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In der Mode kommt alles wieder – auch die Rohstoffe

Mit ihrem Start-up circular.fashion will die Designerin Ina Budde – unterstützt von der Freien Universität – die Grundlage für eine echte Kreislaufwirtschaft in der Mode schaffen

16.02.2018

Das Start-up circular.fashion präsentierte sich im Januar auf der nachhaltigen Modemesse Ethical Fashion Show. Das Ziel von Designerin Ina Budde: echte Kreislaufwirtschaft in der Mode.

Das Start-up circular.fashion präsentierte sich im Januar auf der nachhaltigen Modemesse Ethical Fashion Show. Das Ziel von Designerin Ina Budde: echte Kreislaufwirtschaft in der Mode.
Bildquelle: circular.fashion

Nachhaltigkeit und Mode – das klingt nach einem Widerspruch. Denn schließlich lebt die Branche ja davon, dass wir jede Saison etwas Neues zum Anziehen kaufen, obwohl der Kleiderschrank noch voll ist. Ein Start-up aus der Freien Universität Berlin zeigt, wie echte Kreislaufwirtschaft auch in der Modeindustrie machbar ist.

Während Modestars und -sternchen sich in Berlin zur Fashion Week trafen, gab Ina Budde auf der zeitgleich stattfindenden nachhaltigen Modemesse Ethical Fashion Show eine Antwort auf die Frage, wie wir die Freude an neuen Trends mit unserem Gewissen vereinbaren könnten: Kreislaufwirtschaft – oder „circular.fashion“, wie sich ihr Start-up für nachhaltige Mode nennt. Eine digitale Lösung soll es allen Beteiligten so einfach wie möglich machen, das Richtige zu tun. „Wenn die kostbaren Materialien von aussortierter Mode über die Altkleidersammlungen schließlich als Polster in Autositzen landen, ist das ein Wertverlust“, sagt sie. „Aus abgelegter Kleidung soll neue Kleidung entstehen.“ Mit ihrem Start-up will sie deshalb die Grundlage für hochwertiges Faser-zu-Faser-Recycling schaffen.

Als selbstständige Beraterin für nachhaltiges Design hat Ina Budde bereits Kollektionen mit den nachhaltigen Modelabels Jan ‘n June und Myrka Studios entwickelt. Parallel forschte und lehrte sie an Hochschulen in Berlin, Hamburg, Kopenhagen, London und Melbourne. Mit einem EXIST-Gründerstipendium des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie will sie mit ihrem Team nun eine digitale Infrastruktur aufbauen, die kleinen und großen Modeherstellern helfen soll, eine Kreislaufwirtschaft effizient umzusetzen. Den Grundstein für das Projekt circular.fashion legte sie Anfang 2017, als sie gemeinsam mit zwei Teamkollegen mit dem Berliner Start-up-Stipendium an der Freien Universität Berlin gefördert wurde.

Das Team von circular.fashion: Designerin Ina Budde (2. v. l.) mit Jonna Haeggeblom, Alberte Laursen Rothenborg und Mario Malzacher (v.l.n.r.).

Das Team von circular.fashion: Designerin Ina Budde (2. v. l.) mit Jonna Haeggeblom, Alberte Laursen Rothenborg und Mario Malzacher (v.l.n.r.).
Bildquelle: circular.fashion

„Im besten Fall fängt der Kreis dort an, wo die Stoffe produziert werden, denn manche Gewebe sind mehr, andere weniger für die Wiederverwertung geeignet“, sagt Ina Budde. In der Datenbank von circular.fashion finden sich Informationen über geeignete Materialien und Produzenten. Eine Software und Leitlinien helfen zukünftig Designern bei der Gestaltung: „Wenn Mode hochwertig recycelt werden soll, sollten die Materialien sortenrein oder trennbar eingesetzt werden“, erklärt die Gründerin. Mögliche Einschränkungen können dabei ebenfalls positiv wirken, nämlich als Treiber für Kreativität und Innovation, um neue recyclingfähige Lösungen und Verbindungstechniken zu entwickeln.

Maschinelles Lernen gegen Materialverlust

Bei der Software für den Designprozess kommen die Erfahrungen des Informatikers Paul Pollinger und des Gründungsmentors Raúl Rojas ins Spiel. Rojas leitet die Arbeitsgruppe für Intelligente Systeme, Maschinelles Lernen und Robotik am Fachbereich Mathematik und Informatik der Freien Universität Berlin und hilft dem Team mit seinem Know-how zum maschinellen Lernen, etwa wenn es darum geht, aus handgezeichneten Entwürfen Schnittmuster zu erstellen, die nahezu ohne Materialverlust auskommen. 

Bei der Herstellung wird dann jedes Kleidungsstück – von der Socke bis zum Sakko – mit einem individuellen Code versehen. Anhand dieser sogenannten Circularfashion.ID können Textilsammler und -sortierer sowie Recycling-Unternehmen jederzeit auf die Materialinformationen in der Datenbank zugreifen. Auch für Verbraucher ist der mit dem Smartphone lesbare Code interessant, weil sie darüber im Internet die ganze Historie des Kleidungsstücks verfolgen können. Für die Hersteller ist das ein Weg, ihre Nachhaltigkeits-strategie besonders glaubwürdig und transparent darzustellen und mit ihren Kunden in Kontakt zu bleiben.

Die recyclefähige Kleidung ist bereits auf dem Markt erhältlich, zum Beispiel in einer Kollektion des Modelabels Myrka Studios.

Die recyclefähige Kleidung ist bereits auf dem Markt erhältlich, zum Beispiel in einer Kollektion des Modelabels Myrka Studios.
Bildquelle: circular.fashion

Beschleunigungsprogramm für gute Mode

In den vergangenen sechs Monaten haben Ina Budde und ihr Team das System mit 15 Pilotpartnern erfolgreich erprobt, unter anderem mit den Modelabels Jan’n June aus Hamburg und Myrka Studios aus Berlin. Nach einer kurzen Überarbeitung soll es in wenigen Wochen für zahlende Kunden zur Verfügung stehen. Mögliche Partner für das Recycling sind zum Teil andere innovative Unternehmen, die neue Technologien genau dafür entwickelt haben. Baumwolle und Hanf gehen nach Skandinavien, Wolle nach Italien und Polyester nach Deutschland „Bisher hatten diese Firmen Schwierigkeiten damit, Materialien eindeutig zu identifizieren“, sagt Ina Budde. „Mithilfe unseres Systems lässt sich diese wichtige Voraussetzung für hochwertiges Recycling problemlos erfüllen.“

Damit nicht am Ende der bequeme Verbraucher den Kreislauf unterbricht, wird es auch ihm ganz einfach gemacht: Cirucular.fashion experimentiert mit portofreien Rücksendeaufklebern, die man online abrufen und ausdrucken kann. Aber auch Läden für nachhaltige Mode sind daran interessiert, die ausgemusterte Kleidung zurückzunehmen. Teurer muss die Kreislaufmode dadurch nicht werden – im Gegenteil! Nach der Nutzung behält jedes Teil seinen Rohstoffwert. Wenn die Preise – etwa für Baumwolle – weiter steigen, zahlt es sich aus, dass ohne Qualitätsverlust recycelt werden kann. Deshalb ist Ina Budde überzeugt, dass ihr System nicht nur für kleine Labels, sondern auch im Massenmarkt funktionieren kann.

Auf der Berliner Fashion Week kamen bereits viele Vertreter von großen Konzernen an ihren Messestand. Sie haben aufmerksam zugehört, und wollten mehr erfahren: Circular.fashion wurde eingeladen, das Konzept bei Fashion for Good vorzustellen. Das ist ein sogenannter Accelerator, also ein Beschleunigungsprogramm für Start-ups, mit Sitz in Amsterdam, der unter anderem von Unternehmen wie C&A und der Groupe Galerie Lafayette getragen wird. „Wir sind unter den 25 Finalisten“, sagt Ina Budde.  Nach der Endausscheidung werden bis zu 15 Start-ups in das Programm aufgenommen. Wenn circular.fashion dazu gehört, erhält das Team Zugang zu wichtigen Messen, Veranstaltungen und Investoren. Und vielleicht dreht sich Mode dann schon bald richtig im Kreis.