Springe direkt zu Inhalt

Lernen und Forschen rund um die Uhr

19.02.2011

Von Peter-André Alt

Es gab Zeiten, da lagen Universitäten am Wochenende im Tiefschlaf. Gelehrt wurde bevorzugt von Dienstag bis Donnerstag. Bereits am Freitag setzte der große Auszug ein. Lediglich in den Laborfächern herrschte auch an den Rändern der Woche emsige Betriebsamkeit. Hörsäle und Bibliotheken aber blieben außerhalb der Kernzeiten Oasen der Ruhe. Heute hat sich diese Situation grundlegend geändert. Wer an einem Sonntag den Campus der Freien Universität durchquert, bemerkt rasch, dass für eine moderne Hochschule keine Ruhezeit existiert. In Fachbereichen und Instituten wird durchgehend geforscht und gearbeitet. Bei Wochenendseminaren, Workshops und internationalen Konferenzen versammeln sich auch am Sonntag Studierende und Wissenschaftler aus aller Welt.

Leben herrscht an vielen Stellen, das beweist auch die Reportage auf Seite 4 dieser Beilage. Das Das geisteswissenschaftliche Zentralgebäude an der Habelschwerdter Allee gibt ein typisches Beispiel. Die von Lord Norman Foster errichtete Philologische Bibliothek, die im Zentrum unseres Dahlemer Campus’ liegt, öffnet sonntags um zehn Uhr. Bereits um elf ist sie gut besetzt; Studierende und internationale Gastwissenschaftler nutzen hier die Chance, auch am Wochenende auf den Präsenzbestand mit mehr als 750.000 Bänden zugreifen zu können. Wer vor einer Abschlussarbeit steht oder ein Referat beenden muss, profitiert von dieser Möglichkeit ebenso wie eine amerikanische Literaturwissenschaftlerin von der Columbia University in New York oder der Austauschwissenschaftler an der Sorbonne. Was an anderen Spitzenhochschulen der Welt üblich ist, gehört mittlerweile auch zum Standard der Freien Universität: die sieben Tage der Woche frei zugängliche Bibliothek. Bis 18 Uhr kann man am Wochenende an der Habelschwerdter Allee in Fosters „Berlin Brain“ lesen, exzerpieren, forschen. Und auch in den Labors der Arnimallee oder im Hahn-Meitner-Bau, der die Biochemie beherbergt, brennt am späten Sonntag das Licht. Wissenschaft kennt keine Wochenenden.

Dieser Befund passt zu einer allgemeinen Tendenz, die der Bologna-Prozess zur europaweiten Vereinheitlichung von Studienabschlüssen befördert hat. Was sich in den alten Studiengängen am Ende – auf durchaus problematische Weise – in einem langen Examen staute, verteilt sich nun in gleichmäßigerer Dosierung auf die sechs Semester des Bachelor- und die vier Semester des Masterstudiums. Hinzu kommt eine Vielzahl von berufspraktischen und berufsvorbereitenden Kursen, die nur selten an Wochentagen stattfinden können. Das verlangt eine kontinuierlichere Präsenz in der Universität, in Bibliotheken und Labors. Die Hochschule wird zunehmend zum alltäglichen Lebensumfeld der Studierenden. Wir sind uns der Verpflichtungen bewusst, die daraus erwachsen. Die Freie Universität arbeitet unter Hochdruck daran, ihren Dahlemer Campus noch attraktiver zu gestalten. Für die sieben Tage der Woche, die Studierende und Lehrende sich einer der schönsten Aufgabe der Welt widmen: der Wissenschaft.

Der Autor ist Präsident der Freien Universität Berlin