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„Es ist wichtig, etwas für sich zu tun“

Wie man lernt, den Ruhestand zu genießen

14.10.2011

„Als klar war, dass ich den Rest meines Lebens allein gestalten muss, habe ich die Zitty abonniert“, sagt Hannelore Lwowsky-Lüpges. Die 69-Jährige ist Mitglied einer Theatergemeinde, geht einmal pro Woche ins Kino und sonntags auch mal ins Museum: „Das Bröhan-Museum schätze ich besonders, wegen der vielen Jugendstil-Exponate.“ Hannelore Lwowsky-Lüpges ist viel unterwegs. Die drei Söhne sind längst aus dem Haus, ihr zweiter Mann starb im Frühjahr.

„Es ist wichtig, etwas für sich zu tun und auch im Alter geistig gefordert zu werden“, sagt Hannelore Lwowsky-Lüpges. „Ich habe schon immer viel gelesen, irgendwelche Bücher oder den Spiegel schleppe ich meistens mit mir herum.“ Während der Langen Nacht der Wissenschaften 2010 wurde sie auf ein Angebot der Hochschulambulanz der Freien Universität aufmerksam: ein Gruppentraining mit dem Titel „Den Ruhestand genießen“. Sie habe sich gleich in eine Liste eingetragen, „und im Winter ging es dann los“.

„Unser Angebot richtet sich an psychisch gesunde Menschen ab 50 Jahren, die sich mit dem Thema Ruhestand auseinandersetzen wollen“, sagt Ilka Lißmann, promovierte und leitende Psychologin in der Hochschulambulanz für Psychotherapie, Diagnostik und Gesundheitsförderung an der Freien Universität. Ziel des achtwöchigen Kurses sei es, besser mit Verlusterfahrungen umgehen zu lernen und Depressionen vorzubeugen. Viele Menschen verlören mit dem Ende des Arbeitslebens wichtige soziale Kontakte oder benötigten Anregungen, wie sie die ungewohnte freie Zeit sinnvoll ausfüllen können. In einer festen Gruppe setzen sich fünf bis acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer in wöchentlichen Doppelstunden mit ihren bisherigen Erfahrungen sowie ihren Wünschen und Zielen für den bevorstehenden neuen Lebensabschnitt auseinander, erläutert die Psychologin. Dabei würden auch konkrete Anliegen Einzelner diskutiert.

„Ein Teilnehmer ging zum Beispiel ungern allein aus, weil er vermutete, alle würden denken, er sei einsam“, erzählt Psychologin Ilka Lißmann. Gemeinsam habe die Gruppe über diese Sorge nachgedacht und überlegt, was andere Menschen alternativ denken könnten, wenn sie einen Menschen sehen, der allein unterwegs ist.

Ein Thema, das auch Hannelore Lwowsky-Lüpges nicht fremd ist. „Ich bin Einzelkind und habe schon immer darunter gelitten, allein zu sein“, sagt sie. Eines ihrer Motive für die Teilnahme an der Gruppe sei es daher gewesen, neue Menschen kennenzulernen. Von jedem einzelnen Treffen habe sie „etwas mitgenommen“. „Einmal haben wir Denkmuster analysiert, die dem Wohlbefinden abträglich sind“, berichtet sie. Sätze wie „Das schaffe ich nie“ sage sie inzwischen nicht mehr. Auch im Umgang mit anderen Menschen sei sie achtsamer geworden: „Freundschaften sind wie Pflanzen“, sagt sie. „Wenn man die nicht pflegt, gehen sie ein.“ Eine Freundin war es auch, die sie zur Langen Nacht der Wissenschaften an die Freie Universität mitnahm, in der sie auf das Angebot aufmerksam wurde.

Drei Monate nach der letzten Doppelstunde treffen sich die Mitglieder erneut und berichten von ihren Erfahrungen. „Das Feedback unserer Teilnehmer im Alter zwischen 53 und 78 Jahren ist durchweg positiv“, sagt Ilka Lißmann. „Wir regen auch dazu an, sich unabhängig von uns weiter zu treffen.“

Ende Oktober beginnt ein neues Training, die wöchentlichen Treffen donnerstags von 17.15 Uhr bis 19.00 Uhr sind zeitlich so gelegt, dass auch Berufstätige teilnehmen können. „Wir freuen uns auf Menschen, die die Offenheit mitbringen, sich darüber auszutauschen, was es für jeden Einzelnen bedeutet, älter zu werden“, sagt die Psychologin.

Kontakt zur Hochschulambulanz der Freien Universität Berlin:  Telefon: 030 / 838 56 345. Telefonische Terminvereinbarung: mittwochs von 11.00–12.00 Uhr und donnerstags von 13.00–14.00 Uhr.

Im Internet: www.fu-berlin.de/psychologischeambulanz