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Vor 50 Jahren: Kennedy an der Freien Universität

Am 26. Juni jährt sich der Tag, an dem John F. Kennedy die Freie Universität besuchte, zum 50. Mal. Kennedys Berlin-Visite war ein von langer Hand geplantes Ereignis, ersehnt seit dem Tag des Mauerbaus und von hohen Erwartungen getragen. Bereits im März 1963 hatte Shepard Stone, der damalige Direktor der Ford Foundation in New York, ein Telegramm an Ernst Heinitz, den Rektor der Freien Universität, gesendet, in dem er empfahl, den Präsidenten zu einer öffentlichen Würdigung seiner Verdienste einzuladen. Der Akademische Senat entschied wenige Tage später, Kennedy den Titel eines „Ehrenbürgers“ der Freien Universität zu verleihen – eine Auszeichnung, die man auch fortan sehr selten vergab.

Der Vertreter der amerikanischen Mission in Berlin signalisierte am 10. April 1963, dass der Präsident die Einladung gern annehmen und gewiss auch „einige Worte an die Studenten“ richten werde.

Tatsächlich hielt Kennedy dann am 26. Juni eine halbstündige Rede, die programmatische Züge trug und sich keineswegs auf Höflichkeitsformeln beschränkte. Am Vormittag hatte der Präsident vor 400 000 jubelnden Zuhörern vor dem Rathaus Schöneberg sein Bekenntnis für Berlin und die sicherheitspolitische Verantwortung der amerikanischen Regierung formuliert.

Am Nachmittag in Dahlem – vor nunmehr 20 000 Menschen – wechselte er die Perspektive. Im Vordergrund stand jetzt nicht die emotionale Mobilisierung, sondern die nüchterne Analyse. Der Kalte Krieg müsse, so lautete die Botschaft, durch eine Politik der Versöhnung überwunden werden. Einen „Wind der Veränderung“ beschwor Kennedy – und setzte damit ein Zeichen für die neue Strategie der Verständigung.

Auf der Ehrentribüne vor dem Henry- Ford-Bau saßen am Nachmittag des 26. Juni 1963 auch Berlins Regierender Bürgermeister Willy Brandt und der Leiter des Berliner Presse- und Informationsamtes, Egon Bahr. Sie griffen die Impulse, die von Kennedys Rede ausgingen, in den kommenden Monaten auf. „Wandel durch Annäherung“: Das war die neue, von Egon Bahr ausgerufene Formel für eine Politik der Entspannung, die sechs Jahre später von der sozialliberalen Koalition umgesetzt wurde.

Die Freie Universität hatte Kennedy aus guten Gründen als Ort für seine zukunftsweisende Ansprache gewählt. Als Hochschule, die erst 15 Jahre zuvor mit amerikanischer Unterstützung gegen ideologische Verkrustung und dogmatischen Starrsinn gegründet worden war, stand sie für akademische Unabhängigkeit, Weltoffenheit und Neugierde. Kennedy appellierte an genau diese Werte, indem er Risikobereitschaft und Mut zum Umdenken forderte. Dass die neue Politik der Entspannung im Juni 1963 an der Freien Universität erstmals öffentlich verkündet wurde, hat also seine innere Konsequenz.

Wenn wir dieses Jubiläum gemeinsam mit dem Senat von Berlin und der Amerikanischen Botschaft feiern, tun wir das aber nicht nur im Zeichen des Rückblicks, sondern auch in Erwartung des Berlin-Besuchs des amerikanischen Präsidenten Barack Obama am 18. und 19. Juni. Auch sein öffentlicher Auftritt in der Stadt wird mit großer Spannung erwartet. Berlin ist eine symbolträchtige Wahl, denn hier ist der richtige Ort für programmatische Reden, wie John F. Kennedys Besuch gezeigt hat.

Von Peter-André Alt
Der Autor ist Präsident der Freien Universität.