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Auf die Etikette achten

Mehr als eine Million Bücher mussten vor dem Umzug in die neue Campusbibliothek neu systematisiert und katalogisiert werden

10.03.2015

An der Umsystematisierung von etwa einer Million Büchern waren Andrea Taitai (li.), die stellvertretende Leiterin der Universitätsbibliothek, und Kirsten Hilliger, eine von sechs Fachkoordinatoren, maßgeblich beteiligt.

An der Umsystematisierung von etwa einer Million Büchern waren Andrea Taitai (li.), die stellvertretende Leiterin der Universitätsbibliothek, und Kirsten Hilliger, eine von sechs Fachkoordinatoren, maßgeblich beteiligt.
Bildquelle: Annika Middeldorf

24 Instituts- und Bereichsbibliotheken ziehen in die neue Campusbibliothek der Freien Universität. Das Online-Magazin campus.leben begleitet den Umzug mit einer Serie.

24 Instituts- und Bereichsbibliotheken ziehen in die neue Campusbibliothek der Freien Universität. Das Online-Magazin campus.leben begleitet den Umzug mit einer Serie.
Bildquelle: luxuz::. / photocase photocase

SK 950 P6 D351 – was für Laien eine beliebige Kombination von Zahlen und Buchstaben ist, ist für Kirsten Hilliger eine leicht zu lesende Chiffre: „Der erste Teil zeigt an, dass ein Buch thematisch dem Bereich Mathematik für Physiker zuzuordnen ist. Der hintere Teil bezieht sich auf den Autor.“ Der Schlüssel, mit dem Hilliger den Code knackt, ist die sogenannte Regensburger Verbundklassifikation (RVK), eine Systematisierung für Bibliotheksbestände, die in der neuen Campusbibliothek genutzt wird. Kirsten Hilliger ist eine von sechs Fachkoordinatoren, die für die Umsystematisierung zuständig sind. Um sich als Nutzerin oder Nutzer in der neuen Campusbibliothek zurechtzufinden, braucht es aber keine Spezialausbildung. Im Gegenteil: Die Büchersuche werde deutlich einfacher, sagt Andrea Tatai: „Anders als bislang stehen in der neuen Bibliothek thematisch zueinander passende Bücher und die Bücher eines Autors gemeinsam in einem Regal.“ Die stellvertretende Leiterin der Universitätsbibliothek war maßgeblich an der Umsystematisierung beteiligt.

Andrea Tatai erklärt, was sie den „bibliothekarischen Hintergedanken“ der RVK-Systematisierung nennt: Auf der Suche nach einem bestimmten Buch stehe ein Bibliotheksbesucher vor dem Bücherregal, finde das gesuchte Buch – und entdecke im gleichen Schritt weitere Bücher zum gleichen Thema oder vom gleichen Autor. „Dieser ‚zufällige Erkenntnisgewinn‘ ist die Idee, die hinter der Systematisierung nach RVK steht“, so Tatai. Deshalb sei sie auch für die Freihandaufstellung, bei der Bibliotheksbesucher ihre Bücher selbst in den Regalen suchen, besonders geeignet.

Die RVK-Systematisierung richtet sich nach Wissensgebieten, denen jeweils ein Buchstabe zugeordnet ist. Insgesamt gibt es 33 Hauptgruppen. Der Buchstabe B steht beispielsweise für Theologie und Religionswissenschaft, der Buchstabe S für Mathematik und Informatik. Diese Hauptgruppen werden dann durch weitere Buchstaben und Zahlen weiter untergliedert. Europaweit wird diese Systematisierung von wissenschaftlichen Bibliotheken genutzt. Auch an der Freien Universität sorgt sie bereits in der Philologischen Bibliothek und der Universitätsbibliothek für Ordnung. „Die Studenten müssen sich also nicht mehr in jeder Bibliothek neu orientieren“, sagt Tatai.

Für jedes Buch ein Etikett

Etwa eine Million Bücher aus 24 Institutsbibliotheken werden in der neuen Campusbibliothek zusammengeführt. Den gesamten Bestand neu zu systematisieren, sei ein Kraftakt gewesen, sagt die Bibliothekarin. Dabei klingt das Ziel zunächst simpel: „Jedes Buch braucht ein einmaliges Etikett, das heißt keine Signatur darf doppelt vergeben werden“, erklärt Andrea Tatai, die von 2010 bis 2013 die Umsystematisierung leitete. „Die Herausforderung lag auch darin, dass in den einzelnen Bibliotheken die Bücher sehr unterschiedlich systematisiert waren“, so Tatai. Einige Bücher waren noch in gar keinem Katalog verzeichnet, andere hatten ihren Bestand nach Römischen Zahlen sortiert. Die Umsystematisierung wurde deshalb über mehrere Jahre im Voraus geplant und schrittweise umgesetzt.

Um bei 24 Institutsbibliotheken nicht den Überblick zu verlieren, wurden für die Neuordnung Fachkoordinatoren eingestellt. Hierfür wurden Fächercluster entwickelt – der Cluster Orient umfasst beispielsweise die Bibliotheken der Arabistik/Semitistik, Islamwissenschaft, Iranistik und Turkologie. Um Zweifelsfälle und Best-Practice-Beispiele miteinander zu diskutieren, trafen sich die Fachkoordinatoren zunächst wöchentlich und richteten schließlich ein Online-Wiki ein. „Jedes Buch musste in die Hand genommen werden und der Inhalt einer Gruppe der RVK zugeordnet werden. Wenn ein Buch teils Atomphysik, teils Molekularphysik behandelt, konnte die Entscheidung schon mal schwierig sein“, erzählt Kirsten Hilliger. Sie koordinierte den Buchbestand der naturwissenschaftlichen Fächer und hat allein seit 2012 über 60.000 Bücher und Signaturnummern geprüft. „Im Zweifel mussten wir dann Buchseiten zählen. Je mehr Seiten zu einem Thema, desto eindeutiger die Entscheidung“, so Hilliger. Bis zu 2300 Bücher im Monat systematisierte sie mit ihrem Team von bis zu elf studentischen Hilfskräften um.

Wohlgeplante Ordnung

Für einige Fächer wurde in der Dahlemer Arnimallee extra ein Gebäude angemietet, das nur für die Zeit der Umarbeitung genutzt wurde. Auf mehreren hundert Quadratmetern wurde hier in Hochzeiten an mehr als 20 Arbeitsplätzen gearbeitet. „Vor allem für die technische Bearbeitung und das Aufkleben der Etiketten haben wir den Platz dringend gebraucht. Dafür waren viele der Villen einfach zu klein“, erklärt Tatai.

Nun sind Andrea Tatai und Kirsten Hilliger gespannt, wie die neue Systematisierung bei den Besuchern ankommt. Mitte April soll die neue Campusbibliothek ihren Betrieb aufnehmen. Ein Anliegen haben die beiden schon jetzt, damit die wohlgeplante Ordnung nicht gleich wieder durcheinander kommt: Besucher sollten die Bücher lieber an Sammelstellen ablegen, als an verkehrter Stelle ins Regal zurückräumen. Ein wenig auf die Etikette zu achten, habe schließlich noch niemandem geschadet.

Weitere Informationen

  • Etwa eine Million Bände aus 24 Instituts- und Bereichsbibliotheken werden in der neuen Campusbibliothek Natur-, Kultur- und Bildungswissenschaften, Mathematik, Informatik und Psychologie zusammengebracht.
  • Neben den Bibliotheken, die zu geschichts- und kulturwissenschaftlichen Instituten gehören, die ebenfalls in den Neubau der Universität umziehen, sind dies die Bereichsbibliothek Erziehungswissenschaft, Fachdidaktik und Psychologie sowie die Bibliotheken von fünf mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern.
  • Die Campusbibliothek entsteht in dem großen Neubau an der Fabeckstraße 23-25, der den bisherigen Gebäudekomplex an der Habelschwerdter Allee 45 – die sogenannte Rost- und Silberlaube – nach Norden erweitert und in dem die „Kleinen Fächer“ des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften zusammengeführt werden.
  • Der Bibliotheksneubau wurde baulich mit dem bereits bestehenden, sanierten Gebäude der Bibliothek des Fachbereichs Erziehungswissenschaft und Psychologie verbunden und bildet mit diesem zusammen die Campusbibliothek.

Dieser Artikel ist Teil einer Serie des Online-Magazins Campus.leben, das den Umzug der Bibliotheken in die neue Campusbibliothek mit einer Serie begleitet.