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Gesunder Schweinefraß

Sonderforschungsbereich mit Pilotfunktion: Wissenschaftler untersuchen die Wechselwirkungen zwischen Ernährung und Mikroorganismen im Darm

12.10.2009

Fressen für die Wissenschaft. An der Freien Universität Berlin werden Futterzusatzstoffe für eine gesündere Tierernährung erforscht. Ziel ist es, den Einsatz von Antibiotika in der Schweinezucht zu verringern.

Fressen für die Wissenschaft. An der Freien Universität Berlin werden Futterzusatzstoffe für eine gesündere Tierernährung erforscht. Ziel ist es, den Einsatz von Antibiotika in der Schweinezucht zu verringern.
Bildquelle: Sabrina Wendling

Von Eva Hundemer

Weihnachtszeit ist Gänsebratenzeit – den Rest des Jahres ernähren sich viele Menschen in Deutschland allerdings hauptsächlich von Schweinefleisch, der beliebtesten und meistgekauften aller Fleischsorten. Ob gebraten, gegrillt oder auf dem Brot, mehr als 38 Kilogramm davon verzehrte jeder Deutsche durchschnittlich im Jahr 2008. Dagegen waren es nur elf Kilogramm Geflügel- und knapp neun Kilogramm Rind- und Kalbfleisch, wie der deutsche Fleischer-Verband errechnet hat.

Schweine sind, so scheint es, in aller Munde – auch aufgrund der Krankheiten, die sie auf den Menschen übertragen können. Dabei handelt es sich nicht nur um die sogenannte Schweinegrippe, sondern beispielsweise auch um Salmonellen und andere, durch Erreger hervorgerufene Erkrankungen. Wie man diese Krankheiten besser behandeln oder sie sogar verhindern kann, erforschen jetzt Veterinärmediziner der Freien Universität Berlin. Unterstützung erhalten sie dabei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die erstmals einen tiermedizinischen Sonderforschungsbereich mit diesem Schwerpunkt in Deutschland finanziell fördert.

Sprecher des Forschungsprojektes „Ernährung und intestinale Mikrobiota – Wirtsinteraktionen beim Schwein“, das zunächst für vier Jahre gefördert wird, ist Professor Jürgen Zentek vom Institut für Tierernährung der Freien Universität. Ziel ist es, das Zusammenspiel von Ernährungsfaktoren, Mikroorganismen im Verdauungstrakt und dem Organismus zu untersuchen. „Uns interessiert natürlich besonders die Tiergesundheit“, sagt Professor Zentek. „Wir wollen untersuchen, ob und wie man die Ansiedlung und Vermehrung von krankmachenden Keimen, beispielsweise Salmonellen, im Verdauungstrakt der Tiere verhindern kann.“ Dies bedeutet auch, dass die tierischen Lebensmittel, also das Schweinefleisch, für den Verbraucher in Zukunft sicherer würden.

Verdauungsstörungen und Durchfall-Erkrankungen sind häufige Todesursachen bei Schweinen. Besonders Ferkel seien davon betroffen, sagt der Tiermediziner. Etwa 15 Prozent der Jungtiere sterben an bakteriellen Erkrankungen. Die Forscher wollen deshalb den Einfluss von Futterzusatzstoffen auf die Darmfunktion der Schweine untersuchen. Da sich im Darm die meisten Keime befinden – mehrere Milliarden pro Gramm Darminhalt – liegt hier der Schwerpunkt der Untersuchung.

„Futterzusatzstoffe, die sich positiv auf den Verdauungstrakt auswirken, sind beispielsweise das Spurenelement Zink oder sogenannte Probiotika. Das sind lebensfähige Bakterien, die man über das Futter zuführt und die für eine ausgeglichene, stabilere Darmflora sorgen sollen“, erklärt Zentek. Die Ergebnisse der Forschung könnten von großer Bedeutung für die deutsche Landwirtschaft sein. Denn weniger kranke Schweine bedeuten eine sichere und effiziente Produktion von Nahrungsmitteln. Die Ergebnisse könnten aber auch im Sinne des Tierschutzes positive Folgen haben, sagt Zentek, „da die Tiere durch die neuen medizinischen Erkenntnisse hoffentlich weniger häufig erkranken“.

In dem neuen Sonderforschungsbereich arbeiten 15 Gruppen von Wissenschaftlern fachübergreifend zusammen. Dazu gehören unter anderem Ernährungsspezialisten, Mikrobiologen, Virologen, Immunologen, Biochemiker, Physiologen, Genetiker, Histologen und Bioinformatiker. Die Forscher führen am Ende alle Ergebnisse zusammen, werten sie aus und veröffentlichen die Erkenntnisse. „Das ist der große Vorteil dieser Untersuchung. Viele Forscher aus unterschiedlichen Fachbereichen arbeiten nicht isoliert, sondern gemeinsam mit verschiedenen Methoden an einer Frage“, sagt Zentek. Mit dabei sind unter anderem auch Wissenschaftler der Humboldt-Universität, der Charité – der medizinischen Fakultät von Humboldt-Universität und Freier Universität –, der Technischen Universität Berlin, des Bundesinstituts für Risikobewertung und des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung. Zum Projekt gehört außerdem ein sogenanntes Graduiertenkolleg, das Nachwuchswissenschaftlern und Doktoranden aus aller Welt offen steht.

Im ersten Teil der Untersuchungen werden zunächst die Wirkmechanismen von Nahrungszusatzstoffen getestet. „Wirkt ein Zusatzstoff, sei es Zink oder ein Probiotikum, im Futter der Schweine positiv auf deren Verdauungsprozess, wollen wir zunächst klären, warum das so ist und welche Mechanismen daran beteiligt sind. Es ist uns wichtig, die Tiergesundheit auf einem natürlichen Weg zu stabilisieren und möglicherweise den Einsatz von Antibiotika im Schweinefutter zu reduzieren“, erklärt Professor Zentek.

„Probiotika statt Antibiotika“ könnte also der Slogan dieser Untersuchung heißen. Antibiotika müssen den Schweinen verabreicht werden, wenn sie an bakteriellen Infektionen leiden. Eines der Hauptziele von Zenteks Team ist es, Tiere möglichst ohne Erkrankungen aufzuziehen und so auf die umstrittenen Antibiotika zu verzichten, die bei Tieren aber auch beim Menschen über den Verzehr von Schweinefleisch zu Resistenzen führen können. „Wenn wir verstehen, wie die Ernährung gezielt und vorbeugend die Tiergesundheit fördern kann, können wir Alternativen entwickeln.“

Menschen könnten von diesem Forschungsprojekt direkt profitieren, weil auf diese Weise gesündere Lebensmittel erzeugt würden. Manche Ergebnisse dürften auch von grundlegender Bedeutung sein: „Das Schwein ist zur Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen Ernährung und Darmfunktion besonders geeignet. Die resultierenden Erkenntnisse sind durchaus auch für die Ernährungsforschung insgesamt von Interesse, also auch für die Ernährung des Menschen“, sagt Jürgen Zentek. Mit etwas „Schwein“ machen die Forschungen also nicht nur Tiere glücklicher und gesünder.