Notfallmedizin der Charité - Universitätsmedizin Berlin.
Bildquelle: Charité / Wiebke Peitz

Der leichte Mehrzweckhubschrauber hat sich seit vielen Jahren im Rettungsdienst bewährt. Er wiegt weniger als drei Tonnen und verfügt über einen gekapselten Heckrotor. Dadurch können Personen nicht aus Versehen in den Heckrotor geraten und schwerwiegende Verletzungen erleiden. „Es ist eine tolle Maschine. Sie fliegt sich wahnsinnig gut und lässt sich präzise steuern“, resümiert Siebert. Zudem seien alle wichtigen Systeme doppelt vorhanden, sodass die Maschine auch bei einem Ausfall eines der zwei Triebwerke weiterfliegen könnte. Die 400 Kilogramm Kerosin im Tank des Rettungshubschraubers reichen für fünf bis sechs Einsätze. Getankt wird direkt an der Start- und Landeplattform am CBF, sodass die Maschine stets für einen möglichen Einsatz bereit ist.

10 bis 15 Einsätze pro Tag

Der Berliner Rettungsdienst steuert seine Einsätze nach dem Rendezvous-System. So sind etwa 70 Rettungswagen im Einsatz, die mit Rettungssanitätern, Rettungsassistenten oder Notfallsanitätern besetzt sind. Sie sind aufgrund ihrer hohen Dichte schnell am Einsatzort. Zusätzlich gibt es 17 Notarztwagen. Davon stößt dann einer hinzu, wenn es notwendig ist. Das hat den Vorteil, dass die Notärzte nur bei wirklich schweren Fällen ausrücken müssen und die Notfallsanitäter, Rettungssanitäter oder Rettungsassistenten vor Ort bereits die Primärversorgung übernehmen können. Zudem steht der Notarzt schneller für einen Folgeeinsatz zur Verfügung. Die Mannschaft des Rettungshubschraubers zählt dabei als Notarztwagen. Sie kommt aber nur dann zum Einsatz, wenn kein anderer Notarztwagen innerhalb von 13 Minuten am Einsatzort sein kann oder spezielle Indikationen vorliegen. Die Leitstelle der Berliner Feuerwehr koordiniert dies. Besonders bei größeren Schadensfällen mit vielen Verletzten kann die Crew Patienten sehr schnell auf weit entfernte Krankenhäuser verteilen und so die Notaufnahmen in der Nähe des Unfallortes entlasten. „Etwa zehn bis fünfzehn Einsätze haben wir am Tag“, erklärt Hans-Christian Mochmann. Im Winter etwas weniger, denn „Christoph 31“ fliege nur zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang. Mit einer Geschwindigkeit von mehr als 200 Kilometern pro Stunde erreicht das Hubschrauberteam jedes Ziel in seinem Einsatzgebiet in ganz Berlin in wenigen Minuten.

Dieses Mal hat es etwa acht Minuten gedauert. Die Kräfte des Rettungswagens sind schon vor Ort. Ein 94-Jähriger klagt über akut schwere Atemnot. Hans-Christian Mochmann checkt die vitalen Werte des Mannes und befragt den Mitarbeiter des Pflegedienstes, der den Notruf gewählt hat, über das Krankheitsbild. Die Notfallsanitäter machen währenddessen zusammen mit Sven Pastow ein Elektrokardiogramm (EKG). Nach wenigen Minuten stellt der Arzt eine Diagnose und beschließt, dass der Patient ohne ärztliche Begleitung im Rettungswagen ins nahegelegene Krankenhaus zur Weiterbehandlung gebracht werden kann. Die Crew macht sich auf den Rückweg, schließlich kann jederzeit ein weiterer Notfall eintreffen.

Um die Einsatzbereitschaft sieben Tage in der Woche aufrechtzuerhalten, wechseln sich vier Piloten, vier HEMS (TC) und etwa zehn Ärzte mit den Diensten ab. Tagsüber wechselt das Team einmal, damit niemand übermüdet ist. Die gesamte Crew pflegt ein freundschaftliches Verhältnis und hilft sich, wo es nur geht. „Auch wenn es beim Flug nicht zu unseren Aufgaben gehört, unterstützen wir Ärzte. Hierarchien und Schubladendenken sind hier fehl am Platz“, fasst Hans-Christian Mochmann zusammen. Dieses Jahr begeht der Rettungshubschrauber „Christoph 31“ sein 30-jähriges Jubiläum. Gefeiert werden soll dies aber erst nach dem Umbau der Start- und Landezone. Sie soll durch umfassende Baumaßnahmen näher an den Teltowkanal verlegt werden. Der Hubschrauber wird in der Bauphase umziehen müssen.

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