Springe direkt zu Inhalt

Unendlicher Spaß auf rund 1600 Seiten

Der Übersetzer des Erfolgsromans „Unendlicher Spaß“ las auf Einladung des Graduierten-Kollegs "InterArt" der Freien Universität

17.12.2009

Ulrich Blumenbach saß sechs Jahre lang an der Übertragung des Erfolgsromans „Infinite Jest“ von David Foster Wallace

Ulrich Blumenbach saß sechs Jahre lang an der Übertragung des Erfolgsromans „Infinite Jest“ von David Foster Wallace
Bildquelle: Christine Mahler

Tagsüber übersetzte er Literatur, nachts die Börsennachrichten für Schweizer Banken, um von dem Honorar sein Tagewerk zu finanzieren. Ulrich Blumenbach, der an der Freien Universität Anglistik und Germanistik studiert hat und heute in Basel lebt, saß sechs Jahre lang an der Übertragung des Erfolgsromans „Infinite Jest“ des US-amerikanischen Schriftstellers David Foster Wallace ins Deutsche. Keine leichte Aufgabe bei einem Original, das vor Wortspielen und Sprachwitzen überquillt. Das Graduierten-Kolleg „InterArt“ hatte Blumenbach eingeladen, das Buch und die Tücken des Übersetzens in der Literaturwerkstatt Berlin vorzustellen.

Eigentlich galt Wallace‘ Roman als unübersetzbar. Zu viele Wortspiele, verschachtelte Anspielungen, Wörter, die zwar in englischen Lexika aus dem 18. Jahrhundert zu finden waren, aber keineswegs im modernen Sprachgebrauch.

Fast schien es, als habe sich der Autor einen unendlichen Spaß daraus gemacht, potenzielle Übersetzer an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Ulrich Blumenbach war sechs Jahre damit beschäftigt, das Mammut-Projekt ins Deutsche zu übertragen.  Er jonglierte mit Pointen und Begriffen, verdrehte Sprichwörter und bat im Notfall Kollegen um Hilfe. „Es geht darum, den Sinn der Aussage zu bewahren. Witze kann man nicht wörtlich übersetzen.“

Erst nach einer Weile entdeckte er, dass verdrehte Fremdwörter  nicht auf die Unachtsamkeit des Schriftsetzers zurückzuführen waren, sondern vom Autor absichtlich eingesetzt wurden: Der Protagonist der Szenen verwendet unabsichtlich fehlerhafte Fremdwörter, um sich  den Anschein zu geben, möglichst gebildet zu sein. Blumenbach musste all die Seiten, auf denen er die scheinbaren Fehler stirnrunzelnd ausgebessert hatte, wieder ändern.

Was zunächst ein Liebhaberprojekt des Verlags Kiepenheuer & Witsch war, entwickelte sich nach dem Erscheinen des Buches im August 2009 zu der meistdiskutierten Veröffentlichung des Jahres mit einer Auflage von inzwischen etwa 60.000 Exemplaren, erzählt der Übersetzer. Dietmar Kammerer, Postdoktorand am Graduiertenkolleg „InterArt“ der Freien Universität Berlin, hatte die Lesung in der Kulturbrauerei zusammen mit der Literaturwerkstatt Berlin organisiert.

Süchtig nach Sprache?

Der Roman „Unendlicher Spaß“ spielt in einer fiktiven Zeit, in der die Jahre nach den Firmen benannt werden, die der Zeit-Benennungsagentur am meisten Geld bieten. Im „Jahr der Inkontinenz-Unterwäsche“  treffen die Protagonisten auf rund 1600 Seiten zwischen der behüteten Welt eines Tennis-Elite-Internats und einer nahegelegenen Drogen-Entzugs-Anstalt aufeinander. Die postmoderne Satire lebt auch vom Kontrast zwischen flachen Pennäler-Witzen und beißender Sprachironie. Der Autor, der den unendlichen Spaß versprach – David Foster Wallace –, beging im Jahr 2008 Selbstmord.

Blumenbach selbst hat sich nach eigenem Bekunden zu lange in den komplexen Zwischenebenen der Wallace’schen Sprache bewegt, als dass die Zeit spurlos an ihm vorüber gegangen wäre. „Ich muss mich erst wieder an die Gegenwarts-Mainstream-Literatur gewöhnen“, sagt er.